»Wir kriegen euch alle!« Braune Spur durchs Frankenland. Werner Rosenzweig

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Название »Wir kriegen euch alle!« Braune Spur durchs Frankenland
Автор произведения Werner Rosenzweig
Жанр Юриспруденция, право
Серия
Издательство Юриспруденция, право
Год выпуска 0
isbn 9783957448378



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lokale Großereignis vorzubereiten und dem Kirchweihablauf ein festes Programm zu verpassen. Auch Norbert Amon war, wie auch im letzten Jahr, wieder dabei.

      »Wo ist denn der Walter?«, wollte der Müllers Luggi von ihm wissen, »kommt der nicht mehr? Ihr zwei seid doch die besten Freunde?«

      »Keine Ahnung«, entgegnete der Gefragte lustlos, »hab ihn schon länger nicht mehr gesehn. Seit der mit der Türkin zamm ist, interessiert der sich nicht mehr für mich.« Norbert Amon antwortete oberflächlich und emotionslos, aber innerlich hatte ihn die Frage sehr aufgewühlt. Er war stinksauer auf seinen Freund Walter Fuchs. Walter war mit dieser geilen Türkin eine Beziehung eingegangen, ohne seiner bisherigen Freundin etwas davon zu sagen. Er hatte sie einfach links liegengelassen. Kein feiner Zug. Auch Akgüls bisheriger Freund, dieser Türke mit der Riesengurke im Gesicht, einer Nase die ihresgleichen suchte, wusste offensichtlich von nichts. Aber am meisten ärgerte er sich, dass Walter auch für ihn keine Zeit mehr hatte. Er rief nicht mal mehr an. Norbert Amon konnte nicht mehr an sich halten vor Wut, wenn er darüber nachdachte. Vor zwei Tagen griff er zum Erlanger Telefonbuch und suchte nach der Telefonnummer von Yilmaz Müselüm.

      »Mit was für einer Türkin?”, wollte der Faulhammers Jupp wissen, der gerade seinen Bierkrug leerte und rülpsend auf den Tisch stellte. »Herbert, bring mir noch eins!«

      »Herbert, bring uns noch fünf!«, schrie der Holzmanns Hanni, ein weiterer Kirchweihbursche, dem Wirt hinterher.

      »Na, mit der Akgül aus der Amselstraß«, antwortete Norbert Amon widerstrebend, »und etz lass mir meine Ruh mit der Gschicht. Ich will nix mehr davon hörn!«

      »Aber die hat doch einen türkischen Freund, den Müselüm«, wunderte sich Josef Faulhammer.

      »Gehabt«, stellte Norbert Amon richtig. »Gehabt!«

      »Oh weh«, äußerte sich der Holzmanns Hanni, »das gibt Ärger! Wenn der das erfährt …«

      »Wenn er es nicht schon weiß, wenn er es nicht schon weiß”, orakelte Norbert Amon und stierte weiterhin finster vor sich hin.

      »Wer?« Günther Siebenschläger war immer etwas schwer von Begriff.

      »Na der Türke, der Müselüm.«

      »Hast du es ihm wohl schon erzählt?«, mutmaßte der Faulhammers Jupp.

      »Könnt schon sein«, brummte Norbert zurück.

      »Dann gibts Mord und Totschlag!«

      »Soll nicht meine Sorge sein und etz endgültig Schluss mit dem Thema.«

      »Wenn das auffliegt, gibts noch einen viel größeren Ärger«, mischte sich nun auch der Wirt in die Unterhaltung ein, welcher der Diskussion der Kirchweihburschen zugehört hatte.

      »Warum?«, kam es mehrstimmig zurück.

      »Denkt doch mal nach«, forderte der Sauers-Wirt die Meute auf.

      »Auweierla, die Doris!«, fiel es dem Jupp ein.

      »Genau, die Doris!«, bestätigte der Wirt, und knallte fünf Steinkrüge, bis zum Rand mit seinem dunklen, süffigen Kellerbier gefüllt, auf die dicke, hölzerne Tischplatte. »Hoffentlich weiß die das noch nicht!«

      »Aber die zwei sollen doch beim Betzn-Raustanzen mit dabei sein?« Günther Siebenschläger runzelte die Stirn, und blickte fragend in die Runde.

      »Günther, bist bleed? Da wird doch nix mehr draus«, klärte ihn Jupp Faulhammer auf.

      »Aber dann merkt die Doris das doch?«, ließ Günther Siebenschläger nicht locker.

      »Hast du das auch schon geschnallt?«

       5

      Nicht nur im Kreise der Kirchweihburschen sorgte die vermeintliche neue Liebschaft für heftige Diskussionen. Auch im Familienkreis der Familie Özkan war Feuer unterm Dach. Vor vier Jahren waren die Özkans aus der südostanatolischen Stadt Urfa, vierzig Kilometer von der türkisch-syrischen Grenze entfernt, nach Deutschland gekommen. Nach einem sechsmonatigen Aufenthalt in einem Asylantenheim in Niedersachsen wurde der Familie politisches Asyl gewährt. Vater Özkan konnte den deutschen Behörden gegenüber glaubhaft nachweisen, dass der syrische Geheimdienst, in seinem Fall die Abteilung für militärische Aufklärung, ihn massiv unter Druck gesetzt hatte, syrische Oppositionelle auf der türkischen Seite zu denunzieren. Nachdem seinem Asylantrag endlich stattgegeben wurde, machte ihn ein Bekannter, der schon längere Zeit in Deutschland lebte, auf eine Stellenausschreibung der Firma Schaeffler im fränkischen Herzogenaurach aufmerksam. »Du bist doch gelernter Maschinenschlosser«, ermunterte er ihn. Ahmet Özkan bewarb sich und wurde eingestellt. So kamen die Özkans vor drei Jahren nach Röttenbach und leben seitdem zurückgezogen in einem kleinen Häuschen in der Amselstraße. Anschluss an die einheimische Bevölkerung suchten sie nicht. Sie wollten lieber unter ihresgleichen bleiben. Ahmet Özkan war ein konservativer, frommer Muslim und wollte keinen zu nahen Kontakt zu den Ungläubigen. Das galt nicht nur für ihn, auch seiner Familie untersagte er diese Kontakte. Er vermisste die Moschee seiner Heimatstadt. Allah hatte ihm eine schwere Prüfung auferlegt, aber er würde nicht klagen. Nach dem Anruf von Müselüm, dem Freund seiner Tochter, war er regelrecht schockiert. Er glaubte ihm nicht und bezichtigte ihn der Lüge. »So etwas macht Akgül nicht«, hielt er ihm am Telefon vor. »Meine Tochter ist keine Hure.« Doch die Informationen, die sich sein Sohn Kemal daraufhin besorgte, deuteten auf eine eindeutige Situation hin. Er hatte tatsächlich eine Hure im Haus, in der eigenen Familie. Er verfluchte den Tag, an dem er entschieden hatte, mit der ganzen Familie nach Deutschland zu ziehen. Gut, er hatte Glück gehabt mit seinem Asylantrag, und einen gut bezahlten Job hatte er auch relativ schnell gefunden, aber das Leben hier in Deutschland hatte er sich ganz anders vorgestellt. Er verfluchte die vielen nackten Frauen im Fernsehen und auf den Titelblättern der Zeitungen. Selbst in dem kleinen Kaff Röttenbach liefen sie im Sommer halbnackt auf den Straßen herum. Er verehrte Karpfen als heilige Tiere. Hier wurden sie in viel zu engen Teichen gezüchtet. Und was machten die fränkischen Barbaren mit den heiligen Tieren? Sie töteten sie, und verspeisten die Fische mit einer abartigen und perversen Wolllust. Das Schlimmste aber waren die Demütigungen so mancher Dorfbewohner und Arbeitskollegen: »Du stinkst heut wieder. Schlimmer wie a ganze Odelgrubn.« »Hast dich in Knoblauch gwälzt, Ahmet?« »Stinkn alle Türkn so wie du?« Er hasste diese Deutschen. Wäre er doch nur in Urfa geblieben.

      *

      Ahmets siebzehnjährige Tochter Akgül saß heulend und verängstigt in einem tiefen, roten Plüschsessel. Sie hatte gegen das ungeschriebene Gesetz der Özkans verstoßen, indem sie in kompromittierender, unzüchtiger Weise mit einem jungen, deutschen Mann gesehen worden war. Heiße Tränen rannen ihr ohne Unterlass aus ihren kohlschwarzen Augen. Ihr zarter, feingliedriger Körper bebte und wurde von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt. Ihr gegenüber, auf dem roten Sofa, saßen ihr wutentbrannter Vater und ihr ebenso wütender zwanzigjähriger Bruder Kemal, der gerade heftig auf sie einredete.

      »Was du glaubst du bist? Eine Hure! Bringst Schande über die ganze Familie und Schande über Müselüm. Muss Müselüm von Dorfburschen erfahren, dass du hast deutschen Freund? Ich dich schlagen tot, wenn nix ist Ruhe damit! Sieh an Vater Ahmet, wie traurig und wütend ist. Du bist Türkin und nix deutsches Mädchen. Nix deutsche Freund. Ist kein Moslem. Nix glauben an Allah und Propheten. Ist ungläubig. Was er haben gemacht mit dir?«

      Bei diesen Worten zuckte Akgüls Oberkörper wieder wie unter Peitschenhieben zusammen. Mit tränenerstickter, leiser Stimme antwortete sie: »Nix gemacht mit Walter, nur geküsst.«

      »Schweig«, herrschte sie nun ihr Vater an, »ich will nix hören Name von deutsche Teufel.

      In der Küche brach nun auch Kamuran Özkan, Akgüls Mutter, in Tränen aus. Sie konnte die lauten, an ihre Tochter gerichteten Beschuldigungen deutlich vernehmen. Sie rückte ihr buntes Kopftuch zurecht und hielt die gefalteten Hände zur Decke gestreckt. »Allahu akbar«, betete sie innbrünstig. Im Wohnzimmer brüllten Vater Ahmet und Sohn Kemal weiter auf ihre Tochter ein.

      »Und