Die Salonièren und die Salons in Wien. Helga Peham

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Название Die Salonièren und die Salons in Wien
Автор произведения Helga Peham
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783990401781



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Nur dort, wo man in jedem Mann

       der Gottheit heilgen Abdruck ehret,

       von jenem, der nicht glauben kann,

       nie, daß er glauben soll, begehret,

       den züchtiget, der als Tyrann

       die Menschen mit der Geißel lehret,

       Unglauben nicht bestraft, und Glauben nicht belohnet,

       dort ist es, wo die Duldung wohnet.39

      Alois Blumauer vertritt ähnliche Ideen. Blumauer lässt beim Besuch von Papst Pius VI. in Wien seinen Hut auf, als der Papst vom Balkon der Kirche am Hof seinen Segen spricht: „Ist der Segen gut, so geht er durch den Hut.“ Die Zeiten haben sich geändert. Maria Theresia wäre entsetzt gewesen; unter Josephs Regentschaft ist das freie Wort zunächst erlaubt.

      Während Charlotte, von der Jugend respektiert, das Haupt des Hauses bleibt und oft im Nebenzimmer Karten spielt, übernimmt die heranwachsende Jugend eine immer größere Rolle im Salon.

      Charlotte zieht nicht nur bedeutende Persönlichkeiten Wiens an, sondern auch viele bekannte Reisende, die meist von Haschka bei ihr eingeführt werden. So ist der Reiseschriftsteller Georg Forster, der erste deutsche Weltumsegler und Kosmopolit, ein gern gesehener Gast. 1784, auf seiner Reise nach Wien, notiert er in sein Tagebuch: „Mittagessen bey H. Hofrat Greiner, daselbst Haschka, Denis, Mastalier und Münter. Greiner ein braver, guter, gerader Mann, von Einsicht und gesunden Urtheil, auch artige Bücherkenntnis … “40 Später unterhält Karoline mit Forsters Frau Therese einen gelehrten Briefwechsel.

      Aus Frankreich ist die Philosophie der Aufklärung eingedrungen. Kirche und Klerus werden abgelehnt, es ist die Zeit des „öffentlich getragenen Unglaubens“. In heftigen Diskussionen und lauten Gesprächen kommt es teilweise zum Bruch mit der Religion. Auch Karoline, später strenge Katholikin, sagt sich von kirchlichen Ritualen los: „Ich glaubte nicht mehr, und ich wußte doch nichts“41, schreibt sie später. Es versammeln sich im Haus ihrer Eltern zahlreiche Menschen, die an keine Religion mehr glauben oder zu Deisten, so nannte man die freidenkerische Geisteströmung in der Aufklärung, geworden sind. Diese Ideen verunsichern die junge Karoline: „Ich war religiös erzogen, und alle von der Kirche vorgeschriebenen Gebräuche waren bis zu jener Zeit im Hause sowohl als auch von mir beobachtet worden. Allmählich aber, drang die neue Gesinnung auch bei uns ein. Gar manche der Freunde, die unser Haus besuchten und übrigens achtungswerte Menschen waren, dachten über die Religion sehr frei. – Nicht allein, daß sie sich in ihrem Herzen von jeder positiven Satzung losmachten und eigentliche Deisten, oft nicht einmal dies, sondern Materialisten und Atheisten waren, gab es auch viele unter ihnen, die unbesonnen genug waren, diese Gesinnung ungescheut im Gespräche laut werden zu lassen, sich von allen äußerlichen Beobachtungen der Religion, allen Vorschriften der Kirche los zu machen und in philosophischer Ruhe bequem dahin zu leben.“42

       Die erste Strophe des Kaiserlieds von Lorenz Leopold Haschka in der handschriftlichen Klavierfassung von Joseph Haydn, 1797.

      Auch eine unglückliche Liebe zu einem jungen Mann namens Fernando erschüttert Karolines Glauben. „Da erhoben sich mit feindlicher Kälte alle jene Zweifel und Unsicherheiten, welche durch die Lesung von irreligiösen Büchern und Anhörung solcher Gespräche sich nach und nach wie verfinsternde Nebel in mein Gemüt gelagert und mir den tröstlichen Ausblick in die Ewigkeit verdunkelt hatten. Ich glaubte nicht mehr.“43

      Hat im höheren Bürgertum bisher tiefe Ehrfurcht vor Kirche und Klerus gegolten, beginnt man nun „antireligiöse Bonmots“ in den Diskurs einzubringen und sich lustig zu machen über das, was man früher hochgehalten hat. Modischer Spott ist für Hofrätin Greiner keineswegs toleranter Geist. Die Aufklärung lehnt „geistige Diktatur“ ab, ebenso „Mystizismus“ und Aberglauben, sie befreit den Geist aus der Enge. Das abendländische Denken erfährt eine Revolution. Das gebildete Bürgertum wird zum mächtigen Träger, die Salons zu Zellen der neuen Geisteshaltung, Kaiser Joseph II. ist Vorbild. Weder dem Bürgertum noch dem Kaiser ist bewusst, dass eine soziale Revolution der geistigen Vorbereitung folgen wird, in blutigen Straßenschlachten ausgetragen statt in Rededuellen.

      Ständiger Gast im Salon Greiner: der Schriftsteller und Freimaurer Johann Baptist von Alxinger.

      Wien trägt nicht viel zur Kultur der Aufklärung bei, die Dichter aus dem Salon Greiner sind zu wenig bekannt.44

      In Wien feiert man Feste, in Frankreich gärt es. Joseph II. erfährt bei einer Reise nach Paris von der Unruhe im französischen Volk. Nur Reformen können Frankreich vor einer Revolution bewahren, doch die werden nicht eingeleitet. Marie-Antoinette, Königin von Frankreich und Schwester Josephs II. und Leopolds II. wird in Paris hingerichtet. Es folgen die Koalitionskriege gegen Frankreich.

      Auch unter Leopold II. herrscht Meinungsfreiheit, doch sein Nachfolger Franz II. zeigt rasch seine reaktionäre Gesinnung. Es kommt zu Anklagen, Denunziationen, Todesurteilen. Die Aufklärung wird durch ein skrupelloses Polizeiregime abgelöst und der Salon Greiner findet 1794 ein jähes Ende wegen der angeblichen Jakobinerverschwörung in Wien, die die Polizei zum Anlass nimmt, neben vielem anderen auch gesellige Zusammenkünfte zu überwachen. Einmal noch flackert das Salonleben danach auf, erlischt aber endgültig mit dem Tod des Hofrats Greiner.

      Unter den vielen Gästen des Salons verdienen es einige, besonders hervorgehoben zu werden.

      Lorenz Leopold Haschka wird zum engen Freund des Hauses und Charlotte lauscht seinen Versen andächtig, obwohl sie sonst der Lyrik skeptisch gegenübersteht. Haschka ist neun Jahre jünger, Charlottes bevorzugter Dichter und Mitglied einer Loge, der auch Franz Sales Greiner angehört. 1783 verlässt er sie, was zum Bruch mit vielen Freunden führt.

      1749 in Wien geboren, wird Haschka nach seiner Ausbildung Lehrer der Grammatik in Krems. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens zieht er nach Wien und wird von Johann Baptist Alxinger finanziell unterstützt. Er widmet sich der Schriftstellerei und wird Kustos an der Wiener Universitätsbibliothek. Unter Maria Theresia ist Haschka frommer Jesuit, unter Joseph II. eifriger Kirchengegner und während der napoleonischen Kriege ein österreichischer Patriot.

      Haschkas größter Stolz ist es, am selben Tag wie Goethe das Licht der Welt erblickt zu haben, er hält sich für den bedeutendsten Dichter Wiens. Durch Kleidung und Haartracht versucht er, dem Dichterfürsten möglichst ähnlich zu werden. Ein Brief von ihm an Goethe bleibt unbeantwortet.

      Im Hause Greiner fällt ihm eine wichtige geschmacksbildende Funktion zu, da er dem Salon namhafte Gäste zuführt, Wissenschafter, Ärzte und Gelehrte wie Freiherrn von Jacquin, Maximilian Stoll, Johann Josef Eckhel, Musiker, Schauspieler und Maler wie Joseph Anton Steffan, Wolfgang Amadeus Mozart oder Joseph Haydn. Neben den Kunstschaffenden verkehren dank ihm auch Staatsmänner wie Joseph von Sonnenfels, Gottfried Freiherr van Swieten, Tobias Freiherr von Gebler und Theologen wie Joseph Anton Gall, Franz Stephan Rautenstrauch und Felix Franz Hofstätter im Salon. Dazu kommen Dichterkollegen wie Alois Blumauer, Michael Denis (der Haschka als dichterisches Vorbild dient), Gottlieb von Leon, Joseph Franz von Ratschky und Johann Baptist Alxinger als ständige Gäste, Habitués genannt.

      Haschka wird von seinen Zeitgenossen kritisch, aber auch positiv beurteilt. Am bekanntesten ist sein Werk Gott! Erhalte Franz den Kaiser. Haschka und Johann Caspar Lavater führen einen von Charlotte initiierten Briefwechsel.

      Der Umstand, dass er im Hause der Greiners lebt, gibt Anlass zu Spekulationen über das Verhältnis zwischen Charlotte und ihm. In einem Gedicht drückt er seine tiefe Verehrung für seine Gastgeberin aus. Die beiden verbringen viel Zeit miteinander, die Beziehung ist innig. Gerne spazieren sie in den Sommermonaten durch den Garten im Landhaus in Hernals.

      Ein