Sjoerd Gaastra 1921-2013. Detlef Gaastra

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Название Sjoerd Gaastra 1921-2013
Автор произведения Detlef Gaastra
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783960083177



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Schwiegereltern auf dem Sennefriedhof aufgelassen, als seine Beine den Dienst versagten und er nicht mehr überwachen konnte, ob die Friedhofsgärtnerei ihre Arbeit ordentlich ausführte. In Übereinstimmung mit meiner Stiefmutter habe ich mich dieser Anweisung widersetzt, wie ich mich mit Vorliebe seinen Weisungen widersetzt habe, und wir betten seine sterblichen Reste hier, mitten in der Stadt zur Ruhe, wo er nicht namenlos ruht, aber im Rahmen des Friedhofkonzeptes immer ein gepflegtes Grab haben wird. Er war im Laufe von 60 Jahren nicht nur ein Bielefelder geworden, sondern ganz besonders ein Liebhaber der Innenstadt. Somit ist der Alte Friedhof der als Ruhestätte der ideale Platz für meinen Vater.

      Anstelle von Blumenspenden wurde zum Gedächtnis an den Verstorbenen um eine Zuwendung an GUIDON gebeten. Das ist eine Vereinigung christlicher reisender Kaufleute, die weltweit in Hotelzimmern Bibeln (vorwiegend Neue Testamente) auslegen lässt. Als Handlungsreisender, der einen großen Teil seines Berufslebens in Hotelzimmern verbracht hat, waren diese Bücher ihm häufige Lektüre. Einer seiner Lieblingswitze, mein Vater erzählte gerne Witze, die ich immer als „Vertreterwitze“ bezeichnete lautete:

       Ein Reisender greift abends im Hotelzimmer zu einem dort ausliegenden Neuen Testament und liest in der Einleitung: „Wenn Sie sich hier jetzt einsam fühlen, dann lesen Sie den Psalm Nr. … Der Reisende schlägt den Psalm auf und liest ihn, und findet am Ende den handschriftlichen Zusatz: „Wenn Du dich jetzt noch immer einsam fühlst wähle die Nummer … und verlange Mandy.“

      Die Gaastras sind ein altes friesisches Geschlecht, das seinen Stammbaum, leider sehr lückenhaft, bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen kann. Genaugenommen sind es aber vier Stammbäume, bei denen noch nicht entschlüsselt wurde wie sie zusammenhängen. Nachweislich gab es einen Teilnehmer mit diesem Namen bei dem letzten (fünften) Kreuzzug. Dieser „Stammvater“, auf den sich alle vier Familienzweige berufen, wird in mehreren Urkunden genannt, leider ohne Funktion, und seine Lebensdaten sind auch nicht überliefert. Aber einen (Kreuz)Ritter im Stammbaum zu haben macht sich immer dekorativ.

      Keiner der vier Stämme ist mit diesem Ritter in Verbindung zu bringen, da erst im 16./​17. Jahrhundert die lückenlosen Stammbäume nachgewiesen werden können. Ein Ritter in der friesischen Historie ist aber kein Adliger wie z. B. im deutschen Kulturraum. In Friesland hat es nie einen Adel gegeben, und auch keine Abhängigkeiten wie Leibeigenschaften oder Frondienste. Die Friesen führen das auf die von Karl dem Großen verliehene „Friesische Freiheit“ zurück. Diese angebliche Freiheit ist ein frommer Wunsch, denn sie wurde nie verbrieft oder in irgendeiner anderen Weise verliehen und nachgewiesen. Vermutlich war es die eigene Sprache der Friesen die diese Sonderstellung hervorgebracht hat. Friesisch ist kein niederländischer Dialekt, sondern eine eigenständige Sprache mit eigener Grammatik und verwand mit dem Schottisch, Irisch und Bretonisch. Gesprochen wurde die Sprache im Küstennahmen Bereich der Nordsee, von der Waalmündung bis Sylt. Dieser „Adel“ wird als untitulierter, wappenführender Adel bezeichnet. Die jetzigen friesischen Adligen (nur Barone) sind eine Einrichtung des auf dem Wiener Kongress 1815 geschaffenen „Königreich der Niederlande“. Eine einflussreiche, bzw. dekorative Rolle spielte dieser Landadel an den Höfen der Königinnen Wilhelmina und Juliana.

      Das Wappen zeigt einen geviertelten Schild mit Bügelhelmbekrönung, mit dem doppelköpfigen Habsburger Adler, achtfach geschachtem, rot/​weißem Feld. Die Helmzier wird von einen mit Bändern verziertem goldenen Ring gebildet. Die heraldische Lesung des Wappens ist ungeklärt. Aber nicht nur bei diesem Wappen, sondern gesamteuropäisch. Ungeklärt ist, ob dieses rot/​weiße Schachbrett Landbesitz, also mehrere Felder oder Gemarkungen, oder ein festes aus Steinen gebautes Haus bedeutet. Vermutlich beides, denn wer ein festes Steinhaus sein Eigen nennen konnte, besaß sicherlich auch Ländereien. Geklärt ist die Bedeutung des doppelköpfigen Adlers. Es ist der Hinweis einen kaiserlichen Beamten in den „Niederen Landen“, also dem jetzigen Belgien und Holland zur Zeit der Habsburger vor den 80-jährigem Krieg. Der merkwürdig anmutende Ring als Helmzier kommt bei mehreren Familienwappen vor und bezieht sich auf das „Ringstechen“, einen noch heute in Friesland ausgetragenen Pferdesport mit Reitpferden und Kutschen. Der vierte Familienstamm mit der Bezeichnung „Oranjewould“, zu dem unser Zweig gehört führt zusätzlich den Wahlspruch „’it is mei sizzen net te dwaen“ (mit herumsitzen ist nichts getan).

      Eindeutig sind der Name und dessen Herkunft. Friesische Namen enden häufig auf die Silbe „stra“. Übersetzt heißt das „von, von dem“ vergleichbar mit dem holländischem „van oder van der“. Die Gaastras kommen demnach vom Gaa mit dem doppelten „a“. Da ist eine Verwandtschaft mit dem niederdeutschen Geest (Sandrücken). Die Gaastras kommen demnach vom Sandrücken, von dem es in der niederländischen Provinz Friesland vier Gebiete gibt. Das könnte auch eine Erklärung für die vier unterschiedlichen Stammbäume sein. In der Stadtkirche von Workum ist ein aufwändiges barockes Grabmal des Bürgermeisters Gaastra zu finden. Workum ist das Verwaltungszentrum des „Gaasterlandes“ des südlichsten Sandrückens der Provinz Friesland. Dann würde auch der Doppeladler einen Sinn machen. Das sind Glieder, die sich zu einer Kette zusammenfügen.

      Erst in der sogenannten „Franzosenzeit“ wurde in Folge der Französischen Revolution die „Batavische Republik gegründet und eine bürgerliche Verwaltung eingeführt. Zu Gunsten von Napoleons Bruder wurde dann das Königreich Holland gebildet. Als der sich als noch unfähiger als „König Lustick von Westphalen“ erwies wurden die Niedrigen Lande ein französisches Departement. Erst seit dieser Zeit gibt es vollständige und verlässliche Unterlagen. Davor waren es Kirchenbücher und die Unterlagen und Aufzeichnungen der Zünfte, durch die Informationen bezogen werden können. Aus Unterlagen der Zunft der Silberschmiede erfahren wir etwas über Tabbe, Sjoerd, Hendrik und Douwe Gaastra, die von 1735 bis 1925 in dem Örtchen Gorredijk in sechs Generationen eine Silberschmiede führten, die jeweils vom Vater auf den Sohn über gingen. Der letzte Silberschmied verstarb hochbetagt unverheiratet und kinderlos im Jahre 1923 und hat bis wenige Monate vor seinem Tode noch gearbeitet und seine Erzeugnisse auf dem Markt von Heerenveen verkauft. Die komplette Werkstatt ist jetzt im Heimatmuseum von Gorredijk ausgestellt. Dieses Museum hat auch die größte Sammlung von Arbeiten dieser „Silberdynasty“ und hat eine umfangreiche Publikation veröffentlicht. Weitere Objekte befinden sich im Besitz des Rijksmuseums in Amsterdam und dem Friesischen Provinzmuseum in Leeuwarden. Bei den Silberarbeiten handelt es sich nicht um außergewöhnliche Kunst- und Sammlerstücke, sondern vorwiegend Knöpfe, Schnallen und Beschläge für Bibeln. Aber auch Bestecke, Tauflöffel, Kannen und Schalen wurden hergestellt. Soweit mir bekannt ist, besitzt kein Familienmitglied ein Stück aus der gaastraschen Produktion. Allen niederländischen Auktionshäusern habe ich Suchauftrage erteilt, aber in den vergangenen 30 Jahren ist nie ein Stück auf den Markt gekommen. Die Museumsstücke haben sich einige Jahre im Familienbesitz befunden und fielen im Zuge einer Scheidung an die geschiedene Ehefrau, eine geborene Landmeter. Der Bruder dieser Dame hat in den sechziger Jahren die umfangreiche Sammlung dem Museum gestiftet und sich damit verdient gemacht, indem er das Buch über die Goredijker Silberschiede verfasst hat.

      Da immer nur ein Sohn die Werkstatt übernehmen konnte (und das war nicht immer der Älteste, sondern der Geeignetste) mussten sich die anderen Söhne nach anderen Verdienstmöglichkeiten umsehen. Damit übernimmt dann unser Familienzweig die Führung. Das waren 2 Brüder, von denen der Jüngere 1875 in Sneek eine Segelmacherei gründete. Diese Firma besteht noch heute und fertigt neben Segel, besonders für Surfbretter, Sportkleidung, vorwiegend für den Wassersport, an. Meistens wird der Name Gaastra mit diesen Produkten in Verbindung gebracht. Ich trage diese Kleidung auch mit Vorliebe weil ich dann sagen kann wo Gaastra drauf steht ist auch Gaastra drin. Und das kann nicht jeder sagen. Über den älteren Sohn und nunmehrige Familienoberhaupt ist wenig bekannt, außer dass er eine geschäftstüchtige Frau heiratete. In dessen Fußstapfen ist dann mein Großvater getreten. Diese unsere „Stammmutter“ führte einen Laden für hochprozentige Getränke und ein Kaffeehaus (nicht zu verwechseln mit den Amsterdamer Coffeeshops). Noch heute dürfen Lebensmittelgeschäfte in den Niederlanden keine Alkoholika verkaufen, das ist streng getrennt. Ein entfernter Vetter (aus der Linie „Batavus“)