Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683265



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Unterstützungskassen, wie sie die Knappschaft für den Bergbau darstellte, boten hier eine Lösung an. Arbeiter zahlten einen Teil ihres Lohnes in eine Kasse ein, um im Bedarfsfall eine Unterstützung zu beziehen. 1832 existierte bereits für das Sterkrader Werk eine erste Unterstützungskasse, verwaltet durch das Unternehmen. Von der JHH am 16. Februar 1832 mit einem Startkapital von 100 Talern ausgestattet finanzierte sie sich wahrscheinlich allein aus Beiträgen ihrer Mitglieder.293 Nachdem 1837 eine weitere Unterstützungskasse für die Arbeiter der Werft in Ruhrort gegründet worden war, folgte 1838 oder 1840 eine entsprechende Einrichtung für die Arbeiter im Walzwerk Oberhausen.294 Auch diese Kassen finanzierten sich durch regelmäßige Beiträge der Arbeiter. Im Krankheitsfall erhielten sie eine wöchentliche Unterstützung; auch ein Sterbegeld wurde gezahlt. Die Kassen trugen zumeist die Kosten für ärztliche Behandlung, zunächst jedoch nicht die Ausgaben für Medizin. Familienangehörige waren nicht mitversichert. In der Ruhrorter Kasse war festgelegt:

       Abb. 45: Erster Eintrag der Unterstützungskasse im Hauptbuch des Unternehmens

      „Wer sich durch große Ausschweifungen der Wollust, Unmäßigkeit im Trunke oder durch sonstige selbst verschuldete Fälle Krankheit und Wunden zuzieht, soll nur in dem Falle die bestimmte Unterstützung genießen, wenn er nicht mehr in Stande ist, den Ort zu verlassen.“295.

      1848 schlossen sich die verschiedenen Kassen im Raum Oberhausen zur „Unterstützungskasse zum Wohle unserer Arbeiter und Angestellten auf den Werken Gutehoffnungshütte, Sct. Antoni, Oberhausen & Neueßen“ zusammen, die nun auch vom Unternehmen monatliche Zuschüsse erhielt.296 Die Leistungen wurden ausgedehnt: Neben die Krankenunterstützung traten nun freie Medizin und ärztliche Behandlung sowie Schulgeld für die Kinder der am geringsten Verdienenden. Ab 1848 kam es dann auch zur Gewährung von Witwen- und 1851 von Invalidenunterstützung.297 Die Verwaltung der Kasse geschah durch sechs Vertreter der JHH und sechs Vertreter der Versicherten.

      Nicht nur zur Unterstützung, sondern auch zur Erziehung bzw. Disziplinierung der Arbeiter war 1842 die Einrichtung einer „Spar-Kasse für die Arbeiter auf Gutehoffnungshütte, St. Antonihütte und den Eisenwerken zu Oberhausen und Neu-Essen“ gedacht.298 Es war die erste Betriebssparkasse in Deutschland. Die JHH hoffte, „durch diese Einrichtung die Sparsamkeit ihrer Arbeiter zu befördern“ (§ 1 der Statuten). Die Mitarbeiter konnten Ersparnisse unter der Garantie des Werkes „mit 4 pro Cent jährlich verzinset“ (§ 3) anlegen. Sollte jedoch ein Arbeiter Gelder abheben, „um dieselben zu verschwenden“, so konnte er aus der Kasse ausgeschlossen werden (§ 6). Verließ ein Arbeiter das Werk und erhielt ein „Abgangs-Attest“, so sollte darin vermerkt werden, ob er Einlagen bei der Sparkasse hatte, „weil es jedem Arbeiter […] auch zu Ruhme gereicht, wenn er durch die Einrichtung dieser Sparkasse sich einen Geld-Vorrath sammelt“ (§ 8). Durch Einrichtungen wie die Kranken- und Unterstützungskasse sowie die Sparkasse konnte das Werk seine Attraktivität als Arbeitsplatz erhöhen und auf diese Weise Arbeiter besser aus anderen Regionen anwerben.

      Doch mussten zuziehende Arbeiter auch Wohnmöglichkeiten finden. So war für die JHH gemeinsam mit der Versorgung im Krankheitsfall die Ausweitung des Wohnungsangebotes für die wachsende Zahl der Beschäftigten wichtigstes zu lösendes Problem. Die umliegenden Siedlungen konnten auf die Dauer keine ausreichende Zahl an Wohnungen für die zuwandernden Arbeitskräfte anbieten. Die wenigen Wohnmöglichkeiten, die die JHH auf ihren Werksgeländen und in deren Nähe besaß, und erste Werkswohnungen in Sterkrade reichten nicht aus.299 Hier wohnten wahrscheinlich hoch qualifizierte Mitarbeiter, auf deren Betriebsbindung das Unternehmen besonderen Wert legte. Auch gab es wahrscheinlich 1831 in Sterkrade bereits eine Menage, also ein Wohnheim mit Verpflegung der dort wohnenden etwa 85 Arbeiter.300

      So entstand der Plan, „für tüchtige Meister und Arbeiter rechter Art“301 eine eigene Arbeiterkolonie zu errichten. Am 27. Februar 1830 erwähnte Wilhelm Lueg erstmals, dass die JHH für die wachsende Zahl an Arbeitern auf dem Walzwerk „ein großes Wohngebäude für mehrere Familien erbauen lassen“ wolle.302 1836 teilte er dann dem Holtener Bürgermeister mit, dass das Unternehmen plane, „in diesem Jahre vielleicht noch Wohngebäude für 15 Familien in Bau nehmen (zu) lassen, weil es hier an Wohnungen sehr mangelt […].“303 Doch begann die JHH noch nicht sofort mit dem Bau einer Arbeiterkolonie. Noch 1838 hieß es für die 85 Beschäftigten der St. Antony-Hütte, dass „viele Arbeiter auswärts wohnen.“304 Erst 1844 konkretisierten sich die Wohnungsbaupläne der JHH. Am 8. Februar erwarb Lueg für das Unternehmen vom Landwirt Rübenkamp in Osterfeld einen Acker direkt an der Ortsgrenze zu Sterkrade. Am 27. Februar 1846 stellte Lueg für die JHH beim Amtmann von Bottrop und Osterfeld Tourneau einen Bauantrag für eine Arbeiterkolonie.305 Schwierigkeiten seitens der Kommunalbehörden erwartete er nicht: „Wir denken nicht dass uns deshalb Hindernisse in den Weg gelegt oder Reserve p. deshalb abverlangt werden, weil wir durchaus bauen müssen um den obdachlosen gesunden Arbeitern auch gesunde Wohnungen zu verschaffen.“ Nur „tüchtige starke Arbeiter, meistens Meister“ sollten in der Siedlung wohnen. Da es im Interesse der JHH liege,

      „keine verarmten Leute darin aufzunehmen so kann die Gemeinde keine Besorgnis über Belästigung haben. Sollten Sie dies dennoch haben so würden wir darauf antragen, unter us. Garantie zu bauen, dagegen auch Befreiung von allen Communallasten für die Gebäude u. der darin Wohnenden, beanspruchen. […] Es kann nur im Interesse der Comune liegen tüchtige Bewohner darin zu haben, die reichlichen Verdienst haben.“

      Die geplante Kolonie sollte allerdings die Zahl der Wohnhäuser in der erst 1841 gegründeten Gemeinde Osterfeld um 50 Prozent erhöhen, was Widerstand bei den Gemeindeverordneten erzeugte. So lehnte Tourneau den Bauantrag am 16. März ab. Man fürchtete die Armenlasten, die möglicherweise durch die Ansiedlung von Fremden auf die Gemeinde zukamen, und forderte die JHH auf, eine Übernahme der Kosten zu garantieren. Am 27. März wiederholte Lueg den Bauantrag „für ein großes Wohnhaus […] um tüchtige Meister und Arbeiter rechter Art von der Antonihütte „darin wohnen zu lassen“.306 Ohne Verhandlungen abzuwarten, schaltete Lueg die Bezirksregierung in Münster ein, die die Angelegenheit zur Entscheidung an das preußische Innenministerium in Berlin weiter reichte. Der Osterfelder Amtmann schaltete seinerseits den Landrat ein und es kam zu einem Gespräch, in dem Lueg im Gegenzug zur Erlaubnis des sofortigen Baubeginns eine Kostenübernahme zusicherte, falls Berlin entsprechend entscheiden werde.

       Abb. 46: Meisterhäuser in Eisenheim

      Schon am 6. April hatte die JHH den Bau von sieben Wohnhäusern für Meister begonnen. Sie lagen an der Provinzialstraße, der Hauptverbindungsstraße von Mülheim nach Sterkrade. Der Landrat erteilte erst am 22. Juli unter Vorbehalt eine vorläufige Baugenehmigung und bereits am 28. August teilte die JHH mit, dass die ersten Häuser in zwei Wochen fertig gestellt seien und bat darum, dass die Siedlung den Namen „Eisenheim“ erhalten solle. Gemeinsam mit der endgültigen Erteilung der Baugenehmigung erlaubte die Regierung in Münster die Namensgebung am 6. Januar 1847. Die ersten Gebäude waren längst bezogen. Auflagen erteilte die Regierung der JHH nicht, so dass mögliche spätere Lasten auf die Gemeinde entfielen.307 Im Herbst 1846 folgten den Meisterhäusern vier Mietshäuser im Kasernenstil. Bewohnt wurden die ersten Häuser von Puddel- und Schweißermeistern sowie von einfachen Arbeitern und Tagelöhnern,308 zum Teil aus England, Frankreich oder Belgien angeworben.309 1848 lebten mittlerweile 30 Familien mit 128 Personen in Eisenheim. Zwischen 1865 und 1872 sowie zwischen 1897 und 1903 wurde die Siedlung weiter ausgebaut.

      Die Wohnungen waren für die Beschäftigten attraktiv, lag die Miete doch etwa 20 Prozent unter den sonst üblichen Mieten.310 Sie waren für die damalige Situation recht komfortabel, knapp 50 Quadratmeter groß und besaßen zusätzlich jeweils einen zwischen 200 und 300 Quadratmeter großen Garten für eine teilweise Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln sowie Ställe zur Viehhaltung. Durch diese Vorteile konnte das Unternehmen zumindest teilweise auf höhere Löhne bei der Anwerbung von Fachkräften verzichten. Allerdings war der Miet- an den Arbeitsvertrag gekoppelt, so dass gleichzeitig eine Disziplinierung der Arbeitskräfte, die mit Wohnungen versorgt worden waren, möglich war. Andererseits