Beutewelt VI. Friedensdämmerung. Alexander Merow

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Название Beutewelt VI. Friedensdämmerung
Автор произведения Alexander Merow
Жанр Короткие любовные романы
Серия
Издательство Короткие любовные романы
Год выпуска 0
isbn 9783957444011



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gab der Weltpräsident zu verstehen. So hatten es die Vorgänger der hier versammelten Großmeister in den alten Zeiten, noch bevor die Organisation die Weltherrschaft erlangt hatte, häufig gehandhabt. Sie waren nun einmal die Meister der Lüge und Verdrehung, denn diese Waffen waren oft viel gefährlicher und wirksamer als die größten Armeen.

      „Tschistokjow hat tatsächlich gesagt, dass er über Handelsbeziehungen mit uns nachdenkt“, höhnte der Weltpräsident und bösartiges Gelächter schallte ihm aus allen Richtungen entgegen.

      „Sicherlich versucht auch er nur zu bluffen, Bruder!“, gab einer der Anwesenden zu bedenken, doch der Vorsitzende des Rates entgegnete ihm, dass sich der russische Staatschef damit in ein Gebiet begeben würde, in dem ihn der sichere Untergang erwartete.

      „Ja, natürlich hat er mir beim ersten Treffen nicht sofort aus der Hand gefressen und mir zu vermitteln versucht, dass auch er noch Trümpfe in der Hand hat, aber das war beinahe kindisch. Ich habe diesen Mann, seine Blicke und Gesten studiert, während er mir gutgläubig und naiv von seinen Friedenshoffnungen erzählte. Tschistokjow glaubt tief im Inneren tatsächlich daran und das wird der Schlüssel sein, um ihn zu vernichten.“

      „Wenn das so ist …“, murmelte ein Ratsmitglied dazwischen.

      „Ich bin mir fast sicher, dass es so ist. Artur Tschistokjow ist im Grunde eine direkte und ehrliche Haut. Er konnte mir nicht viel vormachen und ich denke, dass der Rat der Weisen auf einem guten Weg ist, wenn er diesen Mann weiter umgarnt, so dass er gar nicht bemerkt, wie wir die Auslöschung seines Nationenbundes vorbereiten und unbeirrt weiter vorantreiben!“, erläuterte der Weltpräsident mit einem selbstgefälligen Lächeln.

      Derweil erhob sich der Vorsitzende des Rates und sah über die Köpfe der ihm untergeordneten Weisen hinweg. Dann räusperte er sich, gab seinem Stellvertreter per Handzeichen die Anweisung zu schweigen.

      „Vielen Dank, Bruder! Wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir bei Tschistokjow die Friedenstaktik anwenden. Ich glaube auch, wir kommen damit wesentlich weiter, als wenn wir ihm durch unser Verhalten das Feindbild liefern, das er erwartet. Ich befehle hiermit, die Friedensverhandlungen fortzusetzen.“

      Einige Minuten später war die Zusammenkunft beendet und die Ratsmitglieder verließen das Chicagoer Hotel in der festen Überzeugung, dass Artur Tschistokjow ihren Verdrehungskünsten und Schmeicheleien auf Dauer hoffnungslos unterlegen sein würde.

      Der Rest des Jahres 2042 verlief ruhig und ohne Zwischenfälle. Die Hetze gegen den Nationenbund der Rus hatte inzwischen stark nachgelassen und auch der Anführer der Rus wies die Medien in seinem Herrschaftsbereich an, hauptsächlich über innenpolitische Themen zu berichten. Und davon gab es mehr als genug, denn der russische Souverän nutzte die Entspannungsphase, um den Aufbau seines Landes unbeirrt voran zu treiben.

      Mittlerweile hatte sich die Industrie weiter erholt und die Arbeitslosigkeit war in noch größerem Maße zurückgegangen. Im verschneiten Januar des folgenden Jahres lud die Freiheitsbewegung ihre Anhänger zu einer großen Veranstaltung nach Kiew ein und Artur Tschistokjow unterstrich bei seiner bejubelten Rede einmal mehr den Erfolg seiner Innenpolitik.

      Einen Monat später trafen sich das Staatsoberhaupt des Nationenbundes der Rus und der Weltpräsident erneut. Diesmal kam der mächtigste Mann des Weltverbundes nach Minsk, wo er mit einer großen Parade begrüßt wurde. Artur Tschistokjow und er ließen nun die Öffentlichkeit direkt an ihrem Gespräch teilhaben und Hunderte von Fernsehkameras übertrugen das Spektakel live.

      Erneut bekräftigten beide Staatsmänner ihren Willen zum Frieden und kündigten sogar einen Nichtangriffspakt für die nahe Zukunft an. Wenig später reiste der Weltpräsident weiter nach Japan und traf sich dort mit Haruto Matsumoto, um auch das Verhältnis zu Japan zu entspannen. Zwar hatte der japanische Staatschef im Vorfeld große Bedenken geäußert, als der Weltverbund ihm Verhandlungen angeboten hatte, doch war es Artur Tschistokjow gelungen, seinen Verbündeten zu überzeugen, das Angebot nicht auszuschlagen.

      So wurde Tokio am 24. März 2043 ebenfalls zum Ort eines weltpolitisch höchst bedeutsamen Treffens zwischen den beiden verfeindeten Politikern. Sowohl das russische Volk als auch die überwiegende Masse der Japaner, begrüßten die Friedensverhandlungen in der Hoffnung, dass ihre Heimatländer in Zukunft von kriegerischen Auseinandersetzungen verschont würden.

      Wilden hatte es inzwischen aufgegeben, seinen Freund Artur Tschistokjow zu überzeugen, die Verhandlungen mit den Logenbrüdern einzustellen, denn dieser bestand felsenfest auf deren Fortführung.

      Als der Anführer der Freiheitsbewegung dem Weltverbund schließlich sogar zusicherte, dass der Nationenbund demnächst wieder die Einfuhr von Waren aus den Verwaltungssektoren Europa-Mitte und Amerika-Nord zulassen würde, gerieten der Außenminister und er ernsthaft aneinander. Ähnlich erging es Tschistokjow auch mit vielen anderen seiner alten Mitkämpfer, die ihm offenen Verrat an den Grundprinzipien der Revolution vorwarfen und ihn lauthals kritisierten.

      Die von der Weltregierung kontrollierten Länder importierten allerdings im Zuge des Handelsabkommens nun auch wieder in Russland erzeugte Waren und man konnte den Eindruck gewinnen, dass die Geldinteressen der beiden verfeindeten Blöcke die ideologischen Gegensätze in Windeseile überwunden hatten.

      Bereits Mitte des Jahres 2043 war ein Zustand erreicht worden, den man zumindest oberflächlich als friedliche Koexistenz der gegnerischen Mächte bezeichnen konnte. Trotzdem verhielten sich beide Seiten aber nach wie vor misstrauisch und ihre Freundlichkeit bei den diplomatischen Verhandlungen wirkte weiterhin aufgesetzt.

      Auch war es keineswegs so, dass die konkurrierenden Mächte den Aufbau ihrer militärischen Kräfte sonderlich einschränkten. Im Geheimen arbeiteten Tschistokjows Wissenschaftler unter Anleitung von Prof. Hammer an neuen Waffen und fortschrittlichen Rüstungen für Infanteristen, während der Weltverbund dazu überging, zusätzliche Verbände für seine Global Control Force auszuheben. Allerdings hatte auch Frank, der sich gegenüber Artur Tschistokjow inzwischen mit allzu scharfer Kritik zurückhielt, in den letzten Monaten den Eindruck gewonnen, dass dieser mehr denn je Gefahr lief, vom revolutionären Weg der Freiheitsbewegung ab zu kommen.

      Vor einigen Tagen war Frank vom Oberkommando der Volksarmee der Rus nach St. Petersburg gerufen worden, um einigen „Formalkram“, wie er es bezeichnete, zu erledigen. Die Warägergarde sollte in Zukunft deutlich vergrößert werden und das ohnehin schon harte Ausbildungssystem für neue Rekruten war noch einmal deutlich verschärft worden.

      Im Zuge dieser organisatorischen Umstellung hatte General Kohlhaas von der militärischen Leitung einige zusätzliche Aufgabenfelder übertragen bekommen, sollte es noch einmal zu einem Krieg kommen. Doch dafür sprach in dieser Zeit nichts. Somit war die ganze Sache für Frank lediglich eine formale Angelegenheit.

      Ansonsten hatten Julia und er ihre Ruhe vor solchen Dingen und ließen es sich gut gehen. Frank trainierte jetzt wieder täglich, widmete sich dem Sport. Er joggte mit seinem Freund Alf durch die weiten Wälder rund um Ivas und versuchte, sich durch eine Umstellung der Ernährung fit zu halten. Die regelmäßige körperliche Betätigung tat ihm gut, sie wirkte sich auch positiv auf seinen Geist aus.

      Depressive Verstimmungen oder schlechte Träume waren in letzter Zeit recht selten geworden und Frank wäre auch kein Grund eingefallen, warum dieser Seelenzustand, den er in den letzten Jahren zu genüge kennen gelernt hatte, noch einmal wiederkehren sollte. Julia hatte sich hingegen wieder in ihr Studium vertieft und pendelte zwischen Ivas und Minsk, wobei sie Frank und Friedrich fast immer begleiteten. Sie hatte bereits ihre Zwischenprüfung abgelegt und unterrichtete ansonsten nach wie vor in der kleinen Schule des ehemaligen Rebellendorfes, wenn es die Zeit zuließ.

      Besondere Freude hatten Frank und sie am kleinen Friedrich, der mit jedem verstreichenden Tag ein wenig mehr zu einem wissbegierigen und stets munteren Racker heranwuchs. Friedrich studierte seine Kinderbücher, die ihm Frank und Julia aus Minsk mitgebracht hatten, mit großem Eifer und konnte allmählich immer besser lesen.

      „Er ist ein sehr helles Köpfchen“, sagte Wilden voller Stolz, wenn Friedrich seine neuesten Geistesblitze zum Besten gab. Und er hatte Recht.

      Die Lernfähigkeit des kleinen