Persephone. Matthias Falke

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Название Persephone
Автор произведения Matthias Falke
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783957771001



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auch nicht groß dafür interessiert.

      »Du hast noch nicht vom Neubau gehört, einem sechs-Kilometer Forschungskreuzer?«

      Laertes schüttelte überrascht und beeindruckt den Kopf. »Ist mir entgangen. Wirklich?«

      »Ja. Und weil es wieder das größte Schiff der Menschheit ist, erbt es den Namen MARQUIS DE LAPLACE.«

      »Aha! Und unsere MDL?«

      »Haben die Scherzkekse der Union in ›THE OLD MARQUIS‹ umgetauft. Ernsthaft.«

      Alle drei mussten sie grinsen.

      »Aber weiter im Text. Das neue Schiff war leider auch noch nicht ganz fertig. Dennoch bestand er darauf, das Kommando über das neue Schiff zu bekommen.«

      Laertes dachte einen Augenblick nach, er musste sich daran erinnern, womit sein Freund vor seiner Unterbrechung begonnen hatte, dann erhellte sich seine Miene. »Nein, oder?«

      »Unserem gemeinsamen Freund ging das zu lange«, sagte Ash. »Er hat sich einfrieren lassen.«

      »Damit er nicht zu alt wird?« Laertes gluckste. »Dieser eitle Fatzke!«

      »Er meinte, wenn er Bauingenieur hätte werden wollen, dann hätte er das gemacht. Er sei aber Kommandant.« Ash hob sein Glas. »Er ging in Hibernation und hinterließ nichts als die Anweisung, ihn wieder zu wecken, wenn sein Schiff einsatzbereit sei!«

      Laertes schüttelte den Kopf.

      »Irgendwie würde ich diesen Alexander Wiszewsky gerne kennen lernen«, sagte Beth.

      »Oh, er sieht sehr gut aus«, lachte Ash.

      »Das weiß ich«, sagte Beth. »Es gab Zeiten, da konnte man keine Sendung anschalten, ohne sein selbstverliebtes Grinsen zu sehen.«

      »Ja, er ist ein bisschen von sich eingenommen.« Laertes fiel in das Lachen ein. »Wie lange hat er geschlafen?«

      »Drei oder vier Jahre.« Ash schrieb eine gleichgültige Geste in die Luft. »Irgendwann musste er ja wieder raus und die Mission vorbereiten, seine Mission. »Aber jetzt ist er an Bord?«, fragte Beth.

      »Ja.« Ash wirkte immer noch außerordentlich amüsiert. »Er ist jetzt dort!«

      Kapitel 2. Kontakt

      Die MARQUIS DE LAPLACE war in eine hohe Umlaufbahn um den Asteroiden mit der zwanzigstelligen Kennnummer eingeschwenkt. Es war kein Orbit, wie ein Mond oder Planet ihn ermöglicht hätte. Dazu war die Masse des Körpers zu gering. Streng genommen waren es synchronisierte Bahnen, die in leichter Resonanz zueinander standen. Immerhin war die Tonnage der MARQUIS DE LAPLACE, die abermals als größtes Schiff der Menschheit gelten durfte, ebenfalls nicht zu verachten. Die beiden Massen – der Asteroid und die MARQUIS DE LAPLACE – umkreisten einander, sie drehten sich um ihr gemeinsames Gravitationszentrum und schrieben dabei eine helixförmige Struktur, eine langgezogene, zweigleisige Schleife in die Raumzeit.

      Der Kommandant hatte Wert darauf gelegt, einen gehörigen Sicherheitsabstand zu dem Fundort einzuhalten. Andererseits hatte er keinen Gedanken daran verschwendet, das Artefakt (die Gruppe von Artefakten) an Bord zu nehmen. Einige seiner Wissenschaftler hatten ihm das allen Ernstes vorgeschlagen und ihm versichert, von den Fundstücken gehe keinerlei Gefahr aus. Als ob man das wissen könne! Es war ein Präzedenzfall. Derartiges war in der Geschichte der Raumfahrt bisher nicht vorgekommen. In der Geschichte der Menschheit! Aber da war eben die Frage: Hatte man es mit einer Spezies zu tun? Oder nicht doch mit etwas noch ganz anderem?

      Die Begeisterung über den Kontakt als solchen hatte das Ersterkundungsteam seinerzeit gepackt wie eine Designerdroge. Die Leute waren kaum noch in der Lage, rational zu agieren und sich vernünftig und nachvollziehbar zu artikulieren. Als dann noch herauskam, auf was man da im einzelnen gestoßen war, kannte die Zutraulichkeit der gestandenen Wissenschaftler keine Grenzen mehr. Es war eine Art hysterischer Erleichterung. Ein vorauseilender Rausch. Die Wesen war nicht biologisch, das machte die Umständlichkeiten der Quarantäne unnötig. (Machte es das?) Sie waren ihrem äußerlichen Bauplan nach humanoid, was die Fremdheitsschwelle drastisch senkte und sie zu dankbaren Objekten der Untersuchung machte. (War das so?) Sie kooperierten und erlaubten Einblicke in ihre Funktionsweise und Sprache – Sie hatten eine Sprache! –, was ein Goldenes Zeitalter interstellarer Zusammenarbeit und profitablen Technologietransfer in Aussicht stellte. (Tat es das?)

      Alexander Wiszewsky stand am großen Panoramafenster der Backbordseite seiner Brücke und sah in den Raum hinaus, wo der namenlose Asteroid, dessen Kennziffer Generationen von Schülern würden auswendig lernen müssen, gerade noch als silbergrauer Lichtfleck auszumachen war. Ein stumpfer Brillant, ein körniger Brocken Sein in den Ozeanen des Nichts. Auf der Kommandoebene der MARQUIS DE LAPLACE herrschte konzentrierte Stille. Die Mission stand prinzipiell unter der Leitung der Planetarischen Abteilung. Aber natürlich liefen sämtliche Daten erst einmal hier auf. Direktor Dirk Schleuner, der amtierende Chef der Planetarischen, und Vizeadmiralin Doina Gobaidin studierten schweigend ihre holografischen Konsolen. Schleuner, hochgewachsen, mit graumeliertem Haar, hatte die Angewohnheit, ungefähr zweimal pro Minute in die Luft zu sehen und laut und vernehmlich zu seufzen. Wenn man ihn nicht kannte, konnte man meinen, er trage einen unerhörten seelischen Ballast mit sich herum. Aber es war einfach nur seine Art, sich angestrengt mit geistigen Problemen zu befassen.

      Die Gobaidin strahlte die finstere Unnahbarkeit aus, die ihr Markenzeichen geworden war, seit sie erfahren hatte, dass nicht sie Kommandant Wheeler nachfolgen würde, sondern der deutlich jüngere und weniger erfahrene Wiszewsky. An Wheelers Seite hatte sie den Jungfernflug geleitet. Es gab Stimmen, die behaupteten, die eigentliche Verantwortung habe bei ihr gelegen, zumindest habe sie die meiste Arbeit gehabt. Als Wheeler, hochdekoriert und zweifelsohne als verdienter Held der Union in den Ruhestand gegangen war, rechnete alle Welt damit, dass sie ihn beerben werde, sie selbst natürlich auch. Aber es kam anders. Ohne diesen Schritt einer eigenen Begründung für würdig zu halten, verkündete die oberste Unionsführung – eine Clique unverheirateter Männer – bei der Vorstellung der nächsten Exkursion, dass diese unter dem Kommando eines gewissen Alexander Wiszewsky stehen werde, ebenfalls ein Veteran des Jungfernfluges und erfahrener Befehlshaber der Enthymesis-Flotte. Von nun an herrschte Eiszeit zwischen den beiden. Die Gobaidin war zu stolz, sich ein anderes Kommando geben zu lassen. Man hatte sie sogar mit Kusshand für eine Frühpensionsregelung vorgeschlagen. Aber auch das wies sie mit Empörung ab. Lieber blieb sie auf dem, was sie nonchalant als ihr Schiff bezeichnete, um dem grünen Jüngling, der Wiszewsky in ihren Augen war, noch das eine oder andere Jahr lang das Leben zur Hölle zu machen. Rein optisch schnitt sie schlecht neben dem hochgewachsenen, blonden, blauäugigen Mann ab, der sogar während der Endphase der Fertigung dreieinhalb Jahre in die Hibernation gegangen war, um seinen Teint nicht zu sehr erschlaffen zu lassen. Die Gobaidin, deren Vorfahren vom Balkan stammten, war klein, von korpulenter Statur, ihre Haut war olivfarben, was die Gerüchte nährte, sie habe ein paar Schnipsel Zigeuner-DNS in ihrer Erbreihe – und nicht eben nur ein paar Schnipsel –, und ihr kurzes, haubenförmig drapiertes pechschwarzes Haar wirkte immer irgendwie ein bisschen fettig.

      Wiszewskys Berufung, genauer gesagt: die Übergehung Doina Gobaidins, hatte einen Proteststurm bei Frauenrechtlern und Minderheitenverbänden entfacht, dabei würde sie nie öffentlich zugeben, dass sie eine Roma war. Die Führung der Union hatte alle Vorwürfe kategorisch von sich gewiesen. Der Oberbefehl über ein Schiff wie die MARQUIS DE LAPLACE werde nicht nach äußerlichen Kriterien wie dem Geschlecht oder der ethnischen Zugehörigkeit vergeben, sondern einzig und allein nach dem der besten Tauglichkeit, und die vereine nun einmal Alexander Wiszewsky auf sich.

      Auch in der Crew der MARQUIS DE LAPLACE, von denen die meisten ebenfalls auf das neue Flaggschiff gewechselt hatten, war die Personalie auf Unmut gestoßen. Die Vizeadmiralin war beliebt. Sie galt als unerhört fleißig und zudem als schon beinahe übermenschlich fair und gewissenhaft. Sie arbeitete angeblich vierundzwanzig Stunden am Tag und die halbe Nacht. Aber sie hatte immer ein offenes Ohr für die Belange ihrer Besatzungsmitglieder, die sich auch nicht scheuten, sie in privaten oder genierlichen Fragen zu behelligen. Während des Jungfernfluges hatte sie die ganze Drecksarbeit gemacht und insgesamt mehrere Jahre weniger in der Hibernation