Schwarzer Kokon. Matthias Kluger

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Название Schwarzer Kokon
Автор произведения Matthias Kluger
Жанр Сказки
Серия
Издательство Сказки
Год выпуска 0
isbn 9783960085355



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bei den nächsten Wahlen keine bedeutende Rolle.«

      Fred legte eine kurze Pause ein: »Unsere weiße Wählerschicht wird es uns danken, wenn wir den Tod des Polizisten derart sühnen. Der Cop hat zwei Kinder im Alter von drei und fünf Jahren! Dennoch sollten wir klar den Aktivposten der Entscheidung aufs Bundesgericht legen. So sind wir weitestgehend aus dem Schussfeld.«

      Frank Brown überlegte, während der Assistent schweigend angespannt dem Gespräch lauschte. »Okay, ich werde mit Richter Rudolph sprechen. Speziell auch über die Beweisvideos. Sollte allerdings das zweite Video herangezogen werden, fechten wir ein Todesurteil an.«

      Frank Brown runzelte die Stirn. Das zweite Video, welches eindeutig den Polizisten mit der Schusswaffe am Kopf des Negers zeigte, war ein brandheißer Beweis und würde über Leben und Tod entscheidend sein.

      »Lass uns das weiter diskutieren, wenn ich das Gespräch mit Richter Rudolph geführt habe«, sagte Brown.

      Fredrik nickte, während er einen Blick auf seine Uhr warf. Es war bereits 14 : 30 Uhr und Michael müsste längst in seinem Büro sein. »Entschuldigt mich für einen Moment. Ich hab noch ein kurzes Gespräch, bin gleich wieder da.«

      Fredrik durchquerte das Clubzimmer und trat hinaus auf einen großen Balkon. Er zückte sein Handy und wählte Michaels Nummer.

      »Hallo, Fred!« Michael Thomson hatte Freds Mobilnummer erkannt. »Claire hat mir schon ausgerichtet, dass du angerufen hast. Du willst wohl eine Revanche für dein letztes 6 : 4? Da musst du schon Agassi mitbringen, um mich zu schlagen.« Michael lachte.

      »Mike, Marc ist wieder mal in Schwierigkeiten und dieses Mal auch ich. Er hat’s übertrieben. Schwere Körperverletzung.«

      »Wo ist er gerade?«

      »USCP, ein Chief namens Willson. Ein arrogantes Aas, wenn du mich fragst.«

      »Kenn ich«, sagte Michael. »Presse?«

      »Bisher nicht. Willson hat mir zugesichert, dass er stillhält, aber auch klargemacht, dass er Marc nicht einfach gehen lässt, nur weil er das Söhnchen vom Senator ist.«

      »Oder vielleicht gerade deswegen«, gab Michael zu bedenken. »Ich führe ein paar Telefonate und fahr anschließend ins Police Department. Wo bist du gerade?«

      »Mit Senator Brown im Club. Soll ich nachher bei dir vorbeikommen?«

      »Wart erst mal ab. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird. Mach dir vorerst keine Sorgen. Ich ruf dich an. Grüß mir Olivia.«

      Michael hängte ein und Fredrik kehrte zurück zu seinen Parteifreunden.

       Charleston, South Carolina, 1732

      Clexton musste Aba und Zola unbedingt finden. Eskortiert von seinen zwei Vorarbeitern, schlug er, nachdem sie die Hütte leer vorgefunden hatten, den Weg zu den Plantagenfeldern ein. Insgeheim hoffte er, dass die beiden nicht auf den Feldern waren, sondern auf der Flucht. Wie auch sollte Zola in ihrem Zustand aufs Feld? Möglicherweise waren sie auch getrennt und allein Zola versteckt? Es galt, den Vorarbeiter ausfindig zu machen, welcher der Mutter dieser Schlampe zugeteilt war. In der Hoffnung, irgendetwas zu entdecken, blickte Clexton laufend um sich. Augenblicklich machte er halt.

      »Sucht nach Zola und der Mutter. Wenn sie nicht auf den Feldern sind, findet mir denjenigen, der die Hütte der beiden beaufsichtigt, und kommt mit ihm sowie ein paar der Vorarbeiter sofort wieder her. Ich warte hier.«

      Eine gute Stunde später standen die beiden Neger, gefolgt von einem Dutzend Farbiger, jedoch ohne Zola oder deren Mutter vor Clexton.

      »Wo sind die Niggerschlampen?«, herrschte Clexton.

      Verängstigte Blicke fielen auf einen der jüngeren Vorarbeiter.

      Clexton trat einen Schritt auf ihn zu. »Wo?«

      »Nix wissen«, gab dieser von sich, während Schweißperlen ihm über die Stirn liefen.

      »Was nix wissen? Waren sie heute Morgen nicht in ihrer Hütte?«

      »Nix wissen« neben irgendwelchen unverständlichen Sätzen, die Clexton nicht verstand, waren das Einzige, was der Verängstigte von sich gab.

      »Was sagt er?«, fragte Clexton gereizt in die Runde.

      »Er sagt, niemand heute Morgen in Hütte. Hütte war leer.«

      Clexton missfiel die Übersetzung sichtlich. »Das kann nicht sein, das Schwein lügt. Ich werde ihn zum Sprechen bringen. Ihr beide, nehmt ihn mit zum Käfig. Ich selbst werde es aus ihm rausprügeln, bis er quiekt wie ein Schwein. Sagt ihm das!«

      Grob packten zwei Farbige den jungen Neger an den Oberarmen und zerrten ihn davon. Ihr Ziel: der ›Schlund‹.

      Ohne Zeit zu verlieren, organisierte Clexton einen Suchtrupp. »Ihr hier geht hinunter und gebt den Wachen Bescheid. Sie sollen das ganze Ufer absuchen sowie das Dickicht durchkämmen. Dort müssen sie irgendwo sein. Wenn ihr sie findet, sofort schießen. Ich will ihre Leichen am höchsten Ast baumeln sehen! Ihr beide geht mit mir zurück zu den Stallungen, um Fackeln zu holen. Die werden wir brauchen.« Beim Betrachten der verängstigten Neger wurde er sich wieder seiner eigenen Furcht vor ihnen bewusst. »Wenn ihr sie nicht findet, lass ich euch alle bis aufs Fleisch auspeitschen. Ihr Hurensöhne.«

      Wutentbrannt drehte er sich um und machte sich auf den Rückweg zu den Stallungen.

      Sam und Tumelo gelangten keuchend ans Herrenhaus.

      »Tumelo, geh ins Haus und mach deine Arbeit wie gewohnt. Wenn Mr. Baine dich fragt, sag ihm, du hast Zola nicht gefunden. Sag ihm, du hast mich gefragt und auch ich habe sie nicht gesehen. Mehr nicht, ist das klar?«

      Tumelo nickte.

      »Sobald es dunkel wird, treffen wir uns hinter den Stallungen. Bring etwas Verpflegung mit, so, dass man sie sich um den Bauch binden kann.«

      Tumelo verschwand im Haus und Sam ging zu den Stallungen. Sein Blick richtete sich nach Westen, als er dunkle Gewitterwolken aufziehen sah. Auch das noch!, dachte Sam. Es war um diese Jahreszeit völlig untypisch, solch dunkle Wolken am Himmel zu sehen, die sich nun wie schwarzes Bergmassiv türmten. Meist brannte die Sonne und Regen stellte die große Ausnahme dar.

      Sam widmete sich wieder seiner Arbeit, als er nach einer halben Stunde Mrs. Baine resoluten Schrittes kommen sah. »Sam, wo waren Sie?«, rief Veronika von Weitem.

      »Hallo, Mrs. Baine. Ich war auf der Weide, eines der Pferde lahmt.«

      »Haben Sie Zola gesehen? Tumelo hat mir bereits erzählt, Sie wüssten nichts, ich glaube Ihnen aber nicht!« Veronika sah Sam stur und ungläubig an. »Tumelo und Sie waren stundenlang weg, das kann doch kein Zufall sein!«

      »Mrs. Baine, ich bitte um Entschuldigung, doch ich verstehe wirklich nicht, was Sie meinen.«

      »Sam, Sie sind seit Jahren für uns tätig und ich weiß, dass Sie viele Ansichten und Entscheidungen meines Mannes nicht teilen. Genauso wenig, wie ich das tue«, fügte sie zu Sams Überraschung hinzu. »Mein Mann ist völlig außer sich, seit Zola verschwunden ist. Ich kann mir keinen Reim darauf machen, habe aber große Angst um Zola.«

      Sam überlegte, während er einen weiteren Heuballen zur Seite schob. Sie war die Frau seines Chefs. Würde er sich ihr anvertrauen, wäre auch sie in Gefahr, obendrein war er sich ihrer Loyalität in diesem Moment nicht sicher.

      »Wie gesagt, Mrs. Baine. Ich würde Ihnen sehr gerne behilflich sein, doch ich hab Zola nicht gesehen. Entschuldigen Sie mich, Mrs. Baine, es zieht ein Unwetter auf und ich habe zu tun, das Heu ins Trockene zu bringen.« Mit diesen Worten griff er unversehens nach einem Heuballen und ließ Veronika stehen.