Satt statt stark. Petra M. Jansen

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Название Satt statt stark
Автор произведения Petra M. Jansen
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783960081012



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ganz eng wird im Kopf, streicheln wir Katzentatzen und erfinden Gruselmonster. Tatsächlich jenseits von Gut und Böse. Mittendrin in der Psychiatrie.

      Wenn sie das wüsste. Sie wusste nicht wohin, nicht woher und nicht warum. Stand sie schon einmal da? Hier an dieser Stelle? Oder schien es nur so, wie schon mal da gewesen und eine Wiederholungstat? Tat sie eigentlich überhaupt etwas dazu oder war es ihr verdammtes Schicksal, das sie auf der Stelle treten ließ?

      Wenn sie das wüsste. Sie wusste nicht woher und sie wusste nicht was nun. Sie stand schon einmal genau an dieser Stelle und war genauso ratlos wie vorher. Es ging einst vorwärts, dann ein wenig um die Ecke, dann auf der Überholspur weiter, dann folgte der Crash. Das Leben ist halt so.

      Wenn sie es nur wüsste. Warum war es so? Was war denn eigentlich geschehen? Was ist passiert, dass sie so gar nicht mehr wusste, was eigentlich passieren sollte? Damit sie nicht wieder stand, sondern ging. Doch wohin? Welcher Weg war der Richtige? Wenn sie es nur wüsste.

      Auf einmal standen sie drum herum. Sie waren einfach da. Und sie hatte niemanden gerufen, hatte nach niemandem verlangt. Da standen sie nun und schauten sie an. Ruhig. Wartend. Liebend.

      Es waren genau drei. Einer war er, der zweite war Er, der dritte war ER. Er war es einst, wollte es wieder sein. Er war ein Freund, wollte Geliebter sein. ER war die Liebe, war Vergangenheit und Gegenwart. ER und Er gebaren Liebe, er sah es kommen. Sie alle kamen in Liebe und sie wusste nicht wohin.

      Drei sind drei zu viel. So stand sie da und glotzte. Sie konnte nur einen Weg gehen, nur einen einzigen Weg, nicht rechts, nicht links, nur geradeaus. Er sah es aus dem linken Augenblick, Er sah es aus dem rechten Augenblick, ER wollte ihre Hand und ging zur Sonne.

      ER stand da, wo sie stand und nicht wusste, wohin. Sie schaute nicht nach hinten, nicht nach rechts, nicht nach links und ging geradeaus. Alleine. Der Weg ist vorgezeichnet.

      Ein Nein ist ein Nein. Und kein Ja. Was ist so schwer daran zu verstehen? Ist mein Nein kein nein? Ist mein Nein ein Vakuum, in dem nichts herrscht? Eine Blase, eine ungefüllte Blase? Keine Aussage, die ich ernsthaft spreche? Rede ich umsonst? Spreche ich und rede andersrum, meine ich es eigentlich ganz anders? Warum sage ich es dann nicht einfach?

      Aber das tue ich doch und ich sage nein. Nein, zu etwas, was ich nicht will. Etwas, was ich nicht mag, nicht kann, nicht darf, nicht habe. Ganz einfach nicht will.

      Das Nein ist eine Grenze, an der eine zu leistende Leistung scheitert. Oder eben dein Wunsch, dein Verlangen, deine Gier.

      Es stößt an eine Mauer, die nicht wahrgenommen werden will.

      Warum also ist nun ein klares Nein gar kein Nein und eher ein Ja oder zumindest – der für dich banale, aber für mich brachiale Versuch – es wenigstens zu einem Vielleicht werden zu lassen?

      Geht mein Nein nicht? Geht es nicht? Und warum geht es denn nicht? Kann ich nicht nein sagen, nur weil du ein Ja erwünschst?

      Ein Nein ist ein Ja – durchaus ist es ein Ja.

      Ja. Zu mir als Mensch. Und zu dir als Gefährte. Zu dem ich ein auch ein Nein senden muss, wenn wir Ja zum Leben sagen.

      Zuerst merkt man es gar nicht. So verdammt gut verkleidet ist dein fieses Wesen, verborgen hinter dem Lachen eines Engels. Zauberhaft, demütig, weltbewegend offen und herzlich ehrlich eroberst du die Herzen. Deine armen Opfer laufen dir ins Messer, dessen Klinge du schärfst, wenn sie schlafen. Sie schlafen und träumen von Liebe, dabei lauert der Hass. Nicht Hass auf sie, Hass auf dich selbst. Du kannst dich nicht ausstehen und kannst nicht raus aus deiner Schlangenhaut. Häutest dich und streifst deinen elenden, stinkenden Unrat einfach ab. Der bleibt liegen und verrottet, so wie deine Seele längst verrottet ist. Doch da ist sie wieder, die gleiche Last, der gleiche Dreck wächst wieder nach. Du kannst abstreifen, was du willst – es bleibt immer der kalte Körper.

      Deine Hände zart wie ein Stück Samt, streicheln die Lust und Liebe ins Gehirn. Die gleichen Hände, die später den Mittelfinger zeigen. Oder mit dem Finger zeigen. Oder vor der Nase fuchteln. Scheißegal, dir ist es scheißegal, wie du verletzt. Du merkst es nicht. Innerlich tot. Innerlich ausgelaugt und äußerlich eine Täuschung. Man hat dir den Freischein mitgegeben, mit dem du andere tötest. Das tust du gerne, du erhabenes Ding. Unter dem Mantel der Gnade, unter dem Mantel der Demut, dem Mantel der Liebe.

      Dein Schwanz ist ein Werkzeug aufzuspießen. Genussvoll reingerammt, versenkt in Liebestiefen – spritzt er sein Gift mittenrein, tropft erleichtert ab. Danach.

      Verdammte Lüge – in Gestalt eines guten Menschen – und begibst dich allzu gerne noch in die Märtyrerrolle. Nur feine Dinge tust du doch: helfen, heben, geben, lenken, lieben.

      Verpiss dich, du verlogenes Teil! Brechen kann man dich nicht, allzu schlängelnd schlängelst du dich durchs Leben. Kein Gewissen, keine Schuld, keine Sünde. Wozu denn auch? Opfer sind halt schwache Wesen, die es einfach nicht lernen. Sie machen alles falsch und sie sind nicht, wie du es willst. Deshalb werden sie ermordet. Du stichst zu! Genau dann, wenn sie von Liebe träumen.

      Du weißt nicht, was das ist. Sie kommen einfach. Und gehen nicht. Morgens müde, mittags müder, abends am müdesten. Nachts ohne Schlaf. Augenränder und Gesichtsblässe entstellen deine Fresse. Hunger hast du keinen und nimmst trotzdem täglich zu. Kalorien zählen ist für’ n Arsch. Ein kreatives Loch in deinem Hirn. Es saugt alles aus dir raus. Gibst dir die Sporen, Tag für Tag und kommst trotzdem nicht in die Gänge.

      Früher lächelten dir die Leute zu, jetzt schauen sie durch dich hindurch. „Verzeihung, junger Mann“, rempeln sie dich an. Du bist durchsichtiger als das Glas in deiner Hand. Der tiefe Blick, um dich zu ertränken hilft auch nicht weiter, Aspirin und Alka Seltzer sind deine nun traurigen Begleiter. Innerlich arm, machst du die Pillenindustrie reich: aufhellen, aufputschen, funktionieren. Top in Form, Tag für Tag, ewig lächelnd. Auf der Überholspur zeigst du allen die Arschlochkarte! Der Dämon lacht dir in die Fresse, die düstere Seite deiner Seele hat’s erwischt. Sie kommen auf leisen Sohlen. Kein Makel ist an dir. Wohl bekomm’s: Hetze, Scheinwelt, Schnelllebigkeit und Glamour. Sogar dich selbst verleugnest du!

      Der Dämon ist in Wahrheit dein Engel. Der dich schützt vor’ m Untergang.

      Altschrott in der Welt der Jugend, keine Ahnung, wohin damit. Schuldigkeit getan, eher Ballast der Gesellschaft, der mehr kostet, als uns nützt. Wohin damit bei der Alterspyramide, in der immer mehr davon den Rentenkassen die Hosen ausziehen? Ach was! Haben die denn genug da rein bezahlt? Sechzig plus und schlimmer. Die schlürfen ihren Kaffee im Kurort auf der Bank – kosten uns ein Vermögen! Verrückte Ideen: sie lernen noch Spanisch, Computerlehre und den Tangotanz. Eigensinn ist ihr siebter Sinn, da kann man nix machen. Der dritte Umzug ins betreute Wohnen – das Altersheim ist ja was für alte Leute. Bockig. Anstrengend. Stets überpünktlich und schnell beleidigt. Generation Altmüll halt.

      Wohin damit? Entmündigung per Familien-Nachwuchs, dem der Irrsinn über den Kopf gewachsen ist? Wir müssen was tun! Die Oma spinnt! Patientenverfügung ausgestellt, Nachlass geklärt. Jetzt bleibt nur noch das Warten auf den Tod. Restmüll wird getrennt entsorgt. Natur in der Natur unter’ m Baum, der Rest streuselt in die Urne. Särge sind zu teuer, alles ist vergänglich. Mit der übrig gebliebenen Kohle richtest du dich neu ein.

      Ihr Mistkerle! DAS ist unser Leben! Es war unser Leben, das s i e ins Leben gebracht haben. Teilst du nur einen Punkt von dem da oben, gehörst DU entmündigt. Müll wird fein säuberlich getrennt, aber DU landest nicht im Recycling. Bist Giftmüll der Nation.

      Und wirst hoffentlich niemals alt.