Leben aus dem Sein. Radhe Shyam

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Название Leben aus dem Sein
Автор произведения Radhe Shyam
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783946433279



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Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, der Hirsch, das Pferd, der große Adler - dieses sind unsere Brüder. Die felsigen Berggipfel, die saftigen Wiesen, die Körperwärme des Ponies und der Mensch - alle gehören sie der gleichen Familie an.

      Folglich, wenn der Große Häuptling uns wissen lässt, dass er unser Land kaufen will, erwartet er zu viel von uns. Der Große Häuptling will uns einen Platz reservieren, auf dem wir unter unseres Gleichen komfortabel leben können. Er wird unser Vater sein und wir seine Kinder. So werden wir also Ihr Angebot in Betracht ziehen. Aber es wird nicht leicht sein, denn dieses Land ist uns heilig. Ich stelle hier und jetzt die erste Bedingung: dass uns nicht das Vorrecht verwehrt wird - ohne Belästigung -, die Gräber unserer Vorfahren, Freunde und Kinder zu besuchen.

      Das glitzernde Wasser, das in den Strömen und Flüssen fließt, ist das Blut unserer Ahnen. Verkaufen wir Euch Land, dann müsst Ihr wissen, dass dieses Land heilig ist; dies müsst Ihr Eure Kinder lehren und auch, dass jeder schattige Reflex in dem klaren Wasser der Seen die Geschehnisse und Erinnerungen an das Leben meines Volkes er­zählt. Das Murmeln des Wassers ist die Stimme der Väter meines Vaters.

      Die Flüsse sind unsere Brüder, sie stillen unseren Durst. Die Flüsse tragen unsere Kanus und füttern unsere Kinder. Wenn wir unser Land verkaufen, dann müsst Ihr Euch daran erinnern, Eure Kinder zu lehren, dass die Flüsse unsere Brüder sind - und die Eurigen, fortan müsst Ihr den Flüssen die gleiche Freundlichkeit wie jedem Bruder zukommen lassen.

      Der rote Mann hat sich der Annäherung des weißen Mannes entzogen, genauso wie der Tau der glühenden Sonne flieht. Aber die Asche unserer Väter ist uns heilig. Die Gräber sind geweihter Boden, ebenso die Hügel, diese Bäume, dieser Teil der Erde ist uns heilig.

      Wir wissen, dass der weiße Mann unsere Lebensweise nicht versteht. Der eine oder der andere Teil des Landes ist ihm gleich; er ist ein Fremder, der in der Nacht erscheint und dem Lande das nimmt, was er braucht. Die Erde ist nicht sein Bruder, sondern sein Feind, und wenn er sie erobert hat, zieht er weiter.

      Er lässt die Gräber seiner Väter zurück, er kümmert sich nicht um sie. Er entführt die Erde ihren Kindern, es macht ihm nichts aus. Der Väter Gräber und das Geburtsrecht seiner Kinder sind vergessen. Er behandelt seine Mutter, die Erde, und seinen Bruder, den Himmel, als seien sie ausgeplünderte Kaufobjekte und verkauft sie wie Schafe oder glänzende Perlen. Sein unersättlicher Appetit verschlingt die Erde und hinterlässt eine Wüste. Ich verstehe es nicht. Unsere Lebensart unter­scheidet sich von Ihrer. Der Anblick Eurer Städte schmerzt die Augen des roten Mannes. Aber vielleicht liegt es daran, dass der rote Mann ein Wilder ist und nicht versteht.

      Es gibt keinen ruhigen Ort in den Städten der Weißen, keinen Platz, um den im Frühling sich entfaltenden Blättern zuzuhören, oder dem Flügelrauschen der Insekten. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein Wilder bin und deshalb nichts verstehe.

      Der Lärm scheint meine Ohren zu beleidigen. Und was soll das Leben, wenn ein Mann nicht den einsamen Ruf des Ziegenmelkervogels oder das Gequake der Frösche um einen Tümpel hören kann? Ich bin ein roter Mann und verstehe es nicht.

      Der Indianer liebt den sanften Ton des Windes, der über die Oberfläche eines Teiches streicht, den Geruch des Windes, gereinigt durch einen am Mittag gefallenen Regen oder gewürzt durch die federförmige Kiefer.

      Die Luft ist dem roten Manne kostbar, denn alle Dinge teilen den gleichen Atem, das Tier, der Baum, der Mensch - alle teilen den gleichen Atem. Der weiße Mann scheint der Luft, die er atmet, keine Bedeutung zuzumessen. Wie ein für mehrere Tage mit dem Tode Ringender ist er abgestumpft gegen den Gestank.

      Verkaufen wir Ihnen das Land, so müsst Ihr Euch daran erinnern, dass die Luft uns kostbar ist, dass die Luft ihren Geist mit jeglichem Leben, das sie erhält, teilt. Der Wind, der unserem Großvater den ersten Atemzug gab, gibt ihm ebenfalls seinen letzten Seufzer.

      Und wenn wir Ihnen unser Land verkaufen, müsst Ihr es separat und heilig halten, wo sogar der weiße Mann den mit Wiesenblumen gewürzten Wind kosten kann.

      Wir werden also Ihr Angebot, unser Land zu kaufen, in Erwägung ziehen. Nehmen wir es an, so stellen wir eine weitere Bedingung. Der weiße Mann soll die wilden Tiere dieses Landes wie seine Brüder behandeln. Ich bin ein Wilder und weiß es nicht besser. Ich habe Tau­sende von verrottenden Büffeln auf der Prärie liegen sehen, die aus dem fahrenden Zug von den Weißen erschossen wurden. Ich bin nur ein Wilder und verstehe nicht, wie ein rauchendes eisernes Pferd wichtiger sein kann als der Büffel, den wir nur töten, um am Leben zu bleiben.

      Was ist der Mensch ohne wilde Tiere? Sind alle wilden Tiere verschwunden, wird der Mensch aus großer Vereinsamung im Geiste sterben. Was immer den Wildtieren geschieht, wird dem Menschen geschehen. Alle Dinge sind miteinander verbunden.

      Sie müssen Ihre Kinder lehren, dass der Boden unter ihren Füßen die Asche ihrer Ahnen ist. Auf diese Weise werden sie das Land ehren. Sagt Ihren Kindern, dass die Erde angereichert ist mit den Leben der Anverwandten. Lehrt sie, was wir unseren Kindern gelehrt haben, dass die Erde unsere Mutter ist. Was immer der Erde anheimfällt, befällt die Kinder der Erde. Wenn die Menschen auf den Boden spucken, so bespucken sie sich selbst.

      Das eine wissen wir: die Erde gehört nicht dem Menschen, der Mensch gehört der Erde. Das wissen wir.

      Alle Dinge sind miteinander verwoben, wie das Blut, das eine Familie vereint. Alle Dinge sind miteinander verbunden. Was immer die Erde befällt, befällt die Söhne der Erde. Nicht der Mensch hat das Netz des Lebens gewoben, er ist nur ein Fädchen darin. Was er dem Netz antut, dass tut er sich selber an.

      Aber wir werden Ihr Angebot, in das Reservat zu ziehen, das Sie für mein Volk bereithalten, in Betracht ziehen. Wir werden abseits leben und in Frieden. Es spielt kaum eine Rolle, wo wir uns während der verbleibenden Tage aufhalten, es sind nicht viele. Unsere Kinder haben ihre Väter in Niederlagen gedemütigt gesehen. Unsere Krieger haben Scham gefühlt und sind nach ihrer Niederlage in Müßiggang und Trunksucht verfallen. Ein paar mehr Stunden, ein paar Winter mehr, und keines der Kinder des großen Volkes, das einst auf diesem weiten Lande lebte - und die nun in kleinen Banden durch die Wälder ziehen - wird übrigbleiben, um über den Gräbern eines Volkes zu trauern, das einstmals so mächtig und hoffnungsfroh war wie Ihres.

      Aber weshalb sollte ich trauern bei dem Dahinschwinden meines Volkes? Die Stämme bestehen aus Individuen, und diese sind nicht besser als sie. Die Menschen kommen und gehen wie die Wellen der See. Es ist ein Gesetz der Natur. Sogar der weiße Mann, dessen Gott unter ihm ging und mit ihm sprach von Freund zu Freund, kann nicht seiner Vorausbestimmung entgehen. Wir werden in diesem wohl Brüder sein. Die Zukunft wird es zeigen.

      Eines wissen wir, der weiße Mann wird es eines Tages vielleicht erfahren - unser und Ihr Gott ist der gleiche. Sie mögen denken, dass Sie ihn besitzen, aber das können Sie nicht. Er ist der Gott aller Menschen und sein Mitgefühl gilt allen, den Roten und den Weißen. Diese Erde ist ihm kostbar, und die Erde zu verletzen bedeutet, den Schöpfer mit Verachtung zu strafen.

      Die Weißen ebenfalls werden vergehen, und sie werden hell leuchten, wenn die Kraft des Gottes, der sie herführte, auf sie nieder­kommt, eines Gottes, der aus einem besonderen Grunde ihnen die Macht gab, über dieses Land und den roten Mann zu herrschen. Die Zukunft ist uns ein Rätsel, wir verstehen sie nicht - wenn all die Büffel geschlachtet, die wilden Pferde gezähmt, die geheimen Dickichte des Waldes schwer von dem Duft vieler Männer sind und die Aussicht von fruchtbaren Hügeln versperrt ist durch Telegraphenmasten.

      Wo ist das Gebüsch? Es gibt keines mehr.

      Wo ist der Adler? Es gibt keinen mehr.

      Wir werden also in Betracht ziehen, Ihnen unser Land zu verkaufen. Wenn wir zustimmen, so wird uns das versprochene Reservat zu­gesichert. Dort mögen wir vielleicht unsere kurzen Tage verbringen, so wie wir es möchten. Wenn der letzte rote Mann von der Erdoberfläche verschwunden sein wird und seine Erinnerung unter den Weißen ein Mythos geworden ist, werden diese Gestade mit den unsichtbaren Geistern unserer Stammesangehörigen wimmeln. Sie lieben diese Erde wie das Neugeborene seiner Mutter Herzschlag.

      Der Weiße wird niemals allein sein. Lass ihn gerecht sein und mein Volk freundlich