Amorphis. Markus Laakso

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Название Amorphis
Автор произведения Markus Laakso
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783944180823



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und kam schweißgebadet wieder herein, gekleidet nur in Unterhose und Patronengürtel. Die kalte Oktobernacht hatte ihn zu einem spontanen Waldlauf verleitet.

      „Wir nahmen Teile der Fete im Suff auf Video auf. Mitten in der Nacht beschlossen MAYHEM, im Keller zu proben, was wir ebenfalls aufnahmen. Dead sagte hinterher, er würde uns umbringen, wenn irgendwer das zu sehen bekäme“, sagt Koivusaari.

      MAYHEM wurde nachgesagt, dass sie eingeschlafenen Gästen die Socken in Brand stecken würden, weswegen die Finnen versuchten, wach zu bleiben. Zunächst glückte dies, doch irgendwann schlief Koivusaari ein – ausgerechnet im Bett von Dead: „Ich wachte dadurch auf, dass Dead mich auf den Boden wälzte.“ Es hätte schlimmer kommen können. Viel schlimmer.

      Ein halbes Jahr nach der Party wurde Dead im selben Haus tot aufgefunden. Er hatte sich mit einem Küchenmesser die Schlagader aufgeschlitzt und sich mit einer Schrotflinte in den Kopf geschossen. Zwei Jahre später wurde Euronymous vom BURZUM-Frontmann und damaligen MAYHEM-Bassisten Varg Vikernes mit 23 Messerstichen getötet: zwei in den Kopf, fünf in den Hals und 16 in den Rücken. Den Musikern aus Vantaa erschien das Geschehen vollkommen absurd und unbegreiflich.

      Koivusaari neuer Look: mehr Hippie als Death Metal.

      IN IHRER HEIMAT waren ABHORRENCE mittlerweile so bekannt, dass ihre Songs auf den Gigs erkannt wurden. Die Fanbasis wuchs ständig. Dies ist auch der Treue der südfinnischen Death-Metal-Kreise zu verdanken: Die Kids aus dem Lepakko fuhren auch zu Gigs in die etwas weitere Umgebung. Kolehmainen beschreibt die Gigs von ABHORRENCE als „heilloses Durcheinander“ und „soeben noch beherrschtes Chaos“. Bewusst wurde sich die Band ihrer zunehmenden Popularität erstmals in Riihimäki, einer etwa 50 km von Vantaa entfernten Kleinstadt, wo sie am 26. 10. 1990 zusammen mit XYSMA, NECROMANCER, DISGRACE, MANIFEST und TEA BAGS im Kino Sampo auftrat.

      Das Lichtspielhaus – eines der ältesten noch aktiven in ganz Finnland – hatte eine Empore, die den Bands als Backstagebereich diente. Von dort aus wurden unter reichlichem Alkoholgenuss die Kollegen auf der Bühne angefeuert. Als ABHORRENCE selber an der Reihe waren, hatten alle schon kräftig einen sitzen.

      „Wir benahmen uns auf der Bühne genauso wie wenn wir selbst das Publikum waren“, beschreibt Kolehmainen. „Bier und billiger Johannisbeerwein gehörten einfach dazu. Als der Kino-Gig anfing und ich bei der ersten Nummer losgrowlen wollte, kotzte ich stattdessen über das Mikro. Zum Glück hat’s keiner gemerkt, die Menge brüllte nur ‚Jeee!‘“

      Der folgende Auftritt in Orivesi war Arnkils letzter in den Reihen der Band. Der Schlagzeuger hatte beschlossen, zu seiner früheren und mittlerweile reaktivierten Band ANTIDOTE zurückzukehren. ABHORRENCE wollten den bereits gebuchten Gig im Jugendzentrum Herttoniemi nicht absagen und fragten Ex-Drummer Kimmo Heikkinen, ob er noch dieses eine Mal aushelfen könne. Heikkinen sagte zu.

      Im Laufe des einjährigen Bestehens der Band waren die Geschmäcker ihrer Mitglieder allmählich vom Death Metal abgedriftet. Koivusaari begeisterte sich erst für Grindcore à la NAPALM DEATH und SORE THROAT, bis ihn plötzlich THE DOORS, PINK FLOYD und dergleichen in andere Sphären lockten. Hinsichtlich des Death Metal war eine gewisse Übersättigung eingetreten: zu viel des Guten in zu kurzer Zeit.

      „Juice hatte sich schon als Protest eine Ponyfrisur schneiden lassen“, erinnert sich Koivusaari. „Die letzten Gigs spielte er im Trainingsanzug. Man sah ihm an, dass er keinen Bock mehr hatte.“

      Die Musik stammte überwiegend von Koivusaari, die Texte von Ahlroth. Beide kamen zu dem Schluss, dass ABHORRENCE sich überlebt hatte. Das Feeling war nicht mehr da. Die übrigen Bandmitglieder erfuhren erst nach und nach von der Entscheidung. „Jukka kriegte als letzer mit, dass Schluss war. Er musste gerade zum Wehrdienst und sich die Haare abschneiden, was ihn ankotzte. Nach ein paar Wochen rief er an und fragte, wann wir das nächste Mal proben. Ich antwortete, ‚gar nicht, wir haben uns aufgelöst‘. Er war lange sauer deswegen. Damals gab es weder Handys noch E-Mail, sondern alle wohnten bei ihren Eltern und waren auf Schnurtelefone angewiesen“, kommentiert Koivusaari.

      Der letzte Gig von ABHORRENCE fand am 18. 11. 1990 im Jugendzentrum Herttoniemi statt. Bei der Veranstaltung traten auch ALENNUSMYYNTI und NUXVOMICA auf. Den Bass der letzteren bediente ein junger Mann namens Olli-Pekka Laine, genannt „Oppu“.

       5. DIE GEBURT VON AMORPHIS

      MAN SCHRIEB DEN Spätherbst 1990, als sich Esa Holopainen, 18, und Jan „Snoopy“ Rechberger, 16, nach einem Proberaum für ihre neu gegründete Death-Metal-Band umsahen. Ein geeigneter Luftschutzkeller fand sich mitten in Helsinki, genauer gesagt in der Malminkatu in Kamppi. Snoopy verkaufte sein Gitarrenequipment und sein Vater besorgte ihm ein gewaltiges Pearl Export-Drumkit mit sechs Toms und zwei Bassdrums. Sie probten zunächst zu zweit und begannen, mögliche Bandmitglieder zu sichten. Diverse Bekannte kamen probeweise vorbei, bis schließlich Tomi Koivusaari, 17, als Sänger engagiert wurde. Koivusaari spielte noch bei ABHORRENCE und gab seine Zusage daher nicht sofort mit vollem Ernst.

      „War schon etwas komisch, dass Snoopy und Esa VIOLENT SOLUTION auflösten, um eine Death-Metal-Band zugründen. Gerade noch hatten sie das ganze Genre heruntergemacht, und jetzt fingen sie selbst damit an. Ich hatte auf den ABHORRENCE-Gigs das BOLT-THROWER-Cover gesungen und gemerkt, dass es mit dem Growlen ganz gut klappt. Also stieg ich bei denen als Sänger ein“, erinnert sich Koivusaari.

      Für den Viersaiter war nur ein Name im Gespräch: Olli-Pekka Laine, 17 (geb. 05. 02. 1973). Oppus Hauptband NUXVOMICA spielte progressiven Death Metal, der die traditionellen Elemente des Stils mit untypischeren Akzenten wie Cleangesang und unverzerrten Gitarren würzte. Die Band hatte ein Demo veröffentlicht und war in ein paar Jugendzentren aufgetreten. Der junge Bassist war in der Szene außerdem als Mitglied von SININEN HEVONEN bekannt, einer humoristischen Hardrock-Truppe, in der auch der spätere AMORPHIS-Keyboarder Kasper Mårtenson spielte. Weitere Mitglieder waren Rockreporter Nalle Österman, der später zum Elektro gewechselte Ville Juvonen sowie der heutzutage unter anderem als Initiator einer jährlichen Metal-Weihnachtskonzertserie erfolgreiche Erkka Korhonen. Ihre Künstlernamen lauteten Jack Sibelius, Nasty Lord, Barry Covana, Ace Afrodite und J.C. Adonis.

      „Zu AMORPHIS kam ich schlicht dadurch, dass Holopainen anrief und erzählte, dass er mit Snoopy eine Band gegründet hatte und Koippari singen würde“, so Laine. „Esa kannte ich vom Heavy-Kiosk her. Ich hatte damals ein kleines Zine, für das ich ein Interview mit VIOLENT SOLUTION wollte. Das Blatt erschien nur einmal und wurde per Kopiergerät vervielfältigt. Soweit ich mich erinnere, kam das Interview nie zustande, aber in dem Zusammenhang hatten wir Telefonnummern ausgetauscht. Anscheinend erinnerte sich Holopainen daran, dass ich Bass spielte. So fing das an.“

      Laine hatte von Kindesbeinen an mit Musik zu tun gehabt. In der Schule hatte er bis zur sechsten Klasse Musik als Schwerpunkt gehabt. Als seine Großmutter ihm zu Weihnachten eine Geige schenkte, nahm er pflichtgemäß Stunden, obwohl ihn das Instrument nicht im Geringsten interessierte. Immerhin erhielt er dadurch eine gute theoretische Grundlage, auch wenn er regelmäßig schwänzte. Schließlich sah seine Mutter jedoch ein, dass es sich nicht lohnte, noch mehr Geld für Privatstunden zu verschwenden, und der Geigenkoffer wurde zum Staubfänger. Die Musik ließ Oppu jedoch nicht los, und er