Название | Herta Tiemann-Gaastra (1917 – 1983) |
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Автор произведения | Detlef Gaastra |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961456895 |
Die jüngere Tochter meiner Urgroßmutter heiratete einen Mann der als Stahlarbeiter in Dortmund arbeitete. Diese Dame hieß Fredericke und muss das Leben wohl sehr leicht genommen haben. Meiner Mutter wurde vorgeworfen sie hätte den gleichen Charakter wie ihre Tante. Einen Arbeiter aus dem Ruhrgebiet zu heiraten war absolut unmöglich. Der Vorwurf der wirtschaftlichen Unsicherheit wurde von ihr mit dem Satz „kriegen wir nichts, haben wir nichts, dann gehen wir umso leichter“ abgetan. Es gab unzählige Anekdoten über sie. So ist eine Nachbarin zu ihr gelaufen und hat gerufen „kommen Sie schnell, Ihr Mann prügelt sich in der Kneipe“. Sie soll von ihrer Handarbeit nicht aufgesehen und geantwortet: haben: „Na und? Wenn er genug hat wird er schon nachhause kommen.“ Das könnte durchaus zum Charakter meiner Mutter passen. Zu der Familie in Dortmund hat Kontakt bestanden und die Tochter hat meine Großmutter auch noch in Bielefeld besucht. Aber es wurde Distanz gewahrt, weil sie in der Nazizeit Aufseherin in einem Frauengefängnis war. Über Einzelheiten wurde nicht gesprochen.
Es gibt nur ein Familienfoto, von dem nicht bekannt ist wann und zu welchem Anlass es aufgenommen wurde. Vermutlich zum 65. Geburtstag der Mutter. Die Aufnahme sagt viel über die Familie aus.
In der Mitte sitzt Frau Tiemann in Ravensberger Witwentracht, umgeben von ihrer Kinderschar. Mein Großvater steht oben rechts, er war das jüngste Kind. Der Altersunterschied zu den Geschwistern war sehr groß. Meine Mutter hat das sehr bedauert, denn dadurch hatte sie Vettern, die im Alter ihres Vaters waren. Mein Großvater war erst vier Jahre alt, als sein Vater verstarb.
Auf dem Bild ist zu sehen, dass alle sehr gut gekleidet sind und einen bürgerlichen Eindruck machen. Die Familie gehörte nicht zur Gruppe der Heuerlinge oder Kötter. Außer meinem Großvater haben es auch alle es einem gewissen Wohlstand gebracht. Er war auch der einzige der es nicht zu eigenem Grundbesitz gebracht hat, sondern nur zu einem Schrebergarten. Und auch der war kein Eigentum, sondern gepachtet.
Mutter Tiemann war eine geborene Olderdissen (korrekt Meier zu Olderdissen) und muss nach dem Tode ihrer Eltern einen erheblichen Erbteil bekommen haben. Das Haus in dem sie wohnte liegt auf der Ochsenheide hinter dem Bauernhausmuseum und gehört nicht zu dem Museumskomplex, Es war das einzige Haus auf dem Areal, auch wenn es heute so aussieht als sei es der Kotten zum Haupthaus. Aber dafür ist das Haus zu groß geraten, es sieht eher wie ein kleines Gehöft aus. Es ist sicherlich als Leibzucht, also Altenteiler für den Altmeyer errichtet worden. Der Balken über der Toreinfahrt nennt zwar Meyer zu Olderdissen als Erbauer aber hat keinen Hinweis auf einen Ruhesitz. Das der reichste Bauer von Quelle auch im Alter standesgemäß wohnen will ist nachzuvollziehen.
An der Ehe meiner Urgroßmutter haftete ein Makel. Während die ältere und jüngere Schwester standesgemäß heirateten ging sie (vermutlich) eine Liebesheirat ein und verband sich zum Schrecken der Familie mit einem Schäfer, der wochenlang mit seinem Schäferkarren durch die Lande zog. Im Standesregister wird er als Heuerling, also Tagelöhner, bezeichnet. Vermutlich stand er im Dienste des Meierhofes. Aber die Ehe war mit acht wohlgeratenen Kindern gesegnet, aus denen allesamt etwas geworden ist. Die älteste Tochter war Geschäftsfrau und führte in Bielefeld ein Kurzwarengeschäft. Die mittlere zog nach Dortmund, darüber habe ich schon berichtet. Über ihre Ehe ist außer zahlreichen Anekdoten nichts Nachteiliges bekannt. Die jüngste Tochter Friedericke blieb bis zum Ableben bei der Mutter und heiratete einen Tischlermeister. Sie war der gute Geist der Familie und hielt sie zusammen. In ihrem Haus versammelte sie die Familie und mein Großvater hat bis zu seiner Hochzeit mit 32 Jahren bei Ihr gewohnt. Das war nicht „Pension Mama“, sondern „Pension Schwester“. Mein Großvater und meine Mutter hatten zu Rickchen, wie sie im Familienkreis genannt wurde ein inniges Verhältnis.
Es gibt ein Indiz, dass ein gewisser Wohlstand und entsprechende Verbindungen bestanden haben. Mein Großvater bekam 1891 von seinem Paten zur Konfirmation eine vergoldete Taschenuhr, mit Uhrkette und einem mit kleinem Rubin verziertem Behälter für ein Foto. Es existiert keine Fotografie meines Großvaters, auf dem die Uhrkette nicht zu sehen ist. Die Uhr muss seinerzeit ein Vermögen gekostet haben. Selbst für das achte Kind eines einfachen Landarbeiters fand sich ein solventer Taufpate.
Die Taschenuhr meines Großvaters, die auf jedem Foto, das es von ihm gibt zu sehen ist. Die Uhr war bis 1968 voll Funktionsfähig.
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