Название | Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz |
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Автор произведения | Christiane Benedikte Naubert |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957448064 |
Jenseit dem Hasliberge18, ob dem Thuner See, liegt ein altes Schloß, der Familie von Uspunnen gehörig, welche seit undenklichen Zeiten mit den Grafen von Vatz und Sargans im Bunde stand. Gegenwärtig lag es wüste, der Eigenthümer lebte im fernen Italien, und hatte seinem Freunde, Graf Waltern, den er in diesen Gegenden sehr gut gekannt hatte, den freyen Gebrauch eines Orts überlassen, welcher schwerlich zu etwas anders dienen konnte, als dazu, wozu er jetzt gebraucht ward, zur Einkerkerung unschuldiger Personen.
Der Weg nach dieser Gegend, den man mich führte, war lang und grauenvoll, aber der Ort meiner Bestimmung selbst übertraf alle Schrecknisse, die ich in den fürchterlichen Gebürgen gefunden hatte, bey weitem. Ein uraltes Felsennest, das zu Zeiten Karls des Großen gebaut war, und bey dem unaufhörlichen Reissen der Stürme und Wühlen der Ströme, längst dem Einsturz drohte, nahm mich auf. Ich sah es von weitem an einer steilen Felsenklippe hängen, und bebte, da man mir es als meine künftige Wohnung nannte. Ich Thörinn! Mit Entzücken floh ich einst in Walters Arme, wo ich den Himmel zu finden dachte, und ward getäuscht. Mit Todesahndung nahte ich mich den Ruinen des Schlosses Uspunnen19, und ward ebenfalls getäuscht. Wird denn der kurzsichtige Sterbliche nie begreifen lernen, daß das Wesen einer Sache und ihre Außenseite meistens verschieden sind? Doch ein oder zwey Erfahrungen dieser Art machen uns weise und ruhig, und lehren uns jenen Gleichmuth, welcher uns über das Lächeln und Drohen des Glücks erhebt, uns gleich stark gegen thörichte Wünsche und unnöthige Besorgnisse macht.
Ich war in der That in den ersten Wochen meines Gefängnisses höchst elend. Meine Lage ward durch Mangel an den nöthigsten Bedürfnissen und Bequemlichkeiten erschwert, und durch die graulichste Einsamkeit fast unerträglich gemacht. Ich sehnte mich nach Gesellschaft, sollte es auch eine solche seyn, welche mich dem äußerlichen Anschein nach weder Unterhaltung noch Trost hoffen lassen konnte. Ich sah oft aus meinem vergitterten Fenster in den verwilderten Garten, welchen zu besuchen mir nicht vergönnt war, einen drey- bis vierjährigen Knaben spielen, dessen unschuldige Fröhlichkeit einen Eindruck auf mich machte, welcher oft die Thränen aus meinen Augen trieb.
Holdes unschuldiges Geschöpf! sagte ich bey mir selbst, diese Gegend ist dir ein Paradies, weil du keine andre kennst! du bist arm, verlassen, vielleicht tausend Gefahren ausgesetzt, ohne es zu fühlen. Das Andenken an die Vergangenheit bekümmert dich so wenig, als die Sorge für die Zukunft, und schwerlich könnte dich ein König glücklicher machen, als du gegenwärtig bist. O daß ich dich in meine Arme schliessen, mich an deinen holden Lächeln weiden und von dir die Kunst im Kerker glücklich zu seyn lernen könnte.
Ich eröffnete meinen Wunsch meinen Aufsehern, und nach einigen Weigerungen ward es mir vergönnt, den kleinen Rudolf zuweilen auf meiner Kammer zu sehen.
Rudolf? sagte ich, als er mir zuerst seinen Namen nannte, Rudolf? wiederholte ich, als ich seine Gesichtszüge untersuchte und Aehnlichkeiten in denselben entdeckte, welche mich in Erstaunen setzten. Und wie ward mir erst, als der liebenswürdige Kleine, ach ein alter Bekannter von mir! seine Mutter mit dem Namen, Hedwig von Rappersweil, nannte.
Ja, diese theure, längst aufgegebene Freundinn theilte diesen Ort des Schreckens mit mir, ich athmete mit ihr einerley Luft, konnte hoffen, sie jeden Tag zu sehen, und die Freude hierüber ließ mich nicht zur Ueberlegung kommen, daß der Entschluß Graf Walters, mich an einerley Ort mit dieser hinterlistig Geraubten zu bringen, mir das Unterpfand ewiger Gefängniß sey. – Seine Ursach, ihr und mir mit solcher Härte zu begegnen, mochte nun seyn welche sie wollte, so blieb so viel gewiß, daß keine von uns die Freyheit wieder geniessen durfte, um seine Grausamkeiten nachzusagen, oder ihrer Unglücksgefärthinn ebenfalls aus dem Kerker zu helfen.
Erwegungen von dieser Art waren in diesen Augenblicken fern von mir, ich fühlte nichts als die Seligkeit des Wiedersehens, die ich hoffte. Ach Gott, es würde mir Trost gewesen seyn hier die gemeinste menschliche Seele zu finden, wenn ich sie nur zur Theilnehmerinn, zur Vertrauten meiner Leiden hätte machen können, aber auf Hedwigs Umarmungen hoffen zu können, wer kann mir sagen, wie vielfache Freuden für, mich in diesem einzigen Gedanken lagen!
Leider war die Ausführung meines Wunsches nicht so leicht als ich wähnte. Die Gräfinn von Rappersweil ward so eingeschränkt gehalten als ich, und unser Aufseher blieb hartnäckig bey dem Entschlusse von der Instrucktion seines grausamen Herrn keinen Schritt abzuweichen. Mich dünkt, dieser Mann war nicht böse, es kränkte ihn vielleicht, uns hart behandeln zu müssen, aber es war ihm Gewissenssache nicht in dem kleinsten Punkte von dem abzugehen was er, wie er uns oft auf unsere Klagen antwortete, dem Grafen von Vatz hatte zuschwören müssen. Ihr seht, sagte er, ich bin in allen Stücken billig, wo ich es seyn kann, ich habe keinen besondern Befehl zu Einkerkerung des Kindes, das mir zugleich mit seiner Mutter übergeben ward, und ich laß es also all derer Vortheile geniessen, die ich ihr nicht gewähren darf. Auch ward mir nie verboten, der Gräfinn von Rappersweil alle Beschäftigung für ihren Geist und für ihre nimmer müssigen Hände zu geben, die sie wünschte, sie hat daher Bücher, sie hat ihre Spindel und die Weberspuhle, jetzt mag sie diese hinlegen und sich mit der Feder beschäftigen; eben dieser Vortheil soll euch zugestanden werden, und mich dünkt, es kann am Ende einerley seyn, ob ihr einander das, was ihr euch zu sagen habt, schriftlich oder mündlich mittheilt.
Unser Aufseher eröffnete uns hier einen Weg zur angenehmsten Unterhaltung, der uns nicht eingefallen war, wir dankten ihm und vergassen nicht, uns desselben zu bedienen. Jeden Tag schrieben wir einander, und weil der treue Diener des Grafen von Vatz zu gewissenhaft war, unsere Briefe selbst zu bestellen, so ging alles durch die Hand des kleinen Rudolfs, der mich schnell liebgewann, gern meine enge Kammer besuchte, und außer den schriftlichen, allemal noch tausend mündliche Aufträge erhielt, die in seinem kindischen Munde oft so eine seltsame Gestalt gewannen, daß sie seiner Mutter und mir das herzlichste Lachen abnöthigten. Himmel wir lachten! Hätte unser Tyrann wohl denken können, daß seine Gefangenen Muse zum Lachen hätten?
Hedwigs Briefe enthielten manche Aufklärung über mir bisher unbegreifliche Dinge, noch sind sie alle in meiner Gewalt, diese theuren Denkmale heiliger Freundschaft. Ihr, meine Töchter, für die ich schreibe, werdet sie nach meinem Tode als Beylage bey dieser Schrift finden. O was werdet ihr denken, wenn ihr aus denselben sehet, wie Walter nie derjenige war, für den wir Verblendete ihn hielten! wie er uns vom Anfang täuschte!
Ja, er liebte mich einst, oder vielmehr die Güter, die ich zu hoffen hatte, er suchte, er hoffte und wünschte meine Verbindung, aber Betrachtungen, über die selbst Hedwig mir kein Licht zu geben vermochte, nöthigten ihn, sich nie wörtlich darüber zu erklären, und sich am Ende meine Hand von meinem Oheim fast aufdringen zu lassen. Seine Furcht, meine Aussichten auf Glück und Größe, und also auch die Seinigen möchten durch eine zweyte Vermählung meines Oheims verdunkelt werden, waren Ursach an Hedwigs Entführung. Er hatte die Zeit zu derselben künstlich gewählt. Ein geheimes Verständniß mit dem Abt von Sankt Gallen, dessen Feind er sich äußerlich nannte, brachte jenes mal den Grafen Venosta in seine Hände, lockte mich aus der Burg, überließ die Gräfinn von Rappersweil seiner Gewalt, gab ihm zugleich Gelegenheit, sich durch die Befreyung meines Oheims fest in seine Gunst zu setzen, und ihm das Geschenk, das er ihm mit meiner Hand machte, ungebeten abzunöthigen. Wer kann das ganze Gewebe unergründlicher Bosheit durchspähen, das unser Verfolger hier mit so viel List als Glück angelegt hatte? Er betrog den Abt von Sankt Gallen um seinen Gefangenen, den er ihm erst selbst in die Hände gespielt hatte; den Grafen Venosta um seine Güter, um seine Geliebte, und um mich; die Gräfinn von Rappersweil um ihre Freyheit, und mich um das ganze Glück meines Lebens.
Graf Walter fühlte nie redliche Liebe gegen mich, der Hauptgegenstand seiner Wünsche waren meine Güter; nachdem er sich in den Besitz derselben festgesetzt hatte, nachdem ihm der Anblick meiner Schönheit gewöhnlich, der Umgang einer tugendhaften Gattinn lästig ward, so ergriff er die erste Gelegenheit sich von mir zu trennen, und vergaß nicht, meinem guten Namen einen Schandflecken anzuhängen, der mich jeder Hülfe, selbst der Hülfe meines gütigen Oheims, unwürdig darstellen mußte.
Die Gräfinn von Rappersweil hatte den größten Theil der vorgemeldeten Dinge, die sie mir in