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es verstanden!«

      »Verzeih die Erregung, Herr.« Abdi-ashirta fiel stöhnend auf die Bank zurück. Dieser Auftrag hatte nichts Gleiches: »Sidoner waren noch nie im Süden!«

      »Nein? Der große Hiram schickte in zehn Jahren vier Schiffe zu diesem Südlichen Haus. Es waren Küstenboote, am Lazurwasser zusammengesetzt. Sie sollten Ophir finden.«

      »Davon weiß niemand!«

      »Ich weiß es.« Zum ersten Mal lächelte Hir-Rectar. »Zor bewahrt seine Geheimnisse gut. Wir danken deinem Großvater auch dafür«.

      »Wohin?« Abdi-ashirtas Stimme war heiser, er fragte nur mit einem Wort.

      »Wohin?«, fragte auch Hir-Rectar. »Du bist ein Mensch, der denjenigen von zwei Pfaden geht, der am wenigsten betreten ist. Also habe ich dich gewählt. Necho hat Sais verlassen und regiert in Menfe. Dort fühlt er sich seinen Ahnen näher. Was will er im Südlichen Haus, wirst du gleich fragen. Vielleicht sucht er so die Garamanten, weil der Sandweg ihm die Füße brennt? Vielleicht sollst du seine Tausende Soldaten heim bringen, die nach Nub desertiert sind … Schau nicht so vorwurfsvoll! Ich mache aus dir keinen Narren. Zu den Garamanten führt kein Wasser und die Desertierten hat Anubis schon vor hundert Jahren gefressen. Was will er im Süden, der Herrscher beider Ägypten? Der Freund deines Großvaters hat mir den Text einer Stele aufgeschrieben und so für meine Gastfreundschaft gedankt. Tanut-amun, Sohn des Schabaka, ließ sie errichten. Höre den König:

       Im Jahre 1, als er zum König gekrönt wurde, sah Seine Majestät zwei Schlangen, eine zu seiner Rechten, eine zu seiner Linken. Seine Majestät erwachte, fand sie aber nicht.

       Seine Majestät sagte: »Warum ist mir das geschehen?«

       Darauf erklärte man ihm: »Du besitzt Oberägypten. Erobere Unterägypten. Die beiden Herrinnen sind auf deinem Kopf erschienen, um dir das Land in seiner Länge und Breite zu geben, ohne dass ein anderer es mit dir teilt.«

      Schau mich nicht so an! Ich bin kein blöder Spaßmacher. Ich rede von Politik, Admiral, von Politik. In Menfes Thronsaal geht die Angst um. Der Süden tötete einst den Großvater des Pharao. Kemet befürchtet neue Eroberungen, hast du die Stele nicht verstanden? Auf dem Hapi fährt keiner nach Punt. Vielleicht gelangt man über das Lazurwasser schneller nach Kerma und Meroe? Von den heute Lebenden weiß es niemand. Mein Fluch über Kemets Priesterschaft. Mögen die Götter mit Necho sein und den Hapi bald durch seinen Kanal fließen lassen. Ich träume davon, eine Flotte hinter die Berge zu schicken, die sich nach Babylon erheben. Was hinter seinen Säulen liegt, hat Melkart nicht erzählt, aber im Osten erstrecken sich Länder, von Wassern umspült, die für uns befahrbar sind. Sei still! Dein Kopf versteht ohne zu fragen, was uns der Weg durch den Kanal bedeutet. Du bist ein Admiral! Wir hoffen auf Necho, die Kemeten sind Freunde Sidoniens. In unserer Zeit.«

      Die anderen Ratsmitglieder hatten während Hir-Rectars Rede hefig genickt, ihre Mimik bezeugte Bewunderung. Auch Abdiashirta erstaunten die Kenntnisse des Obersten von Zor.

      »Dein Gesicht ist ja so lang?«, fragte Hir-Rectar spöttisch. »Du wunderst dich, dass regierende Männer auch wissend sein können? Ich habe Samranus Tafeln gelesen, bevor ich sie vergraben ließ. Wer viel weiß, dem widerspricht man seltener.«

      »Wohin?«, fragte Abdi-ashirta zum zweiten Male.

      »Du sidonischer Esel!«, schrie Hir-Rectar und rieb sich die Stirn. »Dein Vater war meine Stütze, ihn schickte ich nach Quart-hadascht, um unseren Einfluss auf die Siedlung zu stärken. Das stach den Suffeten wohl ins Auge. Am Abend von Samranus Tod gab es in einigen Stuben des Ostviertels Wein«. Hir-Rectar rieb sich die Wangen, seine Hand war faltig, sie verriet sein Alter. Abdi-ashirta ahnte, dass die Verantwortung die Seele des kommenden Königs bedrückte und eine Amtsstube kein geschützter Ort war.

      »König! Ich werde König sein und wenn es am letzten Tag meines Lebens ist«, flüsterte der Oberste Zors. »Ich weiß es auch nicht, wohin du fahren wirst!«, brüllte er plötzlich.

      Abdi-ashirta öffnete den Mund, sein Gesicht wirkte noch schmaler. Ein Windstoß riss an den Fensterläden, die Tischlichter flackerten und bewegten Hir-Rectars Schatten an der gekalkten Wand, der sich für einen Atemzug zu den Deckenbalken ausbreitete und auf den Admiral zu stürzen schien. Der Regent beugte sich vor und sagte: »Wohin du fährst, wissen nur der Erhabene in Menfe und wenige seiner Vertrauten. Behalte den Namen Kerifer-Neith in deiner Erinnerung. K-e-r-i-f-e-r …« begann er zu buchstabieren.

      »Ich spreche kemetisch«, fiel ihm der Admiral ins Wort.

      »Ja, du hast die Worte aus Nurfrets Mund gesogen wie die Milch aus der Mutterbrust.«

      »Ich kenne aber nur die Volksschrift.«

      »Die Bilderschrift haben die Kemeten selbst vergessen, sogar die Priester schreiben sie falsch. Du wirst Necho helfen, die Bäume seiner Feinde zu fällen. Er wird dich beschenken wie einen Gott. Du erhältst nach deiner Rückkehr das Landgut eines Fürsten, eine Frau der Oberschicht wird an deiner Seite sein. Du siehst Menfe die erste Zeit zwar nur aus der Kammer einer Herberge, aber bald wohnst du in ihrem Stadthaus. Du wirst ein Kemete werden! Nach so einer Fahrt fährt niemand wieder auf ein Meer. So kamen Nechos Worte zu mir. Und er ließ mir gesiegelt mitteilen, dass er dir nicht befehlen, sondern eine Bitte aussprechen wird. Du darfst den Auftrag ablehnen und du darfst, wenn es dein Wunsch sein sollte, in dein Haus im Ostviertel zurückkehren. Abdi-ashirta, du bist ein freier Mann, frei in deiner Entscheidung. Wer von uns Machtausübenden ist das schon! Der Pharao glaubt, nur so ein Mann kann seinen Auftrag erfüllen. Und er hat Recht!« Hir-Rectar verzog den Mund. »Unsere guten Wünsche werden dich begleiten. Und nicht nur sie.«

      »Was willst du mir damit sagen?«

      »Nichts.«

      »Warum hast du mich gewählt, Herr?«

      »Du bist der beste Seefahrer in unserer Zeit. Du hast die Schiffe auch durch schwere Meere geführt. Du bist gebildet. Und du trägst eine wichtige Eigenschaft deiner Mutter in dir.« Hir-Rectar erhob sich, er stöhnte und streckte den Rücken.

      »Meine Männer werden mit dir besprechen, was dich am besten auf die Reise nach Kemet vorbereitet. Ich bin ungeduldig zu erfahren, was die nächste Zeit dir und Zor bringt, ich bin erwartungsvoll wie ein Jüngling, bei dem zum ersten Mal ein Weib hockt.«

      Er ging zur Tür, kehrte noch einmal um, breitete die Arme aus und umarmte seinen Admiral.

      »Noch eine Antwort, Herr«, bat Abdi-ashirta: »Was war die wichtige Eigenschaft meiner Mutter?«

      »Ihr war in Zor kein Mensch gleichgültig.«

      In den Dekaden bis zur Abfahrt hatte der Wind fast täglich den Geruch der Berge in die Stadt getragen. Der Abendgesang der Hirten begleitete den Admiral, wenn er im Fackellicht des Daches auf den Papyrusblättern das Schreiben kemetischer Wörter übte.

      In der Nacht des letzten Tages hatte der Wind gedreht und am Morgen der neuen Zeit trieb die Rose von Zor nach Sidon, das seit drei Herrschaften die Führungsstadt der Gemeinschaft war. Abdi-ashirta stand an der Wandung, band das Haar im Nacken nach und lehnte das Angebot des Schiffsführers ab, ihm Gesellschaft zu leisten. Usu und die Insel blieben zurück, hoben sich nur manchmal noch über die Wellen. In einer der heftigeren Bewegungen des Schiffes sah er das Ostviertel vor den Bergen und glaubte sein Haus zu erkennen, er bemerkte die Schemen des Baumes, zu dem Familien Todgeweihte trugen, um im Gebet die Hilfe der Götter zu erflehen. Dann nahm sich das Meer die Heimat. Er presste die Hände in das Holz, als ihm die Augen feucht wurden. Ma‘at, Nurfrets Göttin der Wahrheit, hatte ihm die Botschaft gesandt, dass er dieses vertraute Land so bald nicht wiedersähe.

      Sie kreuzten im Wind, machten gute Fahrt, und als sie sich der Küste endlich wieder näherten, lobte er den Schiffsführer für dessen Geschick. Er sah auf Sidon, die herrschende Stadt, die ihm entgegentrieb. Der Palast im vom Ufer entfernt liegenden Zentrum erhob sich höher über die