Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
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isbn 9783874683265



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den privaten Wohnungsmarkt angewiesen. Es dürfte im Umfeld der Werke kaum anders als in anderen frühindustriellen Gegenden gewesen sein mit überteuertem Wohnraum, überbelegten Wohnungen und unzureichenden hygienischen und sanitären Bedingungen.

      Eine besondere Beachtung erwies die JHH auch der Geselligkeit und dem gesellschaftlichen Leben am Ort. Dabei wurde durchaus differenziert vorgegangen. Den Arbeitern ließ man die besondere Fürsorge zukommen, ihren Alkoholkonsum, besonders den Branntweinkonsum, einzudämmen. Wurde diesem doch zugeschrieben, dass er die Familien der Arbeiter zerrütten und die Arbeitskraft der Beschäftigten gefährden würde. So bat das Unternehmen 1842 den Duisburger Landrat Devens „recht dringend, dem Schulzen Grimberg, welcher sich hier in der Nähe der Eisenhütte angesiedelt hat keine Erlaubniß zur Errichtung einer Schankwirtschaft zu ertheilen, indem das hiesige Etablissement bereits über die Gebühr von dergleichen schädlichen Instituten umgeben.“312 „Um die Leute zu stärken und vom Branntweintrinken zu entwöhnen“, ging das Werk sogar 1846 dazu über, in der Kochanstalt des Puddelwerks „Bier daselbst unterm Einkaufspreise krugweise auszugeben“.313 Zu dieser Zeit galt Bier noch als Stärkungsmittel für die schwer arbeitenden Arbeiter.

      Auf der anderen Seite unterstützte die JHH das „heitere Beisammensein“,314 als ein Kreis Sterkrader Honoratioren, unter ihnen die führenden Köpfe der JHH, am 12. Juli 1839 die Gesellschaft „Erholung“ gründeten. Schon zuvor hatten sich die Gründer regelmäßig in der „Schnapsschenke“ Cremer315 getroffen. Neben den Sterkrader Hüttenbeamten gehörten diesem Kreis Ärzte, Lehrer, Pfarrer und Bürgermeister des Ortes an. Zwar besagt die Vereinslegende, dass sich der Verein nicht zuletzt deswegen gründete, um als geschlossene Gesellschaft die abendliche Polizeistunde beim geselligen Zusammensein in der Gastwirtschaft zu umgehen.316 Doch schuf die Gesellschaft „Erholung“ auch eine Organisation, die es neben der Pflege der Geselligkeit erlaubte, Absprachen und Diskussionen in einem geschlossenen Kreis zu ermöglichen,317 war die Mitgliedschaft doch durch ein Eintrittsgeld von einem Taler und einem jährlichen Mitgliedsbeitrag von einem Taler und zehn Silbergroschen beschränkt. Dies war ein Betrag, den sich nur Wenige in der damaligen Zeit leisten konnten. Zudem konnte in die Gesellschaft nur aufgenommen werden, wer von einem Mitglied vorgeschlagen und in geheimer Abstimmung mittels Ballotage bestätigt wurde.318

       Jetzt geht’s richtig los: Gerüstet für den „Take Off“ der Industrialisierung

      Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Region des späteren Oberhausens bereits einen großen Schritt von der agrarisch geprägten „öden Heide“ in das sich ankündigende Zeitalter der Industrie, die hier noch allein aus der „Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen“ bestand, gegangen. Für die Zeitgenossen hatte sich die Welt grundlegend verändert. Schon für die 1830er Jahre hatte der Osterfelder Pfarrer Johann Terlunen festgestellt:

      „Wenngleich die Hauptnahrungszweige wie früher noch jetzt der Ackerbau und die Viehzucht sind, so hat sich daneben doch ein gewerblicher Verkehr gebildet, der immer mehr zunimmt und in nur wenigen Landgemeinden seines gleichen haben mag.“

      Die Veränderungen

      „haben eine Art Zwischenhandel erzeugt, der sich als gewinnreich erwiesen hat. Butter, Eier, Große- und Vizebohnen, Pflaumen, Kirschen, Erdäpfel, Rüben, Wurzeln, Kraut, Roggen, Weizen, Hafer und Buchweizen, Heu und Stroh: alles wird dort nie vergeblich auf die täglichen Märkte gebracht und gut bezahlt.“

      Die „fleißigen geschickten Arbeiter“ erhielten einen hohen Tagelohn,

      „wodurch auch viel bares Geld in Circulation gebracht wird. Auf den Ackerbau und die Viehzucht wirkte dieser lebhafte Verkehr sich so günstig aus, dass der Ackerwirt, der alles gut zu benutzen weiß, nicht wenig gewinnt.“319

      Dominant blieb in Osterfeld noch der Agrarsektor, wie die Chronik der Kirchspiele Bottrop und Osterfeld beweist. Für 1840 zählte sie für Osterfeld 718 Einwohner in 101 Häusern mit weiteren 92 Ställen, Schuppen und Scheunen, aber nur zehn Fabrik- und Mühlengebäude.320

      In Sterkrade gab es um diese Zeit bereits größere Veränderungen. Als Wilhelm Lueg 1836 dem Holtener Bürgermeister mitteilte, dass die JHH den Bau einer Arbeiterkolonie plane, beschrieb er das tägliche Leben am Ort:

      „[…] denn durch den Verkehr der durch die Hütte hier entstanden ist, haben sich auch eine Menge Krämer, Bäcker, Handwerker aller Art niedergelassen. Der gewöhnliche Markt lässt glauben, Sterkrade sei eine Stadt. […] Ungefähr sind täglich 170 Pferde im Durchschnitt erfordert, die das rohe Material anbringen und die fertigen Waren verfahren. Das viele Geld, was durch die Arbeiter und Fuhrleute in hiesiger Gegend bleibt, ist dieses Etablissement umsomehr eine große Wohltat für dieselbe als der unfruchtbare Boden sonst wenig Leute ernähren könnte.“321

      Mitte der 1840er Jahre hatte sich die Überformung der Region durch die Industrie noch verstärkt. Ein „geographisch-geschichtliches Handbuch für die Bewohner der preußischen Rhein-Provinz“ beschrieb 1841 Sterkrade als

      „Kirchdorf mit 960 Einw. […] Es wird hier Raseneisenstein gegraben und auf der Hütte St. Antoni und der damit verbundenen Gute-Hoffnungs-Hütte verarbeitet. Diese Metallwerkstätte, welche der Gesellschaft Jakobi, Haniel und Huyssen gehört, ist eine der bedeutendsten in Europa […] Die […] Schmieden und Maschinenwerkstätten der erwähnten Gesellschaft, so wie ihre Schiffswerft […] zu Ruhrort […] liefern die schönsten Rheindampfschiffe und kräftigsten Dampfmaschinen für die Bergwerke und Fabriken.“322

      Der amtliche Zeitungsbericht der Bürgermeisterei Holten vom 31. Januar 1842 sagte voraus: „Der Wohlstand von Holten, Biefang, Sterkrade, Königshaardt, Oberhausen und Buschhausen ist größtenteils an das fernere Emporblühen der in Sterkrade und Oberhausen befindlichen Eisenhütten- u. Eisen-Fabrik-Etablissements gebunden.“323

      Durch seine Expansion hatte die JHH aber auch die spätere Entwicklung des Raumes maßgeblich vorbestimmt. Mit der Konzentration seiner sich immer weitere ausdehnenden Werksanlagen auf die beiden Gelände in Sterkrade und an der Emscher beeinflusste es die Stadt- und Raumentwicklung der Region deutlich. Sterkrade schien zwischenzeitlich nahezu ein Anhängsel der Werksanlagen zu sein. Bilder und Pläne zeigen die Dominanz des Industrieunternehmens im Raum Sterkrade deutlich. Ähnlich entwickelte sich das Werk an der Emscher. Hier, genau zwischen den drei Orten Oberhausen, Sterkrade und Osterfeld, konnten sich, unterstützt durch die seit 1847 vorbeiführende Eisenbahnlinie, die Anlagen immer weiter ausbreiten. Das Unternehmen verhinderte damit ein räumliches Zusammenwachsen der drei Städte. So lagen Hochofen-, Stahl- und Walzwerke des Unternehmens später im geographischen Zentrum der 1929 gebildeten Stadt. Alle nachfolgenden kommunalen Entscheidungsträger hatten dieses Faktum zu akzeptieren.

      Doch diese Entwicklung war 1846 noch nicht vorauszusehen, als der amtliche Bericht der Berliner Gewerbeausstellung lobte, die JHH sei eines der „großartigsten Etablissements in Deutschland“ und werde auf dem Kontinent möglicherweise nur von den Werken von Cockerill in Seraing übertroffen.324 Die Bedeutung des Unternehmens war also mittlerweile nicht nur in seiner näheren Umgebung bekannt. Und auch im Ausland bemerkte man die Leistungen der JHH. Der britische Ökonom Thomas C. Banfield (1800 – 1882), der 1846 das Rheinland bereiste, verfasste 1846/​48 seine zweibändige Studie „Industry of the Rhine“. Darin empfahl er jedem, der ins Rheinland käme, die Werkstätten der JHH zu besuchen, um den hohen Stand des Maschinenbaus in Deutschland kennen zu lernen.325 Die JHH sei eines der größten europäischen Unternehmen. „This house has realized what John Cockerill was unable to do at Liege […]“326 Die Sterkrader Gießerei befände sich „in very young hands.“ Puddler und Walzer seien Fachkräfte häufig aus Frankreich, Belgien und England.

      „[…] nearly all the workmen live with their families in the village, which is a little world of itself, or come to their work from places two or three miles distant. Nearly all are little landowners, with at least gardens to their cottages […]“327

      Abschließend stellte Banfield fest:

      „In our judgement there was little left to desire in the manner in which the work went. It is quietly and as perseveringly performed as in English establishments,