Leben - Wie geht das?. Matthias Beck

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Название Leben - Wie geht das?
Автор произведения Matthias Beck
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783990402306



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unterschiedlich sein. So möge der Leser der Sache gegenüber aufgeschlossen sein und nicht so sehr auf die Begriffe achten, sondern auf die Sache selbst, die sich hinter den Begriffen zeigt. Er kann manche Ausdrucksweise in seine eigene Sprache übersetzen und zuschauen, ob die beschriebenen Phänomene auch in seinem Erleben auffindbar sind. Dann wäre schon ein Stück Universalität gewonnen.

      Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text nur ein genus verwendet.

      Das Buch ist entstanden aus Vorlesungen, Vorträgen und vielen Einzelgesprächen. Es ist kein wissenschaftliches Buch und nicht für Professoren geschrieben. Es soll jeden erreichen, der in Zeiten der Orientierungslosigkeit Fragen an das Leben stellt. In zahlreichen Gesprächen tauchte immer wieder die Frage auf, wie Leben eigentlich geht, wie es gelingt, wie es glückt und was man dafür tun kann. Außerdem stand häufig das Problem im Mittelpunkt, wie man dem Menschen von heute im naturwissenschaftlich geprägten Zeitalter noch religiöse Inhalte vermitteln kann. In diesen Fragen zeigte sich eine gewisse Furcht vor der Übermacht naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und medizinischer Machbarkeiten und zum anderen die Sorge, dass da für die Frage nach Gott kein Platz mehr sei. Bei dieser Gottesfrage kamen wiederum eigenartige Vorstellungen von Religion, Christentum und Spiritualität zum Vorschein. Oft stand die Frage im Zentrum, ob das Christentum für die Alltagsbewältigung überhaupt noch etwas beitragen kann.

      Das Buch will die existentiellen Fragen des Lebens mit naturwissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnissen zusammenbringen. Es will Hinweise geben, wie in Zeiten der Krise gehandelt werden kann; wie der Mensch sich selbst finden kann, ohne sich selbst je neu erfinden zu müssen; wie Umbruchsphasen durchgestanden werden können und wie Krankheiten womöglich mit religiösen und spirituellen Fragen zusammenhängen. Das Buch ist so aufgebaut, dass es sich an den verschiedenen Lebensphasen des Menschen orientiert und zwischendurch Grundsatzreflexionen über die existentiellen Fragen des Lebens anstellt. Dabei werden manchmal vorab Antworten gegeben, die erst später begründet werden.

      Das Buch wendet sich im Teil A den Grundfragen des Lebens anhand der biographischen Entwicklung des Menschen bis zur Pubertät zu. Dann geht es im Teil B um einige Grundsatzreflexionen über die Struktur der Welt, den Menschen und die Existenz Gottes, um schließlich im Teil C wieder zum Menschen zurückzukehren, erneut bei der Pubertät anzusetzen und die zweite Lebenshälfte im Teil D mit einigen Detailfragen zu betrachten. Es wird über die Grundbestimmung des Menschen gesprochen, die darin besteht, dass jeder einzelne eine je einmalige Berufung hat.

      Das Buch ist also mehrfach interdisziplinär angelegt. Bei diesem interdisziplinären Zugang müssen einerseits die wissenschaftlichen Zugänge zum Menschen klar voneinander getrennt werden, und andererseits muss der Mensch in seiner Leib-Seele-Einheit als ganzer in den Blick kommen. Die verschiedenen Ebenen im Menschen sind unvermischt und ungetrennt zu betrachten.

      Teil A

       ~

      Die biographische

       Entwicklung

       des Menschen

      Wie geht Leben, woran soll der Mensch sich orientieren? Eine triviale Frage? Menschen aller Zeiten haben diese Frage gestellt. Wie geht das Leben, wie gelingt es, warum scheitert es? Geht das Leben überhaupt, geht es langsam oder schnell, geht es gerade oder schief, geht es an mir vorüber? Soll es „gut“ gehen? Kann es auch scheitern? Geht es nicht immer irgendwie? Soll man diese Fragen überhaupt stellen oder sie lieber verdrängen? Ist es nicht leichter, nicht hinzuschauen und nicht nachzufragen?

      Warum geht Leben eigentlich und steht nicht still? Kann man es nicht anhalten? Läuft die Zeit? Geht sie immer weiter? Bis zum Tod? Ist dann Schluss? Soll es immer so weiter gehen, womöglich über den Tod hinaus? Ist das Leben ständig im Werden, ein ständiger Wandlungsprozess? Was ist dieses Werden, wohin geht es? Ist es ein Weniger-Werden, ein Mehr-Werden? Was ist der Ursprung des Lebens, und was ist sein Ziel? Fragen über Fragen. Sollte man nicht einfach in den Tag hinein leben, ohne zu fragen, oder drängen sich die Grundfragen des Lebens so auf, dass man ihnen irgendwann nicht mehr ausweichen kann?

      Eine letzte Frage: Warum muss man eigentlich überhaupt leben, kann man nicht auch tot sein? Niemand hat je gefragt, ob wir leben wollen. Das Leben ist jedem zugemutet worden. Jeder einzelne ist in das Leben hineingeworfen worden, er ist der Geworfene (Heidegger). Über seine Existenz oder Nicht-Existenz wurde von anderen entschieden. Es kann die Liebe der Eltern gewesen sein, ein Zufall, ein „Unfall“, eine Herstellung im Reagenzglas, vielleicht sogar eine Herstellung, um später einem Geschwisterkind Knochenmark zu spenden. Vielleicht gehört es zum guten Ton, Kinder zu haben, womöglich Wunschkinder. Ohne Kinder könnte das Leben sinnlos sein. Eltern wollen sich in den Kindern fortzeugen, die Gene in die nächste Generation weitergeben. Die Sehnsucht nach Bleibendem ist groß. Das eigene Leben kann nicht alles gewesen sein, es muss doch weiter gehen. Hat das Leben einen Sinn und wenn ja, welchen? Kann man sich das Leben nehmen im doppelten Sinn? Kann man es an sich reißen, statt es sich schenken zu lassen, oder kann man sich das Leben nehmen, indem man es beendet? Wenn das Leben gelingt, kann der einzelne es als Geschenk erfahren, wenn es misslingt, erlebt er es womöglich als große „Last“.

      Das vorliegende Buch ist ganz einfach und für den „normalen Menschen“ geschrieben. Es ist der Versuch, Antworten zu finden auf diese Fragen, die jeden beschäftigen. Ein solcher Versuch ist nicht neu, es gab schon viele zuvor. Das Buch will das Einfache und Selbst-verständliche ans Licht holen, über das Innerste des Menschen nachdenken, über seine Biographie und schließlich über die Verschränkung von Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft.

      Das Selbst-verständliche ist oft das Große, das niemand bemerkt und das sich aus sich selbst heraus versteht. Aber was versteht sich aus sich selbst heraus? Versteht sich nicht alles vom anderen her: von der Familie, vom Geschlecht, von der Nationalität, von der Bildung, von naturwissenschaftlichen Zusammenhängen her? Gibt es in all dem Verständnis vomanderen-her auch ein Verstehen aus-sich-selbst-heraus? Gibt es etwas ursprünglich Aufspringendes im Menschen, Originäres, Neues, Einmaliges, noch nie Dagewesenes, Absolutes, Selbst-verständliches? Verweist das Selbstverständliche und Ursprüngliche im Menschen auf einen letzten Ursprung? Ist das Ursprüngliche jenes eigenartige „Phänomen“, das man kaum bemerkt, weil es so still ist? Ist das Selbstverständliche in allem zu finden? Ist es versteckt, muss man es erst ent-decken? Das Buch versucht, dieses Selbstverständliche ans Licht zu heben und die Frage zu beantworten, wie der Mensch dazu hinfindet.

      Eigenartig: Das Selbstverständliche soll ans Licht gehoben werden, als wäre es verborgen? Ist es verborgen und muss erst ent-borgen und entdeckt werden? Muss die Decke erst weggezogen werden? Das Wegziehen dieser Decke und der Prozess des Entdeckens ist ein Weg vom Verborgenen ins Entborgene und damit ein Weg zur Wahrheit. Der griechische Begriff für Wahrheit meint genau dies: A-letheia ist das Unverborgene. Die Wahrheit ist das Unverborgene. Die Wahrheit ist verborgen und muss ans Licht geholt werden, sie ist schon da und muss entdeckt werden.

      Das Finden und Entbergen dieser Wahrheit ist ein lebenslanger Prozess. Es ist ein dialogischer Prozess nach außen zur Welt, nach innen zu sich selbst und letztlich zur Wahrheit hinter allem. Die Wahrheit selbst ist dialogisch, sie ist lebendig, sie bewegt sich, sie zeigt sich und entzieht sich, sie drängt ans Licht und verbirgt sich. Wenn man sich ihr öffnet, öffnet sie sich, wenn man sich ihr gegenüber verschließt, verschließt sie sich. Augustinus hat es so ausgedrückt: Die Wahrheit bricht sich Bahn. Dem, der sich ihr öffnet, eröffnet sie sich, dem der sich ihr verschließt, verschließt sie sich.

      Wenn man die ans Licht drängende Wahrheit zurückhalten will, bricht sie sich auf anderen Wegen Bahn. Zurückhalten kann man sie auf Dauer nicht, dazu ist ihre Dynamik zu groß. Es liegt in ihrem „Wesen“, in die Unverborgenheit zu drängen. Sie ist der Horizont, an dem man sich orientiert bei allen Fragen, die da lauten: Wie ist das eigentlich, wie verhält es sich, wie sind diese und jene Zusammenhänge,