Memory House. Rachel Hauck

Читать онлайн.
Название Memory House
Автор произведения Rachel Hauck
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783961401604



Скачать книгу

      Als sie aufwachte und Tageslicht in ihr Schlafzimmer in East Flatbush strömte, grummelte sie und blinzelte gegen die Helligkeit an. Sie kuschelte sich noch einmal unter die Decke und stieß dabei gegen einen warmen Körper, der zusammengerollt neben ihr lag.

      Als die Erinnerung an die Ereignisse des vergangenen Abends zu ihrem noch schlaftrunkenen Hirn durchdrang, setzte sie sich auf und schlug die Bettdecke zurück. Boudreaux – der Hund – vier Stunden in der Tierklinik.

      „Hey, mein Kleiner. Frohes neues Jahr.“ Ganz vorsichtig kraulte sie den Hund hinter den Ohren. „Hast du gut geschlafen?“

      Mit einem leisen Winseln versuchte er, die Augen zu öffnen, aber die Erschöpfung und die Medikamente, die er bekommen hatte, hatten ihn noch fest im Griff.

      Laut Tierarzt war er ein Zwergschnauzer, fünf bis sechs Jahre alt, unterernährt, dehydriert, und von Flöhen und Würmern befallen.

      Sie hatten ihn geröntgt, mithilfe einer Ultraschalluntersuchung eine Bestandsaufnahme von seinen inneren Verletzungen gemacht, ihn dann mit Antibiotika und Flüssigkeit versorgt und schließlich Beck mit Spezialnahrung und Instruktionen für seine Behandlung nach Hause geschickt.

      „Kommen Sie in zwei Wochen wieder, dann können wir ihn gründlicher untersuchen“, hatte es geheißen.

      Der kleine Kerl sprach zwar sofort gut auf die Flüssigkeitszufuhr und die Nahrung an, aber der Tierarzt war besorgt, dass es doch noch zu unvorhergesehenen Komplikationen kommen könnte.

      Beck stand auf, zog die Vorhänge zu und legte sich wieder neben ihren neuen Freund.

      Er seufzte leise, als sie seine Pfote streichelte. Auf dem Weg zur Klinik hatte sie ihn Beetle Boo genannt, und nachdem der Tierarzt diesen Namen dann auch auf die Patientenkarte geschrieben hatte, war es besiegelt gewesen.

      Es klopfte leise an ihrer Tür. „Frohes neues Jahr, Beck. Bist du wach?“, sagte ihre Mutter leise und spähte vorsichtig ins Zimmer. „Du bist später nach Hause gekommen als …“ Sie verzog den Mund und sah jetzt in ihrer pinkfarbenen Krankenhauskleidung und der blassen Winterhaut aus wie ein zorniges Eis am Stiel. „Ein Hund? Also bitte, Beck, du weißt doch, dass Flynn allergisch ist.“

      „Ich wünsche dir auch ein frohes neues Jahr, Mama“, sagte Beck darauf, drückte mit geschlossenen Augen ihre Stirn gegen das winzige Hundegesicht und atmete den Duft des sauberen Fells ein. Sie hatte den Raum verlassen müssen, als der Tierarzt angefangen hatte, den Hund zu säubern, indem er ihm dicke Klumpen völlig verfilzten Fells abrasierte, so furchtbar hatte Beetle Boo dabei gejault und gewinselt.

      „Gibt es zu dem Hund auch eine Geschichte?“, fragte ihre Mutter jetzt.

      „Keine Sorge, ich suche mir eine eigene Wohnung. Du brauchst also nicht lange ein Haustier zu ertragen“, sagte Beck nur.

      „Jetzt sei doch nicht gleich so kratzbürstig. Es ist nur, weil Flynn allergisch gegen Hunde ist.“

      Sie hatte nie die Absicht gehabt, mit einunddreißig Jahren noch bei ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihrem kleinen Bruder zu wohnen, aber als letztes Jahr ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Sarah in Stuytown geheiratet hatte, war Beck vorübergehend wieder in ihr altes Zimmer in East Flatbush gezogen.

      Aus Tagen waren Wochen und aus Wochen Monate geworden und im Nu war ein Jahr vergangen. Inzwischen hatte sie genug gespart, um sich eine eigene Wohnung zu nehmen und gerade einen Mietvertrag unterschreiben wollen, als sie gemerkt hatte, dass ihr Abend im Rosie’s und das Zusammentreffen mit Hunter Ingram Folgen hatte.

      Vielleicht war das der Grund, weshalb sie sich unbedingt um Beetle Boo kümmern wollte – als Ablenkung von der Tatsache, die sie bisher phänomenal ignoriert hatte, indem sie den Kopf in den Sand steckte.

      „Beck?“ Die eine Seite des Bettes sackte unter dem Leichtgewicht ihrer Mutter nach unten und Beck schaute sie von schräg unten an.

      „Hast du mich gehört? Ich gehe jetzt zur Arbeit. Das Abendessen steht im Backofen. Flynn müsste eigentlich gegen sechs zu Hause sein. Nach dem Kalender am Kühlschrank hast du heute Nachtschicht. Bitte iss was, bevor du gehst, ja? Du bist ja nur noch Haut und Knochen. Flynn hat gesagt, dass dir im letzten Monat öfter mal schlecht gewesen ist …“

      „Ja, ich hab wohl zu viel Fast Food gegessen. Viel Spaß bei der Arbeit, Mama.“

      „So viel Spaß, wie eine Zwölf-Stunden-Schicht im Kings County eben hergibt. Aber heute ist Neujahr, da gibt es immer jede Menge Gutes zu essen. Apropos Essen …“

      „Ich habe dich schon gerade eben verstanden, Mama“, sagte Beck, setzte sich auf und strich sich ihr langes, dunkles Haar aus dem Gesicht. „Iss was, bevor du zur Arbeit gehst.“

      „Was ist denn los mit ihm?“, fragte ihre Mutter und schaute Beck an. Die zog sich ihre Decke über den Bauch und schaute den Hund an. „Er ist ja in richtig übler Verfassung“, fuhr ihre Mutter fort.

      „Ich hab ihn einem Täter abgenommen, der ihn eine Tüte mit Drogen hat fressen lassen, damit er sie später wieder ausscheidet.“

      Ach du liebe Zeit… genau im richtigen Moment schlug jetzt wieder die Morgenübelkeit zu. Immer ungefähr zehn Minuten nach dem Aufwachen. Sie hatte eigentlich gedacht, dass das langsam vorbei sein müsste, aber …

      „Und wieso hast du nicht die Tierrettung verständigt?“

      „Weil …“, einatmen, ausatmen, einatmen … und der Moment war vorbei, jedenfalls fürs Erste, „… ich das Gefühl hatte, dass er meine Hilfe brauchte.“

      Beck schaute zu ihrer Mutter hin – die Krankenschwester war eine Kümmerin, die alles liebte, was lebte –, die doch eigentlich verstehen musste, wenn jemand Hilfe brauchte, auch wenn sie und ihre Mutter eigentlich nie ein besonders enges Verhältnis gehabt hatten. Beck war ein Papakind gewesen – so war es ihr jedenfalls erzählt worden. Doch dann war der Terroranschlag am 11. September passiert, eine Katastrophe, die bis heute bei ihr nachwirkte.

      Der Einsturz des Nordturms hatte Mutter und Tochter gleichermaßen zusammen- wie auseinandergebracht, und zwar auf eine Weise, die keine von ihnen so ganz verstand.

      Also ließen sie einander Freiraum – und ignorierten einfach, wie die jeweils andere sich nur humpelnd fortbewegte. Ihre Mutter, indem sie einfach ihr Leben fortsetzte und nie zurückschaute. Und Beck, indem sie vergaß.

      „Interessant“, sagte ihre Mutter, stand auf und strich ihren Arbeitskittel glatt. „Du hast sonst nie Gefühle gezeigt, wenn es um Tiere oder Babys ging. Deinen kleinen Bruder hast du erst richtig angeschaut, als er schon fast zwei war.“

      „Vielleicht habe ich mich ja verändert – ein bisschen.“

      „Wunder über Wunder“, bemerkte ihre Mutter, schaute auf die Uhr und fragte: „Dann ist der Hund also ein dauerhafter Neuzugang?“

      „Ich weiß es nicht. Vielleicht. Wie gesagt, ich habe genug gespart, um mir selbst eine Wohnung zu nehmen.“

      „Habe ich gesagt, dass du ausziehen sollst? Ich muss nur wissen, was ich Flynn sagen soll. Er ist …“

      „… allergisch. Ich weiß.“

      So und ähnlich lief es zwischen ihnen fast immer seit dem Tod von Becks Vater. Damals war sie vierzehn gewesen. Jeder Versuch, irgendwie miteinander in Kontakt zu treten, führte zu einer unsichtbaren Spannung, aber irgendwie immer auch mit einem kleinen Schuss Geduld und Liebe.

      „Was für ein Hund ist das noch mal?“, fragte ihre Mutter und streckte ihre Hand zu Beetles Nase aus. Aber der Hund war zu erschöpft, um auch nur den Kopf zu heben. „Vielleicht ist es ja eine Rasse, die nicht haart.“

      „Er ist ein Zwergschnauzer“, antwortete Beck mit einem Lächeln und wärmte damit die Seele ihrer Mutter. „Ich bin wirklich dankbar für alles, was Flynn und du für mich tut, und dass ich hier mietfrei wohnen kann, aber ich brauche es auch, einfach mal für