Название | Der gläserne Vogel |
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Автор произведения | Albrecht Gralle |
Жанр | Детская фантастика |
Серия | |
Издательство | Детская фантастика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783865067104 |
„Und?“, fragte Joker. „Was hast du gesehen?“
„Ich kann‘s nicht fassen …“
„Was ist denn nun in der Kugel drin?“, drängte Joker.
„Wieso in der Kugel?“
„Mensch, Phil, du warst eben völlig in der Kugel verschwunden!“
„Nee.“ Phil schüttelte den Kopf. „Ich war nicht in der Kugel, ich war eigentlich außerhalb von ihr.“
„Hä? Jetzt drehst du völlig durch“, sagte Joker.
„Keine Angst, Joker, ich dreh nicht durch. Also, es war so: Ich bin da also reingerutscht, es drehte sich alles um mich, und als ich wieder zur Besinnung kam, lag ich auf einem Stück Waldboden, aber … aber es war irgendwo anders.“
„Hm“, meinte Gina, „das klingt ja fast so, als ob diese Kugel so eine Art Rutsche ist, und man landet in einem anderen Waldstück.“
„Gar nicht schlecht, der Vergleich“, sagte Phil.
„Und was hast du dann gemacht?“, fragte Joker.
Phil räusperte sich. Sein Mund war trocken geworden nach diesem seltsamen Erlebnis.
„Na ja, als ich gemerkt habe, ich bin in einem anderen Wald gelandet, hab ich mich etwas umgesehen und bin dann mal einen Weg entlanggegangen. Es gab große Bäume, Vögel sangen. Kein Mensch war unterwegs. Irgendwann bin ich dann zu der Kugel zurückgekehrt und habe gedacht: Wenn ich durch die Kugel hierhergekommen bin, komme ich vielleicht wieder zurück, wenn ich mich hier auch hineinfallen lasse. Das habe ich gemacht und bin dann wieder bei euch gelandet. Und …“
„Halt, halt“, unterbrach ihn Joker. „Du warst also eine Zeit lang unterwegs? Wie lange?“
Phil zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, ich hab ja nicht auf die Uhr geschaut, aber so … eine Viertelstunde könnte es schon gewesen sein.“
„Nicht zu fassen!“, sagte Gina. „Für uns sah es so aus, als ob du nur ein paar Sekunden weg warst.“
„Echt?“
„Ja“, nickte Joker. „Echt.“
„Also, das bedeutet“, überlegte Phil laut, „dass die Kugel irgendwie die Zeit verändert. Man kann sich an diesem anderen Ort längere Zeit aufhalten, aber hier ist kaum Zeit vergangen.“
„Klasse!“, rief Gina. „Dann könnte man dort hingehen, in aller Ruhe seine Hausaufgaben machen, zurückkommen und hätte dann noch genügend freie Zeit …“
Einen Augenblick war es still. Jeder von den Dreien saß da und dachte nach. Die Erfahrung mit dieser seltsamen Kugel war einfach umwerfend. Mit so etwas rechnet man eben nicht. Das einzige Geräusch, das sie hörten, war das laute Singen der Waldvögel und das gelegentliche Rascheln irgendeines Kleintiers. Das, wovon viele träumen – die Zeit besser auszunutzen –, hier wurde dieser Traum erfüllt.
Gina räusperte sich schließlich und sagte: „Stellt euch vor, wir … lassen uns in diese Kugel fallen, landen in dem anderen, zeitlosen Wald und die … die Kugel verschwindet dann plötzlich. Dann gibt es keinen Weg zurück.“
„Wieso?“, fragte Phil. „Wenn die Kugel verschwindet, dann gehen wir einfach den Waldweg weiter, kommen aus dem Wald auf eine Straße, gehen zur nächsten Ortschaft und finden heraus, wo wir sind. Und dann: mit dem Bus wieder nach Hause. Ganz einfach.“
„Tja, wenn man es so sieht“, murmelte Joker. „Stimmt. Alle Wege führen irgendwann wieder nach Hause.“
„Ach, ich weiß nicht“, sagte Gina und kaute an ihrem Nagel. „Irgendwie ist das doch alles etwas unheimlich. Findet ihr nicht?“
„Klar ist das unheimlich“, nickte Phil, „aber – Mensch! Was für ein Abenteuer. Wir tricksen die Zeit aus!“
„Wenn jemand von uns nochmal in diese Kugel … also da reinfällt“, fing Joker an, dem im Augenblick alle witzigen Bemerkungen vergangen waren, „dann wäre es besser, wenn wir uns alle drei auf dieses andere Waldstück beamen lassen. Dann sind wir wenigstens zusammen.“
Die andern beiden schwiegen, und Phil sagte nach einer Weile: „Klar, es ist irgendwie riskant, aber ich würde auf jeden Fall nochmal da reingehen. Was ist mit euch? Kommt ihr mit?“
„Habt ihr euch überlegt, wie es unseren Eltern geht, wenn wir aus irgendeinem Grund nicht mehr zurückkommen?“, fragte Gina. „Stellt euch vor, wir landen in … in Australien irgendwo im Busch, und die Kugel ist weg.“
„Ach komm, Gina“, sagte Joker. „Wenn man alles bedenkt, kann man ja nie was unternehmen. Mensch, stell dir vor, du betrittst einen zeitlosen Wald! Das ist doch irre!“
Während der letzten Worte war Phil aufgestanden und hin- und hergegangen. Dann blieb er stehen. „Ich werde auf jeden Fall eintauchen.“
„Ich auch“, sagte Joker.
„He!“, sagte Gina. „Ihr könnt mich nicht so einfach zurücklassen! Also komm ich auch mit.“
Phil stand schon vor der Kugel, schloss die Augen und beugte sich nach vorne. Das singende Geräusch ertönte, dann war er verschwunden, Joker stellte sich davor, holte tief Luft, hielt seine Brille fest und folgte ihm.
Gina stand als letzte davor und trat von einem Fuß auf den anderen. Und je länger sie die Kugel betrachtete, desto mehr kam es ihr vor, als ob das glasartige Gebilde irgendwie lebendig sei und atmete, aber das war sicher Unsinn.
„Und wenn wir nie mehr zurückkommen?“, murmelte sie. Schließlich gab sie sich einen Ruck, schlug zur Vorsicht noch schnell ein Kreuz und tauchte ebenfalls in die Kugel ein.
Sie saßen alle drei leicht verdattert auf dem weichen Waldboden und sahen sich an.
Gina räusperte sich und meinte: „Also, da wären wir: Im zeitlosen Wald!“
„Nicht ganz“, sagte Joker. „Schaut mal nach oben in die Bäume.“
Alle folgten seinem ausgestreckten Arm und merkten jetzt, dass sie nicht mehr in einer Tannenschonung saßen, sondern auf einer kleinen Lichtung, die von Gestrüpp umgeben war. Über ihnen bewegten sich vollbelaubte Buchenäste leise im Wind, und für April war es viel zu heiß.
„In diesem Wald ist es nicht mehr Frühling, sondern Sommer“, stellte Phil fest.
„Vielleicht ein ewiger Sommer“, sagte Joker. „Nie mehr Eis und Kummer – im ewigen Summer.“
Phil stand auf und klopfte sich den Dreck aus der Hose. „Oder es gab eine Zeitverschiebung. Wir sind ein paar Monate in die Zukunft gebeamt worden …“
„Oder ein paar Monate zurück in die Vergangenheit …“, sagte Gina.
„Egal, wie auch immer“, meinte Joker und stand ebenfalls auf. „Wir können es nur herausfinden, wenn wir auf Entdeckungsreise gehen.“
Er gab Gina die Hand und zog sie hoch. Neugierig blickten sie sich um. In einer Ecke der Lichtung, gut versteckt hinter einem Haselnussstrauch, lag die Kugel und schimmerte hell.
„Wir brauchen irgendein Zeichen, an das wir uns halten können, wenn wir die Kugel wiederfinden wollen“, sagte Gina. „Ich hab‘s!“
Alle blickten zu ihr hinüber. Sie deutete auf einen Baum, der vermutlich durch einen Blitzeinschlag gespalten war und dessen helles Holz zerfasert nach oben stach.
„Und dort scheint auch ein Weg zu sein“, rief Gina.
„Vor