Название | Der Schatz des Gregor Gropa |
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Автор произведения | Frank Wündsch |
Жанр | Современная зарубежная литература |
Серия | |
Издательство | Современная зарубежная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960086260 |
„Nimm diese eintausend Euro“, war in den letzten Zeilen zu lesen, wobei sich Marius wunderte, dass diese Worte in einer ihm fremden Handschrift geschrieben waren. „Verwende sie tunlichst nicht zum Abbau Deiner drängendsten Schulden, sondern steige in das nächste Flugzeug und komme so schnell Du kannst zu Deinem kranken Vater nach Deutschland. Ich leide an Krebs. Die Geschwüre haben von meinem ganzen Körper Besitz ergriffen. Wenn Du mich lebend sehen willst, so spute Dich. Sonst ist es zu spät!
P.S.: Was auch immer geschehen ist. Du bist und bleibst mein Sohn!“
Marius war wie vom Donner gerührt. Das hatte er in seinen schlimmsten Träumen nicht befürchtet. Als er noch an das Stromnetz angeschlossen war, hatte ihm sein Vater per E-Mail mitgeteilt, dass er an Magenbeschwerden litt und mit dem Essen Maß halten müsse. Den Krebs hatte er mit keinem Wort erwähnt. Und jetzt lag sein Vater im Sterben.
5
Herr Weigelt saß in der Cafeteria des Krankenhauses und wartete darauf, dass sein Diener ihm Kaffee und Kuchen brachte. Als beides auf dem Tisch stand und Herr Weigelt in seiner Tasse rührte, schien er die Frage seines Dieners überhört zu haben.
„War es richtig, diesen Brief nach Australien zu schicken?“, wiederholte sich dieser.
Herr Weigelt legte den Löffel auf die Untertasse und ließ sich mit der Antwort Zeit. „Es war sein letzter Wunsch. Hätte ich ihm diesen etwa abschlagen dürfen?“
„Ich möchte das Geld in diesem Brief mit keinem Wort erwähnen. Natürlich mussten Sie diesen letzten Wunsch Herrn Kilians respektieren, Sie sind schließlich ein Ehrenmann.“
„Was haben Sie dann an diesem Brief auszusetzen? Sie wissen ja überhaupt nicht, was darin steht.“
„Ihnen ist bekannt, Herr Weigelt, dass ich diesbezüglich eine Vermutung hege?“
„Selbstverständlich weiß ich das. Aber in diesem Schreiben ist absolut nichts zu lesen, das Ihre Vermutung bestärken würde. Der Brief ist rein privater Natur.“
„Ich muss leider befürchten, dass Sie weiterhin das in die Tat umsetzen wollen, wovor ich Sie zu warnen versucht habe.“
„Mein lieber Karl, Sie verkennen Ihren Platz.“
„Ich bin mir meiner Stellung durchaus bewusst, Herr Weigelt, und nichts liegt mir ferner, als daran rütteln zu wollen. Ich glaube mich jedoch befugt zu sehen, Sie und Ihre Familie vor jedweder Gefahr beschützen zu müssen.“
„Das ehrt Sie, Karl“, sagte Herr Weigelt, ohne eine Spur von Spott in seine Stimme zu legen.
„Und Sie wollen weiterhin an Ihren Absichten festhalten?“
„Bei allem Respekt, aber diese Entscheidung überlassen Sie bitte mir.“
„Sie kennen ihn nicht“, blieb der Diener beharrlich. „Über welche Fähigkeiten verfügt dieser Sohn Herrn Kilians überhaupt? Das sollte nicht weiter verwunderlich sein, dass ein Vater seinem Sprössling eine Empfehlung ausspricht, wenn er damit seinen eigenen Interessen dienen kann.“
Herr Weigelt verzog das Gesicht. „Ihnen sollte hinlänglich bekannt sein, dass ich mich für das Wohlergehen der Familie Kilian in besonderem Maß verpflichtet fühle. Der Wunsch von Konrad Kilian ist für mich bindend. Was haben wir denn über dieses Thema weiterhin zu reden?“
Herr Weigelt biss in seinen Apfelkuchen und wünschte sich Ruhe. Sein Diener gönnte sie ihm, solange er aß und trank. Als Herr Weigelt damit fertig war, versuchte Karl ihn erneut von seinem Vorhaben abzubringen. „Herr Weigelt, niemand kann Sie dazu zwingen, diesen Sohn in Ihre Dienste zu nehmen. Sie kommen bereits für die Kosten der Beerdigung Herrn Kilians auf. Dafür müsste sich sein Sohn verantwortlich sehen und mitnichten Sie selbst.“
„Fangen Sie schon wieder an“, schüttelte Herr Weigelt den Kopf. „Lassen Sie es endlich gut sein. Auf dem Teller fehlt die Serviette. Das hätte Ihnen auffallen müssen.“
Karl holte umgehend sein Versäumnis nach. „Ihnen scheint die Krankenhausluft nicht gut zu bekommen“, lächelte Herr Weigelt grimmig. „In meinem Haus wäre Ihnen dieses Versäumnis niemals unterlaufen.“
„Da mögen Sie Recht haben, Herr Weigelt. Ich halte es jedoch für meine Pflicht, Sie auf einen möglicherweise fatalen Fehler aufmerksam zu machen, dessen Auswirkungen meinen kleinen Fauxpas bei weitem übertreffen würde. Sie wissen doch worauf ich anspiele?“, konnte sich der Diener schwerlich beherrschen.
Herr Weigelt zog die Schultern hoch. „Was soll denn passieren? Dieser junge Mann, der die letzten Jahre keinen Fuß in seine Heimat setzen wollte, hat keinen Schimmer, was sich lange vor seiner Zeit ereignet hat. Nichts weiß er, und dabei wird es auch bleiben. Aber jetzt fahren Sie mich in mein Haus. Der Tag war anstrengend genug.“
6
Der Bus fuhr zweimal am Tag von Coldsville nach Sydney. Einer am frühen Morgen, der nächste, wenn die Sonne längst untergegangen war. Die Morgenluft war angenehm kühl. Marius stand an der Haltestelle, die sich lediglich einige Meter von seiner Wohnung entfernt befand und wartete. Die Augen hielt er dabei auf seine Schuhe gesenkt. Das Haus, in dem er gelebt hatte, wollte er nicht mehr sehen. Kamen Leute vorbei, unterließ es Marius, zu ihnen aufzuschauen. Er ärgerte sich, dass er nicht bereits am Abend zuvor nach Sydney gefahren war, wobei es für den gestrigen Flug sowieso zu spät gewesen wäre.
Plötzlich zuckte Marius zusammen. Sally kam auf ihn zu. Zu seiner Verwunderung sagte sie kein Wort. Marius ebenso wenig, doch kamen ihm schlagartig die schönen Zeiten ihrer Beziehung zu Bewusstsein, so dass ihm vor Wehmut schwindlig zu werden drohte. Sally wusste sofort, wie es um ihn stand. Sie zog die Augenbrauen nach oben, legte ihren Kopf langsam auf die Seite und lächelte ihn schelmisch an. Dann richtete sie einen ganz herzlichen Gruß ihres Vaters aus, drückte ihm eine Dose mit selbstgebackenen Keksen in die Hände und einen Kuss auf die Lippen. Sally verlor kein weiteres Wort und ging ihrer Wege, ohne sich noch einmal umzudrehen. Marius sah ihr nach, bis sie an einer Biegung der Straße verschwunden war.
Zu seiner Erleichterung kam der Bus pünktlich. Marius nahm abseits der anderen Fahrgäste Platz und mied jeden Blick nach draußen. Vier Stunden Fahrt nach Sydney lagen vor ihm. In der letzten Nacht hatte er keine Ruhe gefunden. Nachdem der Fahrer die ersten zwanzig Kilometer über eine holprige Piste bis zur Schnellstraße nach Sydney überwunden hatte, schloss er die Augen und fand den ersehnten Schlaf.
Kurz vor dem Flughafen wachte Marius auf. Er hatte geträumt, jedoch nicht von seinem Vater. Seine bereits verstorbene Mutter war ihm im Traum begegnet. Er hatte sie lediglich von hinten gesehen. Sie saß auf einem Stuhl und war dabei, ein Bild zu malen. Marius hatte sich getraut, über ihre Schultern zu blicken. Sein Mut sollte ihm Bitterkeit bereiten, denn seine Mutter malte an einem Bild, welches einen Friedhof zeigte.
Am Flughafen fühlte sich Marius wie benommen. Nach der Passkontrolle hätte er nicht mehr gewusst, ob ein Mann oder eine Frau seine Papiere prüfte, und am Gepäckband musste er dazu aufgefordert werden, seinen Koffer aufzugeben. Kurz darauf saßen die Passagiere dicht gedrängt im Flieger. Marius versuchte, von ihnen keine Notiz zu nehmen.
Während der vielen Stunden über dem Indischen Ozean und dem Asiatischen Festland hatte Marius immer wieder auf die Uhr gesehen, bis er den Anblick kaum mehr ertragen konnte und er sie vom Handgelenk zog. Marius tat etwas, was er lange nicht mehr gemacht hatte. Er fing an zu beten, dass er seinem Vater lebend begegnete. Er flüsterte immer dieselben Worte vor sich hin, bis seine Nachbarin auf ihn aufmerksam wurde und fragte, ob sie ihm helfen könne.
Die