Название | Das Mitternachtsschiff |
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Автор произведения | Wilfried Schneider |
Жанр | Исторические любовные романы |
Серия | |
Издательство | Исторические любовные романы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957440839 |
Neferheres sprach noch, als Chons Licht bereits das Zimmer besuchte. Dann aber hatte sie bemerkt, wie der Mann vor ihr sie nicht als Lehrmeisterin wahrnahm, sondern als Frau. Wenig später hatte eine Bedienstete das Bad gerichtet.
Abdi-ashirta streckte sich in dem angenehmen Wasser. Er glaubte Neferheres Stimme zu hören und erinnerte sich, dass eine ungewöhnliche Zuneigung in ihren Worten war, wenn sie über den Pharao sprach. »Ich verstehe es nicht«, sagte er laut. Eine Nubierin kam mit neuer Kleidung und reichte ihm das Trockentuch.
Als er sich wieder zur Hausherrin setzte, trug er den dreimal gewickelten Rock der Oberschicht. Sein sidonisch geschnittenes Haar hatte die dunkelhäutige Frau mit Bienenwachs bestrichen, den Kopf bedeckte eine Rundperücke, wie sie die Oberen Menfes seit der Herrschaft Psammetichs trugen.
»Ich grüße den Kemeten Udjahoresnet.« Die Frau lächelte.
Sie beugte sich vor und berührte das Gesicht des Sidoners mit den Fingerspitzen. »Als ich klein war, erschreckte meine Bewahrerin mich mit Geschichten von Pheneschs. Sie beschrieb euch mit schrecklichen Worten. Die nächtlichen Fantasien eines Mädchens verwandelten die Räuber in kühne Eroberer. Nun sehe ich, die ungestümen Träume wurden dem Kind von Ma’at gegeben. Welch ein Leben ihr führt! Wie interessant du es erzählst!«
Abdi-ashirta lehnte sich zurück. Der niedrige Klappstuhl war unbequem. Die Gänseköpfe, in denen er endete und deren Schnäbel in die Querstreben bissen, drückten gegen seinen Rücken. Winzige Gazellen sprangen in die Eckverbindungen der Tischplatte, die Intarsien schienen sich im flackernden Lampenlicht zu bewegen. Der Kampfergeruch erinnerte ihn an die aus den Ländern jenseits der Ostströme wiederkehrenden Karawanen, deren Holz sie nach Zor brachten. In daraus gefertigten Truhen hielt sich zu Bewahrendes für lange Zeit. Auch Menfes Kammern waren damit ausgestattet.
»Belohne den nicht, der deine Hand küsst, statt sie zu füllen.«
Neferheres hob die Augenbrauen, als der Sidoner laut die altkemetische Tischinschrift vorlas. Sie beugte sich vor. »Iss von den Granatäpfeln, lege dir den Samen der Lotosblüte auf die Zunge.«
Abdi-ashirta hob dankend die Hände. Sie reichte ihm den Weinbecher. »Gib von dem Honig in dein Glas. Er schenkt dir Ruhe.« Die Frau blickte zur Tür. Die Katze kam und legte sich der Herrin zu Füßen. »Chain«, flüsterte die Frau zärtlich, »meine Chain.« Merit-Re brachte einen neuen Leuchter. Neferheres erhob sich. „Es ist spät. Morgen erwartet dich der Göttergleiche. Wir aber werden noch viele gemeinsame Abende haben.«
Abdi-ashirta floh der Schlaf. Das Lager war ungewohnt weich, die Schnüre des Holzrahmens und die federgefüllte Auflage gaben jeder Bewegung nach. Er betastete die geschnitzte Katzengöttin der Kopfstütze und berührte die Wand. »Schön ist ihr Antlitz« schrieb er Neferheres Namen in seiner Sprache. Er strich über den Kalk, der glatt war wie zuvor.
»Du wirst kein Preis sein. Meine Fahrt für den Pharao wird deine Liebe gewinnen.« Er sprach aus, was er dachte, eine Gewohnheit von Kindheit an. Die fremde Welt vor dem Fenster war in die Nacht gesunken. Die Gebete für den neuen Tag in Menfe waren gesprochen. Der Mondgott ließ sein Licht hinter Schleiern, die der Wind der Lotosblüte zum nubischen Haus schickte. Ein Lufthauch bauschte das Fensterleinen, der Atem des Hapi mischte sich mit Neferheres Seerosenduft. Die Eindrücke der im Lichte Res gleißenden Königsgräber, der Palastfeuer und der Weingärten an Menfes Hängen wichen den Erinnerungen des Sidoners an die Farben des Wassers hinter den Säulen des Melkart, als eine starke Strömung sein Schiff auf einen langen Weg in das Abendhaus gerissen hatte. Er sah sich wieder an den milden Ufern jenseits der nördlichen Meerengen, dessen ferne Wälder den Himmel berührten. Er sah das Gesicht Hir-Rectars in jener stürmischen Nacht von Zor und hörte dessen Worte: Niemand fährt nach so einer Fahrt noch einmal auf das Meer.
»Morgen liege ich vor dir. Wohin schickst du mich, Göttergleicher?« Noch während er die Worte zum dunklen Geviert des Südfensters sprach, ahnte er, dass es kein Auftrag war, den Menschen je ausgeführt hatten. In dieser Stunde vor dem Schlaf spürte er in seinem Inneren etwas, das er so stark noch nie erfahren hatte. Es war die Sorge, für eine fremde Welt nicht stark genug zu sein. Endlich gab ihm der Wein Ruhe, er sah im Traum Neferheres Gesicht und hörte ihre Worte.
»Ich kenne deinen Auftrag, Phenesch!«
Er schreckte hoch und wusste nicht, ob sie es in den letzten Stunden so gesagt hatte. Ma’at war an diesem Tag, den Nut nun beendete, eine gütige Göttin, die eine erschreckende Wahrheit verschwieg.
3
»Beruhige dich!« mahnte der Offizier. Abdi-ashirta lief von Fackel zu Fackel und schlug gegen die Halterungen. Geisterhaft tanzten die Schatten der Wachen an den Wänden. Das gedankenlose Spiel füllte die leere Zeit.
»Zum dritten Mal! Folge mir! Hat ein Gott dich mit Taubheit geschlagen?« Der Sidoner erschrak, er hatte den Ruf des Priesters erst jetzt gehört.
Die Fenster des Audienzsaales waren mit gelb-blauen Stoffen verhängt. Trompeten verkündeten das Nahen des Herrschers, dann unterbrach allein noch das Knistern der Öllampen die Stille. Die Portalwächter schwenkten ihre Hellebarden zur Seite. Licht füllte den Raum, als trete Gott Re selbst durch die Mauern. Der Oberste Rat warf sich zu Boden. Als Abdi-ashirta zögerte, drückte ihn Kerifer-Neiths Hand nach unten.
»Der Göttliche will eure Augen sehen, und ihr sollt die Ohren öffnen. Das sagt euch Ptah-hotep, Oberster Priester des Ptah und Mund des Stadtgottes von Menfe. Ptah-hotep, der neben dem Herrn steht.«
Der rote Zeremonialmantel hob den Göttergleichen aus der Kahlheit des Raums, sein Kopf war verhüllt, wie Neferheres es gesagt hatte. Er öffnete den Mund, noch bevor er zu sprechen begann, bewegten sich die Hände in heftigen Gesten. Lobpreisungen Kemets folgte die Schmähung Babylons, Worte schufen Bilder in den Farben des Hasses. Die Stimme wurde laut, schrie beschwörend auf die Herren des Rates ein.
»Da nun Re im Sternbild des Hundes wanderte, ward Hor, dem Seher, die Gnade eines göttlichen Traumes zuteil. Am Ufer eines Wassers, das nicht Meer war und nicht Fluss, reifte der Emmer auf fruchtbarer Erde. Bauern schnitten die Ähren, bereiteten Mehl, die Heimat zu ernähren. Im Wind der wogenden Felder tanzten Frauen zu klingenden Harfen. Doch jäh stiegen Vögel auf. Ihre Schatten fielen auf das Land und versetzten die Menschen in Schrecken. Schiffe mit krummnasigen Männern teilten das Wasser, an ihrem Bug die Zeichen von Sidon und Zor. Sie hatten Mäuler! Mäuler wie Tore, größer als Häuser, groß wie der Schlund von Abdju. Die Schiffe fraßen den Emmer Korn um Korn in unersättlicher Gier. Den Feldern folgten Menschen, den Menschen alles, was Kemet ist. Alles! Alles!«
Speichel rann Necho über das Kinn. Der mächtige Leib zuckte, in den Schläfen pulsierte das Blut. Die Schnabelschuhe traten den Stein.
»Ich habe den Stier geschlagen. Ich habe Ptah geopfert. Ich habe das Orakel der Priester gehört. Ich gebe dem Obersten Rat der Stadt Menfe und beiden Kemet bekannt: Der Kanal nützt unseren Feinden. Sein Bau wird eingestellt. Aber Osiris hat mich auserwählt, Kemets Ruhm in alle vier Häuser zu tragen. Eine Gesandtschaft wird unbekannte Meere befahren. Ihr Admiral wird Abdi-ashirta sein. Abdi-ashirta aus Zor, Seefahrer dieser Stadt. Sidonien wird Kemet dienen, an uns gebunden und nicht an die Feinde.«
»Ein Traum! Nur ein schrecklicher Traum!« Der Mann neben Abdi-ashirta kniete nicht wie die anderen. Er hatte die Stirn auf den Granit gelegt. »Es ist zu Ende. Mein Geschäft! Ich habe Knoblauch an den Kanal geliefert. Osiris!«
Sandalen scharrten über den Steinboden. Hinter Ptah-hotep bewegte sich ein Vorhang. Papyrusrollen fielen zu Boden. Die zitternden Hände des Beamten griffen dreimal danach.
»Osiris!« ächzte wieder der Kaufmann. »Es ist vorbei, vorbei, vorbei …« Er reihte das Wort bis Pharao sein Zepter auf den Thronsockel stieß. Jeder Laut