Ich weiß nur, dass ich dich liebe. Denise Hunter

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Название Ich weiß nur, dass ich dich liebe
Автор произведения Denise Hunter
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783865069627



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dann: „Bleib, wo du bist. Ich bin in ein paar Stunden bei dir.“

      ZWEI

      Lucy schaute hinaus auf den Hafen, in dem reges Treiben herrschte. Ihr Hintern war schon ganz taub vom langen Sitzen auf der Holzbank, die sie seit dem Anruf bei Zac nicht mehr verlassen hatte. Nach dem Ende des Telefonats hatte sie es eilig gehabt, der finster dreinblickenden Inhaberin, neugierigen Gästen des Lokals und dem Geruch aus der Küche, von dem ihr richtig übel geworden war, zu entkommen. Sie hatte den Rock ihres langen Kleides hochgerafft, die Straße überquert und war erleichtert gewesen, als sie ein wenig abseits eine Bank entdeckt hatte, wo sie für sich war und in Ruhe nachdenken konnte. Dazu hatte sie mittlerweile stundenlang Zeit gehabt – jedenfalls kam es ihr so vor – und war dabei zu einem beunruhigenden Ergebnis gekommen. Sie konnte sich an mindestens einen Monat ihres Lebens nicht erinnern, denn sie hatte keine Ahnung, wieso sie in Portland war und Zac in Summer Harbor, und außerdem musste sie sich der Tatsache stellen, dass ihr Kopf offenbar nicht einwandfrei funktionierte.

      Ihr war ein bisschen schwindelig, und sie sah leicht verschwommen, sosehr sie auch versuchte, durch Blinzeln etwas daran zu ändern. Wenn sie aufs Wasser schaute, das in der Sonne glitzerte, fühlte es sich an, als würde ihr jemand mit einem spitzen Gegenstand in die Augen pieksen. Deshalb machte sie sie lieber zu und konzentrierte sich auf ihren Atem.

      Die Kopfschmerzen und der Schwindel waren schon ziemlich heftig, aber noch viel schlimmer war die Angst, die ihr den Magen umdrehte. Was war nur mit ihr los? Ob die Erinnerung an die vergangenen paar Monate für immer weg war? War sie ernsthaft verletzt? Wie lange würde dieser benebelte Zustand wohl noch anhalten? Und was, wenn es so blieb?

      Sie beobachtete, wie ein Hummerboot anlegte und die Fischer Feierabend machten. Wie spät es wohl sein mochte? Wieso brauchte Zac so lange? Was, wenn er gar nicht kam?

      Lächerlich. Natürlich würde er kommen. Er liebte sie doch.

      Sie dachte noch einmal an das Telefonat; daran, wie seine Stimme geklungen hatte, an seinen typischen Maine-Akzent, bei dem aus er-Endungen lange As wurden. Humma statt Hummer.

      Sie runzelte die Stirn, während die Erinnerung an das Telefonat ihr noch nachging, aber das Gespräch war schon jetzt nur noch verschwommen da. Er hatte mürrisch und abweisend geklungen, aber sie konnte sich nicht mehr ganz genau erinnern, was er gesagt hatte.

      Was, wenn sie eine Hirnverletzung hatte? Sie würde sich in einem Krankenhaus untersuchen lassen müssen, das war ihr klar, aber schon allein bei der Vorstellung bekam sie Panik. Plötzlich war sie wieder acht Jahre alt und saß allein am Krankenhausbett ihrer Mutter. Ein Apparat, der den Herzschlag aufzeichnete, piepste leise in regelmäßigen Abständen.

      Bis das Piepsen plötzlich aufgehört hatte.

      Bei dieser Erinnerung pochte Lucys Herz auch jetzt noch heftig, und ihre Kopfschmerzen wurden noch schlimmer. Krankenhäuser fühlten sich nach Tod an, aber trotzdem würde sie eines aufsuchen müssen.

       Du stirbst nicht, Lucy. Was ist denn eigentlich los mit dir?

      Sie hatte weder die Zeit, noch war sie in der Verfassung, diese Frage jetzt zu beantworten. Und wie kam es, dass sie sich an etwas erinnern konnte, das sechzehn Jahre zurücklag, aber nicht daran, wie sie das Brautkleid angezogen hatte, das sie trug?

      „Lucy?“, hörte sie jetzt eine Stimme.

      Sie drehte sich in die Richtung, aus der Zacs tiefe, volle Stimme kam, und als sie das vertraute markante maskuline Gesicht mit dem kantigen Kinn sah, ging ihr das Herz auf. Sie kannte jede Linie darin, obwohl ihr der Dreitagebart irgendwie fremd vorkam. Irritiert runzelte sie die Stirn. Auch sein schwarzes Haar, von dem ihm eine dicke Locke in die Stirn fiel, hatte sie anders in Erinnerung.

      Zitternd vor Verwirrung, sprang sie auf und ging einen Schritt auf ihn zu, weil sie sich nach der Sicherheit und Geborgenheit seiner Arme sehnte, doch plötzlich schien alles um sie her zu kippen, und sie stolperte seitwärts auf den Gehsteig.

      Zac kam ihr zu Hilfe, hielt sie am Ellbogen fest und sagte: „Was machst du denn?“

      Sie zuckte zusammen, weil er so schroff klang, und hielt sich noch stärker an seinem Unterarm fest. Sie blinzelte wieder, um den Schwindel zu vertreiben, schaute ihm in seine grauen Augen und wünschte, sie könnte schärfer sehen. Er wirkte irgendwie so steif und klang kalt und distanziert – so ganz anders als ihr Zac.

      „Zac … ich bin so froh, dass du da bist. Bringst du mich nach Hause? Bitte!“

      „Jetzt setz dich erst mal hin“, sagte er und schob sie zurück, bis sie wieder die Bank erreicht hatte. Sobald sie saß, ließ er sie los und trat ein paar Schritte von ihr weg.

      Sie schaute an ihrem Kleid hinunter und packte mit einer Hand den duftigen Stoff. Ihre Hochzeit war jedenfalls ruiniert. Und das nach all der Mühe, die sie sich gemacht hatten.

      Plötzlich wurde ihr die Kehle eng, und ihr kamen die Tränen. „Du solltest mich eigentlich noch gar nicht sehen“, sagte sie mit erstickter Stimme.

      Er hätte sie doch erst sehen sollen, wenn sie im Mittelgang der Kirche zum Altar schritt, wo er mit Staunen im Blick auf sie wartete. Darauf hatte jede Braut ein Recht. Sie hatte sich sogar gewünscht, dass am Altar das Licht richtig hell eingestellt würde, damit sie seinen Gesichtsausdruck auch wirklich gut sehen konnte.

      Als sie jetzt daran dachte, runzelte sie wieder die Stirn. Die Kirche, in der die Trauung stattfinden sollte, war doch in Summer Harbor – und sie war in Portland. Das war alles so verwirrend. Sie massierte sich die Schläfen und sagte nach einer Weile: „Ich bin wohl ein bisschen durcheinander.“

      „Wo hast du dir denn den Kopf gestoßen?“, fragte er.

      „Auf der Damentoilette“, antwortete sie und deutete hinter sich. „In dem Lokal dort. Der Fußboden war nass, und ich bin wahrscheinlich … ausgerutscht.“

      „Ich meine, wo am Kopf du dich gestoßen hast“, erklärte er.

      „Ach so. Hier“, antwortete sie, nahm seine Hand und legte sie vorsichtig auf die Beule.

      „Na, da hast du dir ja ein ganz schönes Ding eingefangen. Warst du bewusstlos?“, fragte er mit zusammengepressten Lippen.

      „I … ich weiß es gar nicht. Ich glaube schon. Vielleicht?“ Nicht einmal daran konnte sie sich erinnern!

      Er zog seine Hand wieder weg, und sofort vermisste sie die beruhigende Berührung. Wieso wollte er sie nicht anfassen? Wieso hielt er sie nicht einfach fest? Sie brauchte Trost, merkte er das denn nicht?

      „Lucy … du bist bewusstlos gewesen, dir ist immer noch schwindelig, und du hast Erinnerungslücken. Du musst das abklären lassen.“

      „Bitte nicht …“, flehte sie ihn an, und ihr kamen wieder die Tränen.

      „Es muss sein. Ich komme auch mit“, sagte er.

      Aber wo war die Wärme in seiner Stimme geblieben? Wo seine zärtlichen Berührungen?

      „Und was ist mit der Hochzeit?“, fragte sie. „Wir müssen doch den Leuten zu Hause Bescheid sagen. Ich kann gar nicht fassen, dass mir so etwas passiert.“ Ihr Atem ging jetzt in kurzen, heftigen, schnellen Stößen.

      „Beruhige dich doch, Lucy. Du musst langsamer atmen, sonst hyperventilierst du und fällst wieder in Ohnmacht. Glaubst du, dass du es bis zu meinem Wagen schaffst?“

      Sie wollte in kein Krankenhaus!

       Bitte, Gott, tu mir das doch nicht an!

      Sie wollte einfach nur nach Hause ins Bett und sich die Decke über den Kopf ziehen, wollte von Zac ins Bett gebracht werden, so, wie er es manchmal tat, wenn sie völlig geschafft war. Und in diesem