Unbrauchbar?. Steven Furtick

Читать онлайн.
Название Unbrauchbar?
Автор произведения Steven Furtick
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783961400508



Скачать книгу

sein sollen?

      Das sind große, verwirrende, aber auch mutige Fragen, und sie richtig zu beantworten, dauert ein Leben lang.

      Wenn Sie sich diesen Fragen allerdings nie stellen, dann werden Sie einen großen Teil Ihres Lebens damit verbringen, sich zu verstellen, Leistung zu bringen, perfekt zu wirken, zu versuchen, anderen zu gefallen und sich zu beweisen. Doch Ihr wahres Selbst werden Sie nicht finden.

      Gefärbt wie Beckham

      Das eigene „wahre Selbst“ kennenzulernen kann kompliziert sein.

      Vor Jahren versprach mir ein Friseur, dass er mir einen „Beckham-Look“ verpassen könne, und schon allein dieser Vorschlag – so unrealistisch es auch sein mochte, dass ich dem großen Fußballgott auch nur entfernt ähneln würde – schmeichelte mir genug, um den Friseursalon tatsächlich zu betreten.

      Es war das erste Mal seit zehn Jahren, dass ich mich frisurtechnisch in die Hände eines Profis begab, denn bis dahin hatte eine alte Haarschneidemaschine aus dem Nachlass des Friseur-Salons meines Vaters mir immer gute Dienste geleistet. Und eigentlich war ich bis jetzt auch immer gut allein zurechtgekommen, wenn ich mir in der Garage einen Igelschnitt verpasste.

      Aber ein Beckham-Look? Bei mir? Ich war bereit, es mich einiges kosten zu lassen.

      Als ich schließlich im Stuhl saß, hätte der qualvolle Prozess, mein pechschwarzes Haar platinblond zu bleichen, beinah dazu geführt, dass ich meine Entscheidung bereute. Offenbar habe ich nur eine sehr begrenzte Schmerztoleranz, denn ich fragte mich zwischendurch schon ein paar Mal, ob es wohl auch Salons gibt, in denen die Bleichprozedur mit Narkose angeboten wird.

      Als die Typveränderung vollendet war, sah ich dann allerdings kein bisschen aus wie David Beckham, und mein Haar war auch nicht wirklich blond, sondern eher orangefarben.

      Doch die Veränderung war wirklich radikal, und ich gewöhnte mich daran.

      Ein paar Jahre lang habe ich die neue Farbe so getragen, aber eines Tages bin ich dann wieder zu Schwarz zurückgekehrt. Eine der ersten Personen, die mich nach der Verwandlung sah, sagte ungefragt etwas, worüber ich laut lachen musste: „Ich finde, du solltest lieber wieder zum Blond zurückgehen. Bei dir sieht Schwarz nicht besonders … natürlich aus.“

      Manchmal frage ich mich, ob unser Image und unsere Identität so oft bearbeitet und verändert werden, so oft gebleicht und gefärbt, dass die ursprüngliche Farbe nicht mehr zu erkennen ist und nicht einmal wir selbst mehr wissen, wie sie einmal war.

      Zur Enttäuschung kommt noch Desillusionierung hinzu, die sich in Schichten auf unser Scheitern und Versagen legt, und am Ende ist unser wahres Selbst so tief vergraben, dass wir gar nicht mehr wissen, wer wir sind.

      Das dritte Wort für uns selbst nach dem „Ich bin …“ einzusetzen wird kompliziert, weil wir durch die Brüche in unserer Vergangenheit wandelnde Widersprüche geworden sind. Sind wir die Person, die wir uns immer erträumt haben oder die Person, die wir gerade spielen?

      Einerseits denken wir immer noch groß, denn wir wissen, dass Gott uns für größere und kühnere Dinge bestimmt hat, und ganz tief in unserem Inneren flackert diese Berufung auch immer noch hin und wieder ein ganz klein wenig auf.

      Es gibt Tage, da geht unsere Phantasie mit uns durch, wenn es um unsere Möglichkeiten für die Zukunft geht und um den Beitrag, den wir auf dieser Welt leisten können. Wir nehmen uns alles Mögliche vor, z. B. mehr schöne Erinnerungen mit den Kindern zu schaffen oder endlich den Garten zu Ende zu gestalten; mehr ehrenamtlich in der Gemeinde mitzuarbeiten, das Klo zu putzen, uns für einen bestimmten Kurs anzumelden, unsere Bauchmuskeln zu trainieren, ein Waisenkind zu unterstützen, ein Buch zu schreiben, eine Fußballmannschaft zu trainieren, die Welt zu verändern …

      Aber andererseits werden wir auch realistischer – und zynischer. Manchmal ist das schwer zu unterscheiden.

      Unsere Ziele zu erreichen ist schwieriger, als wir gedacht haben. Wir haben es versucht und sind gescheitert, haben es noch einmal versucht … und sind wieder gescheitert. Jetzt sind wir nicht einmal mehr sicher, ob wir überhaupt in der Lage sind, Kinder großzuziehen oder verantwortungsvoll mit unserer Kreditkarte umzugehen, geschweige denn, mit den Veränderungen dieser Welt fertig zu werden.

      Vielleicht war es ja nie so gedacht, dass unsere Träume in Erfüllung gehen, oder wir sind einfach nicht stark genug oder nicht mutig genug oder irgendein anderes nicht genug, um sie wahr werden zu lassen.

      Vielleicht sind wir ja wirklich unqualifiziert.

      Doppelter Zwiespalt

      Ich rede ständig mit Leuten, die mit der Diskrepanz zwischen ihren Schwächen und ihren Träumen, zwischen der Realität dessen, wer sie sind, und dem, was Gott sagt, wozu er sie geschaffen hat, zu kämpfen haben. Ihre persönlichen dritten Wörter nach dem „Ich bin …“ enthalten so gut wie immer einen Hinweis darauf, dass sie sich für nicht qualifiziert halten.

      Leute wie beispielsweise Jamar, der mir erzählt, dass er die Berufung in sich spürt, etwas im Leben junger Männer zu verändern. Jamar ist ohne Vater aufgewachsen und musste vieles auf die ganz harte Tour lernen. Er träumt davon, anderen jungen Männern die Lebensperspektive und Orientierung zu vermitteln, die er selbst nie bekommen hat. Wenn er nur nicht … so heftig mit seiner Sexsucht zu kämpfen hätte.

      Jamar ist Single, sieht gut aus, hat ein umwerfendes Lächeln und ist beruflich ausgesprochen erfolgreich. Er kommt an bei den Frauen, und das weiß er auch.

      Es gibt immer wieder lange Phasen, in denen er es schafft, nach Gottes Maßstab zu leben, aber dann erliegt er wieder der Versuchung und entgleist durch sexuelle Verfehlungen. Wie soll er denn anderen ein Vorbild sein, wenn er selbst so viel Hilfe braucht?

      Jamar ist frustriert, weil er immer wieder einmal einen Blick auf sein Ideal-Selbst erhascht, aber eine Störung vergiftet und hindert immer wieder seine Entwicklung. Und so kommt er zu dem Schluss: Ich bin … stecken geblieben.

      Oder da ist Heather. Heather ist eine großartige Mutter. Das findet jeder außer ihr selbst. Ihre Kinder entwickeln sich prächtig. Sie nehmen nach der Schule an allen möglichen künstlerischen und sportlichen Kursen und Aktivitäten teil, und keines von ihnen ist Crystal-Meth-süchtig. Das ist doch schon mal was. Mehrmals in der Woche kocht Heather abends für die ganze Familie, und normalerweise liest sie jedem der Kinder vor dem Schlafengehen ein Kapitel aus einem Buch vor.

      Aber irgendwie ist es nie genug. Wenn die Kinder im Bett sind, sieht Heather nur all das Durcheinander und die Unordnung, die sie nicht zu beseitigen geschafft hat, und alles, woran sie sich erinnert, ist, dass sie wieder mal die Geduld verloren hat und ausgeflippt ist, als sie den Kindern bei den Hausaufgaben geholfen hat. Wie soll sie denn ihren Erfolg als Mutter feiern und genießen bei so viel Chaos und Versäumnissen?

      Ihr Pinterest Board ist so vollgestopft mit guten Vorsätzen und Ideen, dass es für mehrere Leben reichen würde, und sie will nach vier verschiedenen Bibelleseplänen auf ihrer Bibel-App die Bibel in einem Jahr durchlesen. Aber wenn sie das in diesem Tempo weitermacht, dann hat sie es vielleicht in zehn Jahren geschafft. Sie ist Sklavin einer endlosen Prioritätenliste, und dabei flüstert ihr eine Stimme in ihrem Kopf ständig zu, dass sie alles viel zu oberflächlich macht, dass sie mittelmäßig ist, dass sie im Leben etwas verpasst. Und all das zusammen führt dann dazu, dass sie überzeugt ist: Ich bin … eine Versagerin.

      Oder da ist beispielsweise mein Bruder Max. Ich liebe Max. Aber ich habe sehr lange meinen Teil dazu beigetragen, ihn von Gott fortzutreiben.

      Max und ich sind in einer guten Südstaatenfamilie aufgewachsen. Das heißt, dass wir Hühnchen mit Klößen gegessen haben und mindestens einmal in der Woche in die Kirche gingen. Max ist drei Jahre jünger und zwanzig Zentimeter größer als ich, und eigentlich heißt er Matthew. Menschen Spitznamen zu verpassen ist eine schlechte Angewohnheit von mir, und ich habe angefangen, ihn Max zu nennen, als ich sechzehn wurde.

      Zufällig