Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz. Christiane Benedikte Naubert

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Название Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz
Автор произведения Christiane Benedikte Naubert
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783957448064



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waren unsere Leute beschäftigt, dem tödlich Verwundeten, der sich kaum mehr aufrecht erhalten konnte, beyzustehen, und mich machte das Entsetzen, anstatt mich in die Vernichtung wie meine Freundinn zu stürzen, stark genug, hinaus zu eilen, um Anstalt zur Rettung zu treffen. Ueberall war ich selbst gegenwärtig, und ehe eine Stunde verging, stand alles, was dieses Schloß von Mannschaft in sich hatte, in Waffen, und ich selbst in einer leichten Rüstung meines Oheims eilte zu der kranken Gräfinn von Rappersweil, die ich unter den Händen ihrer Frauen verlassen hatte, um mich mit ihr zu letzen12, und sie mit der Hoffnung glücklicher Wiederkunft zu trösten.

      Auch du, auch du eilst von mir? schrie Hedwig – Gott, was wird aus mir werden! Nimm mich mit dir, oder töde mich! Unglücksahndnng beklemmt mein Herz! nicht genug an alle dem Schrecklichen, was wir bereits erfahren haben, mich dünkt auch, wir werden uns nicht wiedersehen.

      Ich drückte meine schwache Freundinn an mein Herz, empfahl sie ihren Leuten und flog dahin, wo mich weit weniger Muth und Entschlossenheit, als Verzweiflung und dringende Noth riefen. Wir jagten mit verhängtem Zügel die Ebene hindurch und stiessen in den ersten Krümmungen des Gebürgs auf die Stelle, wo Tapferkeit hinterlistiger Bosheit unterlag. Ein schrecklicher Anblick! Eine im Blute schwimmende Wahlstatt13! Tausend Gegenstände, bey welchen das Mitleiden gern verweilt hatte, um noch vielleicht einige zu retten, aber wichtigere Betrachtungen hiessen uns die Ohren vor dem Gewimmer der leidenden Menschheit verschliessen, und den Weg ungesäumt fortsetzen. Doch schickte ich einige von meinen Leuten zurück, um das zu verrichten, was ich lieber selbst gethan hatte, und gebot dem einen von ihnen, wenn irgend aus dem Munde eines noch lebenden Nachrichten von Wichtigkeit zu erforschen wären, mir sie eilig nachzubringen.

      Durch dieses Mittel erfuhr ich den Weg, den die dreymal grössere Mannschaft des Abts von Sankt Gallen mit den gefangenen Helden genommen hatte, und langte noch vor Abends bey der Veste an, welche man mir als den Kerker meiner Freunde bezeichnet hatte.

      Wir rüsteten uns zum Sturm. Ich hatte erfahrne Krieger unter meinen Leuten, welche meiner Unwissenheit in Dingen dieser Art zu Hülfe kamen, und die dagegen durch meinen Muth, den Muth eines Weibes, doppelte Stärke erhielten. Nicht lange, so sahen wir von der Burg die weisse Fahne wehen, und mit gehöriger Vorsicht für die Sicherheit seiner theuren Person, kam auf der Zinne der Räuber meiner Lieben, der Unterdrücker der Unschuldigen, der abscheuliche Abt von Sankt Gallen zum Vorschein.

      Ich hatte meinen Helm abgesetzt, um mein glühendes Gesicht zu kühlen, und meine Locken, noch mit jungfräulichem Blumenschmuck geziert, den ich in der Eile abzulegen vergessen hatte, flatterten im Winde. Willkommen schönes Fräulein, rief der hämisch lächelnde Mönch, der mich kannte, zu mir herab. Die Freunde, welche ihr sucht, sind nicht mehr in diesen Mauren, darum höret auf, wider die Unschuldigen zu wüthen. Legt die schwere Rüstung ab, welche eurem Geschlecht so wenig ziemt, und kommt herein, ein friedliches Abendmahl mit mir zu theilen.

      Schon rüstete ich mich zu einer Antwort, wie sie der frechen Anrede gebührte, aber die Worte erstarben auf meinen Lippen. In meinen Ohren tönte aus hundert Kehlen das Wort: Verrätherey! ich sah zurück, und sah rund umher Feindes Schwerdter blinken, sah meine Leute zurückweichen und fallen, sah den Weg zu mir eröffnet, und das Kriegsvolk des heimtückischen Abts, das hinter uns in großem Haufen aus einem alten Gemäuer hervor stürzte, von weiten zu mir einstürmen. Mir vergingen die Sinne, und ich weis nicht, was aus mir geworden wäre, wenn nicht meine getreue Dirne, Mechtild, die mir unerschrocken in den Streit gefolgt war, mich aufrecht erhalten hätte. Mein unbehelmtes Haupt und das bleiche jungfräuliche Gesicht machte mich kenntlich, sie deckte es mit der Sturmhaube eines feindlichen Kriegsknechts, der nicht weit von uns gefallen war, hüllte mich in seinen Wappenmantel und zog mich aus dem Gedränge auf eine Seite, von welcher sich jetzt der Streit hinweg wandte.

      Die Nacht begünstigte unsere Flucht. Mechtild bewieß mir, indem wir unsern Pferden zueilten, daß meine Gegenwart hier, da es meinen Leuten nicht an Anführern fehlte, unnöthig, und meine Gefangenschaft bey dem kleinsten Zögern gewiß sey, auch war ich durch die letzte schreckliche Ueberraschung, und die heftige Anstrengung würklich zu sehr geschwächt, um etwas anders, als das beste Rettungsmittel des Weibes, die Flucht, übrig zu haben.

      Mehr tod als lebendig brachte mich meine Retterinn durch die öde nächtliche Gegend nach dem Schlosse zurücke, das ich, unbekannt mit meinen Kräften und der Stärke und Hinterlist meiner Feinde mit so großen Hoffnungen verlassen hatte. Von der Wahlstatt, bey welcher wir vorüber mußten, tönte es uns wie Röcheln der Sterbenden nach, und die Haare streubten sich auf unsern Häuptern empor. Die weibliche Schwäche behauptete von neuem ihre Rechte, und diejenigen, welche sich vor kurzer Zeit mitten unter die Schwerdter der Feinde gewagt hatten, zitterten jetzt vor einem Schatten, vor einem Hauch, den ihnen die erhitzte Phanthasie vorstellte.

      Wir fanden die Burgthore verschlossen, und die Zugbrücke aufgezogen, kein Zeichen, das wir geben konnten, vermochte uns Eingang zu verschaffen. Alles schien im Schloß wie ausgestorben zu seyn. Kein Schimmer von Licht ließ sich in den hochgewölbten Fenstern erblicken, und wir waren genöthigt, in einem kleinen verlassenen Gebäude diesseit des Grabens, zu übernachten.

      Ueberzeugt, daß nur die Furcht vor feindlichen Ueberfall unsere Zurückgelassenen zu dieser hartnackigen Vorsichtigkeit hatte bewegen können, sahen wir dem Morgen ängstlich harrend entgegen. Wer wußte, ob der Feind hinter uns nicht den Sieg davon getragen hatte? wer wußte, ob er nicht, denselben vollkommen zu machen, die Flüchtigen hieher verfolgen, und sich zum Meister dieses Schlosses machen würde? – Ich hatte die Gräfinn von Rappersweil in schlechtem Schutz gelassen. Die Begierde meinen Oheim und meinen Geliebten zu retten, hatte gemacht, daß außer unsern Frauen niemand im Schloß zurück geblieben war, als der alte Hausverwalter, der Thurmwächter und wenige Bedienten.

      Der erste war es, der uns bey Anbruch des Tages den Zugang zum Ort der Sicherheit eröffnete, wir hielten unsern traurigen Einzug, und wurden von dem schwachen Greise mit allen Merkmalen des Entsetzens empfangen. Unsre einsame Zurückkunft, und sein entstelltes Ansehen war der Gegenstand unserer ersten gegenseitigen Fragen, die von beyden Theilen unbeantwortet blieben. Ich eilte über den Burghof, um mich in die Arme meiner Freundinn zu werfen, und mit ihr die Maßregeln zu unserer künftigen Sicherheit zu nehmen, aber das erste, was sich meinen Augen am Eingange darbot, war ein Haufen blutender Leichname. Ich fuhr mit Entsetzen zurück, um zu fragen, was für schreckliche Dinge hier vorgegangen wären, aber das Entsetzen hemmte meine Worte, auch wurde ich durch die um Hülfe rufende Stimme meiner Begleiterinn unterbrochen, unter deren Händen der Schloßvogt, welcher vermuthlich bey Eröffnung der Pforten seine letzten Kräfte zugesetzt hatte, ohnmächtig geworden war.

      Doch warum beschreibe ich bey dem Ueberfluß von traurigen Scenen, die meiner Feder bevorstehen, die erste so umständlich? Nichts also von dem, wie wir nach und nach hinter das fürchterliche Geheimniß kamen, sondern lieber sogleich den ganzen Vorgang.

      Das einzige Gut, welches ich nach dem, Verlust meines Geliebten und meines Oheims noch besaß, meine Freundinn, meine Hedwig, auch sie war mir während meiner Abwesenheit entrissen worden. Unbekannte Feinde waren bald nach unserm Abzuge hereingedrungen, hatte die wenigen männlichen Bewohner des Schlosses theils getödet, theils tödlich verwundet, unsere Frauen, gebunden, die Gräfinn von Rappersweil mit ihren Kindern davon geführt, die Schloßpforten hinter sich verschlossen, die Zugbrücke aufgezogen, und die grauliche Einsamkeit zurückgelassen, welche ich hier fand. Der Thurmwächter und der Schloßvogt waren die einigen von den Männern, deren Wunden nicht den Tod nach sich gezogen hatten, und indessen der erste nach langsamer Erholung hinaufgegangen war, nach dem Zustand in den Gemächern zu sehen, hatte der andere der Hülfe von aussen den Zugang eröffnet.

      Die entfesselten Weiber stürzten mir jetzt voll Verzweiflung entgegen und forderten von mir die Gräfinn, die ich hier, ach so unvorsichtig, so schlecht beschützt, zurückgelassen hatte! Unsere Furcht vor einiger weitern Gefahr wurde durch die Empfindung unsers Verlusts verschlungen, und wir wären eine leicht eroberte Beute unsres Feindes gewesen, wenn er sich des gegenwärtigen Augenblicks zu bedienen gewußt hätte.

      Gegen den Mittag kamen einige Leute aus der benachbarten Gegend, und brachten die junge Elisabeth zurück, welche sie verirrt und weinend im Gebürge gefunden hatten. Ach! schrie