Die Salonièren und die Salons in Wien. Helga Peham

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Название Die Salonièren und die Salons in Wien
Автор произведения Helga Peham
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783990401781



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ein kräftiger, hübscher Bub, für den eine Amme engagiert wird. Als diese jedoch erkrankt, ihren Zustand verheimlicht und den Knaben weiterhin stillt, stirbt dieser noch vor dem vollendeten ersten Lebensjahr. Am 10. September 1772 wird Karolines Bruder Franz Xaver Nikolaus geboren. Die Kinder werden der Kaiserin vorgestellt. Ihr ganzes Leben hält Maria Theresia ihre schützende Hand über die Familie ihrer ehemaligen Vorleserin.

      Fünf Jahre nach der Vermählung erhebt Maria Theresia Franz Sales Greiner mit seiner Familie in den Ritterstand, bereits zwei Jahre später ist er in der Hofkanzlei einer der engsten Berater der Kaiserin. Trotz seiner anspruchsvollen Tätigkeit findet er Zeit, um Lieder zu komponieren und zu malen, bevorzugt in Pastellfarben. Die Kunst ist sein Gebiet, während sich Charlotte den Naturwissenschaften zuwendet. Aufgrund der breit gestreuten Interessen des Paars und des engen Kontakts zum Kaiserhof entwickelt sich im Hause der Greiners ein reges gesellschaftliches Leben.

      Am 31. Dezember 1777 kommt noch eine Tochter zur Welt und stirbt ein knappes Jahr später an Blattern. Hofrat Greiner berichtet der Kaiserin am 17. Dezember 1778 davon:

      „Heute früh um acht Uhr“, schreibt er der Monarchin, „habe ich mein armes Mädel verloren, das die Blattern auf eine schmerzliche Weise erstickt haben. Dem Buben geht es bis itzt noch so ziemlich gut. Weil mein Weib vor Wehmuth dem Kinde nicht beystehen konnte, habe ich das arme Würmchen müssen sterben sehen, so weh mir auch dabey geschah. O Gott wie war es so finster in meiner Seele!“ Die Kaiserin schreibt: „Ich empfinde beeder Eltern Schmertz; wie glücklich ist die Kleine, hat ihr Carriere bald gemacht in unschuld. Von dem muss man sich occupiren, nicht von dem Verlurst. Was haben wir mit unsern langen Leben vor Nutz und Freud, was vor Verantwortung! Da ist zu zittern. Gott erhalte ihm seinen Kleinen.“17

      Die Kinder Franz Xaver und Karoline nehmen schon früh an den Gesellschaften im Hause teil, wodurch ihre Bildung in Fragen der Ästhetik, der Philosophie und der Religion erweitert wird. Unterricht erhalten beide in den Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Latein, weiters in Mathematik, Religion und Naturgeschichte. Die Mathematik soll Karoline „gründliche[s] Denken“18 lehren. Dazu erhält Karoline Zeichen- und Klavierstunden sowie hauswirtschaftliche Unterweisung. Charlotte lässt ihre Kinder von ausgesuchten Lehrern, teils bekannten Persönlichkeiten, im Hause unterrichten. Zu ihnen gehören Joseph Anton Gall, ein Priester aus Schwaben, der in Wien Felbigers Normalschule (Volksschule) bekannt macht. Joseph Anton Steffan aus Böhmen, ein berühmter Hofklaviermeister, unterrichtet die Erzherzoginnen Marie Antoinette, Maria Karoline und Elisabeth ebenso wie Karoline Greiner.

      Charlotte beschäftigt sich intensiv mit ihren Kindern: Am 5. Februar 1783 schreibt sie an Lavater: „Von meinen Kindern kan ich – vielleicht mit Partheylichkeit – sagen das sie gutartig sind; das Mädchen ist im 14ten Jahr, hat viel Talente aber desto weniger Anwendung, doch hoffe das ihr hang zum Nachdenken, in reiferen Jahren gute Früchte bringen wird. Der Knab hat 10 Jahr, giebt sich mit wenigern Talenten mehr Mühe etwas zu lernen; bis izt aber will es noch nicht gelingen. Die unterhaltlichen Lehr stunden als Musik und Tanzen, haben den besern Fortgang. Ich will indessen hoffen das das wichtigere und also auch mühsamere mit den Jahren nachkomt.“19

      Für die Geschwister wird ein neuer Hofmeister eingestellt, der sie gemeinsam in Latein und Englisch unterrichtet. Noch mehr lernen sie im Salon. Sie hören zu und sind es gewohnt, mit Dichtern und Wissenschaftern umzugehen. Karoline berichtet: „Das Leben in meiner Eltern Hause gestaltete sich um diese Zeit sehr angenehm, wie denn überhaupt in ganz Wien damals ein fröhlicher, für jedes Schöne empfänglicher, für jeden Genuß offener Sinn herrschte. Der Geist durfte sich frei bewegen, es durfte geschrieben, gedruckt werden, was … nicht … wider Religion und Staat war. Auf gute Sitten ward nicht so sehr gesehen.“20 Es bahnen sich, verglichen mit früheren Zeiten, lockere Sitten an. Dieser legere Lebensstil soll Wien zur Zeit des Kongresses so beliebt machen.

      Die Wohnung im Haus „Im Tiefen Graben“ wird zu klein und so zieht die Familie im Jahr 1776 in das nahe gelegene Haus Nr. 429 im Salvatorgassl, wo sie bis 1777 lebt. Das einstöckige Gebäude gleicht außen wie innen einer alten Schlossruine, aber es gibt große stattliche Zimmer und noch stellt man bei einer Wohnung keine so hohen Ansprüche an die Bequemlichkeit. „Ich weiß, daß meine Eltern ganz zufrieden mit ihrer Wohnung waren. Die großen Zimmer, welche Sälen glichen, boten ihnen ein gewünschtes Lokal für die Bildersammlung meines Großvaters und für die zahlreichen Gesellschaften, welche sich in unserm Hause zu versammeln anfingen. Hier wurde ein Theater errichtet, worauf wir Kinder kleine französische Stücke: Zeneide ou la fée und L’isle déserte, nebst einer kleinen deutschen Idylle aufführten … In allen diesen Stücken wurden mir die muntern, mutwilligen Rollen zugeteilt.“21 Man gab große musikalische Aufführungen und „obwohl ich ein ganz winziges Geschöpf von etwa 7 – 8 Jahren war, ließ mein Vater mich doch kleine Konzerte, die mein Klaviermeister Steffann eigens für mich komponierte, mit vollem Orchester produzieren. Natürlich wurde das Kind, die Tochter vom Hause, beklatscht, belobt, bewundert, und ich hielt mich bald für eine bedeutende Künstlerin.“22

      Nach dem Tod von Charlottes Schwiegermutter im Herbst 1777 erhält die Familie in einem Haus „Am Graben“ Nr. 1163, später 1201, eine schöne geräumige Wohnung, in der sie bis 1781 lebt. Später übersiedeln die Greiners in das Antonilettische Haus am Neuen Markt. Das Haus in der Alstergasse (heute Alser Straße) wird nach dem Tod Greiners Eigentum und Wohnsitz Charlottes und sollte später in den Besitz Karoline Pichlers übergehen, die bis zu ihrem Ableben dort wohnt. 1771 erwirbt Greiner aus ererbtem Vermögen und seinem Gehalt zusätzlich zur Stadtwohnung ein Landhaus in Hernals. Man hält sich Reitpferde, Equipagen und Dienerschaft.

      Mit dem Tod Kaiserin Maria Theresias im Jahr 1780 kommt es zu weitreichenden Veränderungen, die sich unmittelbar auf das Leben der Greiners auswirken. Joseph II. schafft die Freiquartiere, also das Wohnen auf Kosten des Hofes, ab. So müssen auch die Greiners ihr kostenloses Quartier am Graben verlassen und ziehen auf den Neuen Markt in die Mehlgrube 1074. In diesem Haus entsteht bald wieder ein Salon; ihre Lebensart ändert sich auch unter dem Kaiser kaum.

      Auch einige Jesuiten – der Jesuitenorden wird 1773 aufgehoben – verkehren im Hause Greiner, darunter der „Hausfreund“ Charlottes, der Dichter Lorenz Leopold Haschka. Karoline erinnert sich, dass „ein Mann in meiner Eltern Hause eingeführt [wurde], der bedeutenden Einfluß auf die Ausbildung und Richtung meines Geistes nahm – Herr L. L. Haschka, ein damals sehr junger, und, so viel ich mich erinnere, liebenswürdiger Mann, der nun seit ein paar Jahren bei der Aufhebung des Jesuitenordens, dessen Mitglied er gewesen, wieder in die Welt getreten, und den geistlichen Stand, da er keine Profeß abgelegt, völlig verlassen hatte. Mit ihm zogen, möchte ich sagen, die Musen in unser Haus, und meines Vaters Liebe für die schönen Künste kam jener Richtung, welche Haschka in sich trug, gern entgegen. Meine Mutter liebte zwar die Poesie durchaus nicht, aber sie hörte doch gern gute Gedichte lesen, und erfreute sich daran, wenn Haschka, und auch später andere Musensöhne Wiens, die nach und nach mit uns bekannt wurden, ihre Werke bei uns lasen.“23

      Charlotte Greiner befasst sich am liebsten mit exakten Wissenschaften. Besonders liebt sie die Astronomie. „Meine Mutter, im Gegensatze von ihm [dem Vater] oder um den Kreis der Bildung, der sich in unserm Hause fand, zu vervollständigen, hatte einen ausschließenden Hang zu ernsten Wissenschaften. Sie verachtete, möchte ich beinahe sagen, Dichtkunst und überhaupt schöne Künste, sie hielt blutwenig von der Geschichte, die ihr zu wenig ausgemachte und unzweifelhafte Wahrheit bot. Sie strebte nur nach dieser, wollte nur diese finden, hören und ihr folgen.“24 Trotz ihrer Skepsis sind Künstler, Dichter, Schauspieler, Maler und Komponisten, wohl auch Wolfgang Amadeus Mozart, ständige Gäste im Salon Greiner.

      Im Jahr 1777 versucht der Mediziner Dr. Franz Anton Mesmer ein blindes Mädchen, Maria Theresia Paradis, eine Musikerin, mithilfe des Magnetismus wieder sehend zu machen. „Ich erinnere mich wohl der überaus lebhaften Debatten, welche jeden Abend im Zirkel meiner Eltern, wo sich viele geistreiche, gelehrte Männer und gebildete Frauen versammelten, über diesen Gegenstand gehalten wurden. Die Gesellschaft teilte sich in Gläubige und Ungläubige.“25 Es kommt vorübergehend zu Erfolgen, doch die Greiners gehören zu den Ungläubigen. „Vor allen erklärte sich meine Mutter, deren scharfsichtiger Geist so wie ihre Achtung vor der Wahrheit sie schon a priori jedem Unerklärlichen, Geheimnisvollen abgeneigt