Echnaton im Feuersturm. Mario Monteiro

Читать онлайн.
Название Echnaton im Feuersturm
Автор произведения Mario Monteiro
Жанр Исторические приключения
Серия
Издательство Исторические приключения
Год выпуска 0
isbn 9783957444875



Скачать книгу

Joe schob das inzwischen sicher unverkäufliche Teleskop weiter nach oben, so dass er den Nasenrücken betrachten konnte. Dann sah er die rechte Augenbraue, einige rotblonde Härchen, die kleine Narbe unter den Haarwurzeln an der Stirn. Erst dann, als er sie mitten im Blickfeld hatte, schien alles riesengroß zu sein. Mit allen Einzelheiten! Es konnte keinen Zweifel geben. Er hatte einen der Kerls erwischt, die ihm jeden Morgen die falschen Dollarbündel in die Tasche steckten. Doch die Wand, die er ganz unerwartet im Blickfeld hatte, sah ganz anders aus. Nicht so schmuddelig wie das alte Büro, in das sie ihn jeden Morgen hereinkommen ließen, bevor er zum täglichen »Dollarhandel« losziehen konnte. Sicher ging es dabei um eine Art Hinterzimmer, das er bis jetzt nie gesehen hatte.

      Also hatte er irgend einen anderen Raum erwischt. Immerhin. Joe holte seine Klamotten aus dem Rucksack und polsterte den harten Stuhl. Sein Ausblick gab ihm neue Kraft, da er hinter Geheimnisse kam, in die man ihn nie eingeweiht haben würde. Nun hatte er einen Weg gefunden, schnurgerade in jenes »Immobilienbüro« zu glotzen, das ihm bis jetzt seine brisante Zukunft garantierte. Zur Ablenkung kramte er in der Hosentasche. So sah es also aus. Zwölf Dollar und noch ein paar Cents. Gerade genug, um bei Fabricius ein halbwegs ordentliches Frühstück zu kriegen. Nachdem er ein besseres Gefühl im Magen hatte, zog es ihn wieder an seinen Ausguck zurück.

      Dieses Mal hockte eine dicke Schmeißfliege an der kahlen Wand. Joe fuhr instinktiv zurück Noch eine Idee nach unten, noch etwas weiter … und Stopp. Was war denn das? Olivgrün. Richtig, ein kleines Safe hatte er plötzlich erwischt. Er traute seinen Augen nicht. Ein richtiger Kassenschrank zwischen ein paar altmodischen Bücherregalen. Vorsichtig schob er seinen Spion nach rechts. Er musste die Eindrücke der riesigen Vergrößerung richtig zusammensetzen. Spinde erschienen im Bild. Einfache Kleiderspinde. In der Mitte des Raumes schien ein alter Tisch zu stehen mit einem Stuhl davor. Von seiner neuen Entdeckung überrascht, verspürte er wenig Lust, schon wieder ein Paket gefälschter Dollar abzuholen. Wer weiß? Richtig. Das waren wieder Fragmente eines Gesichtes, Finger dazwischen, ein Daumen …, ein Zeigefinger schien daneben zu sein, der Ring. Ein Siegelring an Bultons Hand. Der Daumen und der Zeigefinger berührten das Nummernschloss. Jetzt drehte sich die Scheibe langsam nach … rechts! Joe schnappte erregt nach der alten Zeitung, riss ein Stück ab. Den Kuli her! Zum Teufel, wo war das Ding? Jetzt aber! Drei mal eine volle Drehung nach rechts und wieder … Stopp. Anhalten bei 21 … dann nach links … 41 … zwei mal im Uhrzeigersinn nach rechts, anhalten … die Nummer 3. Das also war die Kombination des Safes. Jetzt hatte er, was er brauchte Nur der Schlüssel fehlte noch. Es musste noch einen Schlüssel geben! Joe schob das Teleskop Millimeter um Millimeter nach rechts, weiter nach oben. Nichts. Er lag daneben. Aber dann, plötzlich schien er mitten hinein zu sehen. Unglaublich geradezu. Das offene Safe und die ganzen aufgestapelten Dollarbündel. Wundervolle echte Dollar mussten das sein. Zehntausende vielleicht, oder noch mehr. Schlicht unschätzbar. Echte Dollars, die er von der Straße heraufschleppte. Na wartet! Die verdammte Tür des geöffneten Verstecks versperrte ihm die Sicht an alles Weitere! Entgeistert starrte Joe durch die Linse, dann zitterte er, das Bild war weg.

      Er kam nicht los von allem was er sah!. Jetzt wusste er genug. Dennoch, heute morgen durfte er seine Auftraggeber nicht mehr länger warten lassen.

      Er musste sich zeigen. Auf dem Weg ins Büro gab er den Gedanken auf, das unnütze Teleskop nach der Kometenpleite wieder zu verscheuern. Andererseits war er wegen des riskanten Jobs besorgt. Stand er nicht von einer Stunde auf die andere im Gefängnis?

      Unweigerlich müsste es eines Tages ein jähes Ende haben. Und es wäre mehr als töricht, ein zweites Mal dort aufzukreuzen, wo er schon einmal erfolgreich war. So verringerten sich die Möglichkeiten von Tag zu Tag. Schon deshalb holte Joe jeden Tag weniger Gefälschte ab und sass dafür um so länger an seinem Teleskop. Mit Schmerzen in seinem Rücken starrte er stundenlang hinüber auf die kahle Wand, beobachtete den Tisch auf dem sich Dollars stapelten und immer schien es gutes Geld zu sein.

      Zwei mal am Tag sah er Bultons klobige Finger, kannte sie jedes Mal an dem feinen goldenen Ring. Dieser Bulton war es sicher, der den Schlüssel hatte.

      So kam der 13. Mai, ein unerwarteter Freitag, an dem er diesen Kerl erwischte.

      Der Boss rückte den Tisch zur Seite, schlug den Wollteppich zurück und entfernte ein Brett aus dem Parkettboden. Joe hielt den Atem an, als er verfolgen konnte, wie der Schlüssel des kleinen Safes langsam in diesem Versteck unter dem Parkettboden verschwand.

      *

      ROGERS LIFT – SERVICE stand in roten Buchstaben auf dem blauen Overall. Joe hatte drei volle Tage mit den Vorbereitungen zugebracht. Mit dem alten Werkzeugkasten in der Hand, den er billig bei Trödler Jessing aufgetrieben hatte, drückte sich Joe an dem Pförtner vorbei. Dann ging es hinauf bis zur letzten Etage.

      Im Maschinenraum der Liftmotoren wartete er auf die Nacht. Erst gegen zwei nahm er den oberen Lift und fuhr in die 27. Etage hinab. Mit seinem Ohr am Safe konnte er hören, wie sich der interne Riegel im Inneren des Mechanismus verschob.

      Mit seidenen Handschuhen bewaffnet, hatte er schnell den Schlüssel aus dem Hohlraum unter dem Parkett geholt, steckte ihn ins Schloss und drehte nach links.

      Das Safe gab nach! Hunderttausende mussten es sein, die jetzt nur eine Hand breit vor seinen Augen lagen! Hunderttausende! Stapel auf Stapel miserabel gedruckter Dollarnoten!

      Joe stieß einen Schrei aus Wut und Entsetzen in die Nacht hinaus. Das Schicksal hatte ihn erwischt. Die lange Wartezeit, bis es so weit war, die geduldigen Zeiten am Teleskop, stundenlange Spekulationen, Illusionen, alles war vergeblich gewesen. In jähem Zorn riss er ein Bündel der wertlosen Dollar aus dem Safe, stampfte darauf herum, kickte sie von einer Ecke in die andere. Elend und müde, abgekämpft hockte er sich auf den Tisch. In den leichten Keds ließ er die Füße hin und her baumeln und dachte über sein Schicksal nach. Was blieb ihm noch? Er wartete auf den Morgen, um wenigstens falsche Dollars auf eigene Rechnung unter die Leute zu bringen. Aus lauter Langeweile brach er die Kleiderspinde auf. Die meisten Spinde waren leer, dreckig und verrostet. Im dritten Spind stand ein alter hölzerner Geigenkasten. Gelblich brauner Schimmel hatte sich in dicken Streifen über abgeschabten schwarzen Lack gezogen. Puh! Zum Teufel. Joe war überrascht bevor er anfing sich selbst zu verspotten.

      Als kleiner Junge, erinnerte er sich, hätte er so gerne gefiedelt. Aber Vater hatte kaum das bisschen Geld, um eine fünfköpfige Familie durchzubringen. Geigen lernen! Fantasien eines Wahnsinnigen, hatte Vater einmal geschrien. Keinen neue Kochlöffel hätte sie sich damals leisten können. Nichts war drin. Eine Fiedel? Vollkommen durchgedreht schien er damals zu sein. Also verlor man damals kein weiteres Wort.

      Und jetzt? In dieser Scheißnacht lag so ein verdammter Geigenkasten auf dem Tisch. Was sollte er damit? Feine gute Dollar wollte er haben!

      Nimm mich mit, schien es von den Wänden des Zimmerchens zu hallen.

      Okay, wenn es unbedingt eine Geige sein sollte!

      Kurz nach sieben streifte er den Overall ab und glitt in die Tiefgarage. Beim Anblick der Wagenreihen beseitigte er die letzten Zweifel, die seinen bisherigen Weg beschattet hatten. Er müsste weiterhin gefälschte Dollar unter das Publikum bringen. Er warf den Kunststoffsack in einen steinalten Ford. Hoffentlich sprang der Motor an. Nur nicht auffallen jetzt. Behutsam legte er den Geigenkasten auf den Rücksitz und rumpelte vorsichtig zur Auffahrt hinaus in sein bisheriges Leben.

      Minuten später stand er mit der zweifelhaften Beute in seine Klause.

      Todmüde verschlief er den ganzen Tag. Dann nahm er noch die nächste Nacht dazu.

      Das Geschrei der Zeitungsboys holte ihn endlich aus dem Bett.

      FBI HEBT FALSCHMÜNZERBANDE AUS. Mein Gott, das konnte nur Bulton und diese Kerls aus der 27. Etage sein! Glück im Unglück für ihn selbst. Von jetzt an konnte er es vergessen, mit der heißen Ware durch die Straßen zu laufen. Und wovon sollte er jetzt noch leben? Ein Teleskop hatte er, das in diesen Tagen keiner mehr haben wollte, einen alten Geigenkasten mit irgend einer Violine drin, die vielleicht nicht einmal mehr spielte und siebzehn gute Dollar. Siebzehn Dollar und 54 Cents!

      Was blieb ihm noch? Er nahm den elenden Kasten unter den Arm und klapperte die Trödler ab. Mein Gott! Was