Название | Kleinstadt für Anfänger |
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Автор произведения | Rainer Pleß |
Жанр | Историческая литература |
Серия | |
Издательство | Историческая литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957442437 |
Ich würde den Stadtoberen von Peege (Pegau) allerdings empfehlen, das Kuh einfach zu ersetzen durch den Buchstaben Q, groß geschrieben. In einem anderen Land zu einer anderen Zeit stand das einmal als Zeichen für Qualität. Das könnte allerdings ein Hemmnis für die Durchsetzbarkeit dieses Vorschlags sein.
Kuh-lisse (Pegau, Schlossstraße)
Die zauberhafte, meist sonnenbeschienene, saubere und schöne kleine Stadt Pegau liegt 131 m über dem Meeresspiegel, was aber nicht verhindern kann, dass das ansonsten recht behagliche Flüsschen Elster, welches Pegau in aller Regel sanft umspült, mitunter, selten zwar, dann aber umso gründlicher, die goldene Aue überflutet, so dass es einigen Bewohnern erscheint, als wohnten sie am Gestade eines großen Meeres. Und dann mutet es seltsam an, wenn in den Hausanschluss- und Heizkellern das Toben der Flut zu vernehmen ist.
Pegau war nicht immer das kleine, unbedeutende Städtchen am Rande des sächsischen Universums. Es wurde gegründet von einem ritterlichen Abenteurer und Draufgänger, Freund des deutschen Kaisers, Schwiegersohn des Böhmischen Königs, Mörder der ortsansässigen Edlen und Markgraf von Meißen, von Wiprecht II.
Das heißt, Pegau entstand als Nebenprodukt der Klostergründung, die zur Ableistung einer Buße eines reichsständigen Edlen seiner Zeit für dessen Himmelfahrt erforderlich geworden war. Die Stadt blieb aber nicht lange Nebenprodukt.
Als Kaiser Rotbart Lobesam aus dem heilgen Land gezogen kam machte er Station im Pegauland am wunderschönen Elsterstrand und verlieh Pegau Stadtrecht, Marktrecht und niedere Gerichtsbarkeit. Von da an ging’s bergauf.
Pegau hatte in seinen guten Zeiten, laut Aussage des sehr verdienstvollen Ortshistorikers, Herrn Tylo Peter, den höchsten Rathausturm Sachsens, hatte einen Wochen-, einen Tauben, einen Vieh-, einen Salz- und einen Mägdemarkt, es war Sitz der Superintendentur, es war Garnisonsstadt ohne Kaserne. Es war Sommerresidenz eines Herzogs, es hatte ein reiches Kloster, bereits im 16. Jahrhundert eine Knabenschule, es hatte einmal zwei Postmeilensäulen, es hatte einmal fast 38 Kneipen, Gaststätten, Restaurants und ähnliche Etablissements, es hatte einmal sieben Tankstellen und bis 1918 einen Brückenzolleinnehmer. Es hatte auch lange Zeit eine glänzende Zukunft.
Doch bereits im 14. Jahrhundert trafen die ersten Schicksalsschläge die Stadt. Sie brannte mehrfach nieder, und das war in der alten Zeit, als noch alles, was in Pegau geschah, Hand und Fuß hatte und gründlich getan ward.
Jedoch unter Absingen des schönen alten Chorals: „Überall wohin man schaut, wird auf – ge – baut …“ ließen Klosterbrüder und Stadtväter das Städtchen wieder auferstehen. Wieder und wieder. Bis zum Ende des 30jährigen Krieges. Da war denn auch das wunderschöne und fast noch nagelneue Rathausdach verkohlt. Von diesem Dachschaden im Rathaus hat sich Pegau nie wieder gänzlich erholt. Und es erging manch anderer Stadt auch in späteren Zeitläuften ähnlich. Pegau jedoch gebührt die Ehre und das Verdienst, als erste Kommune im Reiche nachgewiesen zu haben, dass bereits ein Dachschaden in kommunalpolitischem Umfeld zur Verstümmelung bis dato hoffnungsvollen politischen und merkantilen Werdens ausreicht.
Und wem hat Pegau das zu verdanken? Nicht dem damaligen Bürgermeister oder dem städtischen Rat, obwohl in heutigen Tagen diese Schuldzuweisung sehr schnell erfolgen würde und von den Bürgern ungeprüft mit dankbarem Gejohle aufgenommen würde. Nein! Man verdankt die Zerstörung der Stadt dem Flachsveit und dem Fiedelhans, zwei zu ihrer Zeit bereits übel beleumdeten Zeitgenossen. Die waren zwar nur auf Bewährung, hatten aber dennoch geforderte Kriegskontributionsgelder der Pegauer auf dem Transport zu den alten Schweden, diesen kriegerischen Herren in Leipzig, geraubt, die dann auch gleich angerannt kamen und dabei bemerkten, dass das Pegauer Rathaus wie das ihre aussah, nur einen noch höheren Turm hatte. Und da sich Pegau nicht eingemeinden ließ, schossen sie es zu Klump.
Die Belagerer waren unerbittlich. Sie wüteten mit ihren Kanonen, dass den friedfertigen Bürgern der guten Stadt Pegau Hören und Sehen verging, der rote Hahn auf allen Dächern krähte und groß Heulen und Zähneklappern war. In dieser Situation fasste sich der damalige Superintendent, Herr Lange, ein Herz, steckte etwelche Knäbelein in weiße Totenhemden und zog mit ihnen in das Lager des schwedischen Obristen Torstenson unter Absingen des Liedes, das meines Erachtens ungefähr so ging: „Wenn die Not am größten sein und wissen nicht mehr aus noch ein …“ Und da geschah das Wunder von Pegau! Der alte Schwede mit offensichtlich doppelter Staatsbürgerschaft erkannte in Herrn Lange seinen ehemaligen Lehrer und stellte die Belagerung ein.
Wie viele der heutigen Schüler und Jugendlichen würden ebenso handeln? Würde die heutige Jugend nicht eher die Kanonen nochmals und schärfer laden, um sich für die von ihren Lehrern an ihnen verübten Unannehmlichkeiten zu rächen? Ist nun die moderne Erziehung tatsächlich die bessere?
Ich würde den nächstens neu zu wählenden kommunalpolitischen Lichtgestalten unserer Stadt empfehlen, die aus Kostengründen seinerzeit nicht wieder errichteten großen Dachgauben (welche das Leipziger Rathaus noch immer zieren) wieder auf unser Rathaus bauen zu lassen und dann mit einem großen Bild dieses Gemäuers und dem Slogan: „Das Rathaus zu Pegau wurde bereits im 16. Jahrhundert ohne Unterbrechung wegen mangelhafter Finanzierung (wie z. B. in Leipzig) errichtet. Investoren aus aller Welt, vergleichen Sie und kommen Sie nach PEGAU“ an alle größeren Auto-, Flugzeug-, Computer- und Elektronikherstellungskonzerne schicken. Vielleicht könnte man damit auch die eine oder andere Deutsche Bank anlocken. Slogan: „Kreditwürdig. Wir bürgen mit unserem Rathaus!“
Denn Handel und Gewerbe kann auch Pegau nur gut tun. Die Investoren dürften dann allerdings nichts vom großen Gewerbevereinsdebakel Pegaus erfahren. Vor der vorletzten Vorstandswahl diskutierten die Mitglieder dieses Vereins darüber, ob sie sich wegen statthabender Sinnkrise nicht selbst auflösen sollten (nicht die Mitglieder, nur den Verein). Man kam allerdings zu dem Beschluss: „Nein, wir lösen uns nicht selbst auf, wir wählen erst einmal einen neuen Vorstand, und dann überlegen wir uns, wozu wir da sind.“
Offensichtlich hat man noch immer mit dem Selbstfindungsprozess nicht abschließen können. Sonst wäre es, glaube ich, möglich gewesen, dass die Gründung und vor allem der Bestand eines Second-Hand-Shops für Kindersachen und Spielzeug dadurch hätte gefördert werden können, dass die zweimal im Jahr durchgeführte unentgeltliche städtische Kindersachenbörse, eine durchaus wohltuende und nutzbringende Einrichtung, nur nicht für einen neuen Gebrauchtwaren-Laden für Kindersachen und Spielzeug, zumindest vorübergehend, ausgesetzt worden wäre.
1991: Hat sich Ihr neuer Vermieter schon gemeldet?
Wenn man allerdings so wie in diesem Falle, mit Gewerbeansiedlung umgeht, muss man sich nicht über die ständig wachsende Zahl leerstehender Schaufenster auf dem Broadway der Stadt wundern. Diese mit Kunst kostenlos füllen zu wollen ist da zwar sehr preiswert, doch weder Ausweg noch Lösung. Aber vielleicht könnte man im Rathaus noch eine Sekretärin mit der Funktion des Verantwortlichen für Wirtschaftsförderung und -ansiedlung betrauen. In anderen Bereichen funktioniert dieses Pegauer Modell doch auch schon ein wenig? Oder?
Der Pegauer als solcher oder auch als Mensch betrachtet gehört zu einer besonderen Spezies des Homo Sapiens, natürlich, aber in seiner weiterentwickelten Form, dem Homo sapiens pegauensis sozusagen. Der weiß alles, besonders besser. Nicht aus eigenem Erleben, sondern vom Hörensagen.
So