Название | Die medial-historische Entwicklung des Damen-Skispringens |
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Автор произведения | Luis Holuch |
Жанр | Спорт, фитнес |
Серия | |
Издательство | Спорт, фитнес |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961455140 |
Der Athlet steht beim Absprung gewissermaßen aus der Hocke auf, um in den Flug zu gelangen. Dabei ist es ratsam, den Oberkörper und den Ski möglichst flach und plan nach oben und vorne laufen zu lassen, um so geringstmöglichen Luftwiderstand zu bieten. Denn dieser kostet Geschwindigkeit und schlussendlich auch Weite.
„Alles ist perfekt, wenn es beim Absprung gelingt, eine möglichst große vertikale Absprunggeschwindigkeit mitzunehmen und den Körperschwerpunkt [KSP] und damit auch die folgende translatorische Flugbahn anzuheben, sowie einen möglichst großen, senkrecht zum Schanzentisch orientierten Kraftstoß zu erzielen.“6 Translation bezeichnet in der Physik indes eine „geradlinig fortschreitende Bewegung eines Körpers, bei der alle seine Punkte parallele Bahnen in gleicher Richtung durchlaufen“7.
„Dies erreichen die Springer durch eine explosive Streckung der Sprung-, Knie- und Hüftgelenke. Zugleich wird der Oberkörper nach vorne geschoben, um den KSP zu verlagern und das erforderliche Drehmoment vorwärts, bzw. auch den vorwärts gerichteten Drehimpuls erzeugen zu können (Schwameder 2008). Dies ermöglicht wiederum eine schnelle Einnahme der aerodynamisch günstigen Flughaltung der Flugphase. Generell kann man annehmen, dass ein höherer Drehimpuls eine schnellere Einnahme der optimalen Flughaltung begünstigt.8“
Hannawald bezieht sich in seinen Ausführungen auf die Studienarbeit „Biomechanik – Skispringen“ der Studentin Isabelle Glauner von der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg.
Glauner beschreibt in dieser Studienarbeit den Ablauf eines Skisprungs aus wissenschaftlicher (physikalischer) Sicht und erhielt dafür die Note 1,0 9.
Oder, wie Hannawald schreibt: „Sie erklärt wissenschaftlich, was wir Springer von den Trainern in jeder Trainingseinheit mit einfachen Worten auf den Weg bekommen und intuitiv längst wissen.10
Doch was ist die Folge, wenn der Athlet dieses optimale Timing nicht hat und deshalb zu früh oder zu spät – mehr Möglichkeiten gibt es ja nicht – abspringt? Auch diese Frage beantwortet Hannawald mit seinem Erfahrungsschatz aus zwölf Jahren Weltcup-Erfahrung11:
„Wenn du zu spät abspringst, ist das eine kleine Katastrophe, denn deine Kraft beim Absprung stößt ins Leere und der nach unten gerichtete Kraftstoß kann keine Gegenkraft erzeugen. Deine Flugkurve fällt flacher aus. Wenn du aber zu früh abspringst, ist das noch schlimmer. Der Ski bekommt im ersten Moment keine Anströmung. Du musst kurz warten, bis der Ski trägt. Dieser winzige Moment kann dich zig Meter kosten. Weltklasse oder Bruchlandung? Dies entscheidet sich am Schanzentisch. Wenn du deine Skier zu steil in den Wind stellst, raubt der größere Luftwiderstand zunehmend Weite. Wenn du die Skier zu flach in den Wind stellst, werden die „Tragflügel“, die der Körper und die Skier im Idealfall bilden, zerstört. Auch das kostet Meter.“12
Kurzum lautet „[d]ie Erfolgsformel für einen konkurrenzfähigen Skisprung […] also: hohe Absprunggeschwindigkeit plus optimaler Drehimpuls gleich große Weite.13“
Und wenn einer weiß, wie es geht, dann jemand wie Hannawald, schließlich ist die Liste seiner Erfolge lang. Da wären 18 Einzelsiegen im Weltcup14, der Team-Olympiasieg 2002 und eine Silbermedaille im Einzel im selben Jahr und Silber mit dem Team 1998 in Nagano15, zwei Weltmeistertitel mit dem Team, sowie einmal Silber und Bronze16 und der Sieg bei der Skiflug-Weltmeisterschaft 2000 im Norwegischen Vikersund und die folgenden Titelverteidigung im Tschechischen Harrachov zwei Jahre später17.
Abbildung 2f) und g): Die Slowenin Špela Rogelj bei der Absprungbewegung während des Sommer Grand-Prix‘ 2015 in Courchevel (Frankreich).
Im Standbild 2f) sieht man, wie exakt Rogelj den Absprung trifft. Die Fußspitzen sind exakt auf Schanzentischkantenhöhe, die Knie leicht versetzt dahinter. Sie hat demnach nur Zentimeter zu spät die Kante erwischt, aber dies ist naturwissenschaftlich in Bezug auf die Flugkurve kaum nachweisbar. Athleten merken oft nur bei deutlich zu späten oder zu frühen Absprüngen einen Unterschied im Gefühl. Mit ihrem Körper bietet Rogelj nur eine geringe Fläche und damit wenig Luftwiderstand. Die Arme schwingen weiter in Richtung Gesäß, welches sie sanft mit dem Rest des Oberkörpers nach vorne bewegt. Den Kopf bewegt sie langsam nach oben, um so Platz für den Oberkörper zu machen. Dieser richtet sich im Folgebild 2g) weiter auf und bewegt sich nach vorne, schräg hoch von der Schanzentischkante weg. Der Winkel in Lundbys Schenkel ist nun nahezu nicht mehr vorhanden. Ebenso wie die Beine sind nun auch die Arme nahezu gestreckt.
Zu erkennen ist auch, dass Rogelj bereits Absprungkraft hat anbringen können, denn die Ski und damit auch alles darüber befindet sich ein gutes Stück oberhalb des Schanzentischs.
In den Bildern auf dieser Seite ist schließlich das zu sehen, was Glauner und Hannawald als Drehimpuls bezeichnet haben: die Bewegungen gehen nun vermehrt nach vorne. Rogelj befördert den Oberkörper schräg nach vorne – er überholt ihre Beine. Der Kopf ist weiterhin leicht gebeugt, um weniger Luftwiderstand zu erzeugen. Dass Rogelj leicht zu spät abgesprungen ist, lässt sich an ihren Ski erkennen. Diese biegen sich nämlich leicht nach unten. Das spricht dafür, dass der letzte Kraftimpuls „ins Leere“ gegangen ist. Grundsätzlich ist ihr der Absprung jedoch sehr gelungen.
Das folgende Bild 2i) zeigt Rogelj etwa fünf bis zehn Meter nach dem Absprung. Der Kopf ist nun in der Verlängerung der Wirbelsäule, also gestreckt.
Der Oberkörper bewegt sich unterdessen weiter nach vorne und bildet nun bereits eine schöne Rundung im Bereich Hüfte bis Oberschenkel, unter der sich die Luft sammeln kann. Ähnlich wie bei einem großen Flugzeug (nähere Details zum Verhalten während des Fluges folgen). Das Gesäß bewegt sich ebenfalls weiter nach vorne, die Arme nähern sich der Hüfte nun an. Es ist bereits jetzt zu erkennen, dass die Füße und der unterste Teil der Unterschenkel die Körperteile sind, die sich während des Fluges am nächsten zu Schanzentischkante befinden. Zudem gehen die Beine auseinander, die V-Stellung ist bereits angedeutet.
Abbildung 2h) und i): Die Slowenin Špela Rogelj bei der Absprungbewegung während des Sommer Grand-Prix‘ 2015 in Courchevel (Frankreich) (© Ursprüngliches Videomaterial: Stane Baloh / Bearbeitung vom Autor).
Auf den Normal-, Groß- und Flugschanzen sollte der Athlet etwa zehn bis 15 Meter nach der Schanzentischkante idealerweise die optimale Flugposition erreicht haben und die Ski zu einem V geformt haben.
Auch hier versucht man, die Ski in einem möglichst geringen Anstellwinkel in der Luft zu transportieren, um dadurch aerodynamischer zu sein. Während des Fluges sollte der Abstand zwischen Ski und Körper so gering wie möglich, dabei aber trotzdem parallel, gehalten werden, damit Fliehkräfte eine möglichst geringe Angriffsfläche haben. Ratsam ist jedoch bei Aufwind (Wind von unten), dem Wind möglichst viel Fläche zu bieten, um so ein größeres Luftpolster zu erzeugen.
Bis 1992 war dieser so genannte V-Stil bei den Kampfrichtern absolut verpönt. Der prägende Mann für diesen neuen Stil, der Schwede Jan Boklöv, und seine Nacheiferer wurden für diese Art zu springen mit deftigen Punktabzügen bestraft18. Man sah darin die Ästhetik des Skispringens, das bis dato im Parallelstil ausgeübt wurde, gefährdet. Obwohl sich der V-Stil als effektiveres System erwies. Bis die Regelhüter schließlich ein Einsehen hatten und den V-Stil offiziell erlaubten. Das nutze Boklöv selbst schließlich nicht mehr allzu viel. Nachdem er 1988/1989 den Gesamtweltcup für sich entschied19, zogen seine Konkurrenten nach und schon in der Folgesaison war er nicht mehr in den Top 10 zu finden. Er beendete seiner Karriere nach der Saison 1992/1993, in der er lediglich vier Zähler im Gesamtweltcup sammeln konnte.
Doch warum war und ist der V-Stil dem Parallelstil (beide Ski werden parallel in die Luft gehalten) derart überlegen? Auch diese Frage kann mit physikalischen Erkenntnissen beantwortet werden. „Der