Indianertod. Rainer Buck

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Название Indianertod
Автор произведения Rainer Buck
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783865068798



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blonde Hüne. In Wahrheit wohl ein ganz sensibler Kerl.“

      Manuel lächelte. „Es ist ja eigentlich nicht die Zeit für blöde Bemerkungen, aber vielleicht steht so eine Männerfreundschaft wie zwischen Old Shatterhand und Winnetou ja unter einem besonderen Stern.“

      „Das musst du mir nicht sagen, Greenhorn. Ich flenne mir heute noch jedes Mal die Augen aus dem Kopf bei der Sterbeszene von ‚Winnetou III‘.“

      Manuel wusste, wie leidenschaftlich sein Freund in die Karl-May-Abenteuer eintauchen konnte und schmunzelte.

      „Was Winnetou betrifft, sind wir uns wohl einig. Über Branco Ilic und seine Beziehung zu Jana Felden scheinen wir dagegen nicht viel zu wissen. In meinem Interview damals hat ihn Jana jedenfalls nicht erwähnt.“

      „Die Polizei wird sie vermutlich in den nächsten Stunden befragen. Vielleicht weiß ich heute Abend mehr.“

      Nach dem Telefonat mit Robert hatte Manuel in der Redaktion angerufen und gefragt, ob er am Mordfall Ilic dranbleiben solle. Er deutete an, dass er einen zuverlässigen Informanten in Polizeikreisen hätte und bekam ein Okay. Zusätzlich würden sie für den Fall allerdings einen Redakteur abstellen. Schließlich habe man ja nicht oft über einen Mordfall zu berichten, hatte der Chefredakteur bemerkt.

      Das Klingeln des Handys riss Manuel aus seinen Gedanken. Die Nummer im Display kannte er nicht. Umso erfreuter war er, Lisas Stimme zu hören. Sie schien aufgeregt.

      „Würdest du noch einmal den Weg nach Neumünster auf dich nehmen?“, fragte sie. „Die Sache betrifft den Mord. Jana und ich brauchen in der Sache deinen Rat.“

      „Jana und du?“, hakte Manuel nach.

      „Eigentlich sollst du mir helfen, Jana zu überzeugen, dass sie eine Aussage bei der Polizei macht.“ Sie sprach diese Worte leise und hastig.

      Manuel zögerte keinen Moment. „Gut, ich bin gleich bei euch.“

      „Herr Wiesenloh, danke, dass Sie gekommen sind.“

      Der Bürgermeister deutete auf einen der Sessel vor seinem Schreibtisch. Der Intendant der Karl-May-Spiele nahm Platz. Eine Weile sahen sich die beiden Männer schweigend an. Dann räusperte sich der Stadtchef und begann:

      „Es war eine wirklich glanzvolle Premiere am Samstagabend. Es hätte vermutlich eine hervorragende Saison werden können. Und dann schießt ein feiger Mörder schon in der nächsten Vorstellung unseren Winnetou vom Pferd. Es tut mir leid für Sie und ihr Ensemble, dass Sie so um die Früchte ihrer Arbeit gebracht werden.“

      Wiesenloh seufzte.

      „Und natürlich diese Tragik um Branco Ilic. Ein aufstrebender Schauspieler, diese wunderbare, romantische Beziehung zu Jana Felden. Und nun mit einem Mal alles ausgelöscht.“

      „Ja, für uns ist das nicht zu fassen.“ Wiesenloh fragte sich, warum der Bürgermeister ihn aufs Rathaus bestellt hatte. Doch sicher nicht, um Floskeln auszutauschen.

      „Herr Wiesenloh. Ich war gestern vielleicht etwas zu voreilig, als ich sagte, dass wir die Spiele keineswegs fortsetzen können.“

      Die Miene des Intendanten hellte sich bei dieser Bemerkung auf.

      „Ich sagte ja gestern bereits, Herr Bürgermeister, dass …“

      „Ich weiß, ich weiß. Gestern wollte ich nichts von Ihrem Plan B wissen. Jetzt, nach einer Nacht Schlaf, denke ich zumindest, dass man die Option wahren sollte. Solange die Polizei allerdings wegen des Mörders im Dunkeln tappt …“

      „Das Ensemble wird nun der Reihe nach verhört. Man dachte ja zunächst, dass einer der Komparsen mit einer echten Waffe hantiert hätte.“

      „Hatte Ilic denn Feinde?“

      „Nicht, dass ich wüsste.“

      „Wie gesagt, Herr Wiesenloh. Solange nicht feststeht, was hinter dem Mord steckt, werden wir schwerlich mit den Spielen weitermachen können, doch ich will Ihnen zumindest gestatten, die Fühler nach einem Winnetou-Ersatz auszustrecken.“

      „Danke, Herr Bürgermeister. Ich denke, es wäre ganz im Sinne Branco Ilics, wenn wir …“

      „Genau das erwarte ich von Ihnen zu hören, wenn wir vor die Presse treten und erklären, dass es im Theater am Krähberg weitergeht. Wir werden das für Branco tun.“ Der Bürgermeister lächelte.

      Beide Männer standen auf und reichten sich die Hand. Wiesenloh verließ das Amtszimmer des Bürgermeisters hochzufrieden.

      Manuel Wolff registrierte freudig, dass Lisa Felden ihn wie einen guten Bekannten begrüßte. Jana war eine Spur förmlicher. Allerdings nahm sie ohne Zögern seinen Vorschlag an, sich doch ebenfalls zu duzen.

      Manuel wurde ins Janas Wohnzimmer geführt. Die Einrichtung war einfach und zweckmäßig. Erfreut stellte er fest, dass Jana offensichtlich zu den Menschen gehörte, die viel lasen, denn eines der Möbelstücke war ein Bücherschrank, der hauptsächlich mit Paperbacks gefüllt war. Er nahm auf der Couch Platz. Lisa fuhr mit ihrem Rolli an den Rand des gläsernen Wohnzimmertischs. Jana füllte die bereitgestellten Gläser mit Mineralwasser und ließ sich dann in einen Sessel fallen. Manuels Blick richtete sich abwechselnd auf Lisa und Jana, erwartungsvoll gespannt, was sie ihm zu erzählen hatten. Unwillkürlich verglich er die beiden Schwestern. Er stellte fest, dass er ihre Gesichter heute wohl nicht mehr verwechseln würde. In Lisas Miene war ein besonderer Zug, der sie ihm näher, vertrauter und liebenswürdiger erscheinen ließ als ihre Schwester. Jana war ihm deshalb allerdings noch lange nicht unsympathisch.

      Lisa und Jana tauschten ebenfalls Blicke, ehe Lisa schließlich das Wort ergriff: „Schön, dass du gekommen bist, Manuel. Eigentlich ist das, was Jana zu sagen hat, für die Polizei bestimmt. Das sieht sie inzwischen genauso, aber es ist vielleicht ganz gut, es vorher mit jemandem zu besprechen, der die Sache etwas von außen sieht und zu dem wir Vertrauen haben können.“

      „Ich fühle mich geehrt. Wegen des Vertrauens.“

      Lisas Lächeln ließ Manuel leicht erröten. Versonnen verharrte er einen Moment. Dann wandte er sich an Jana:

      „Vielleicht bin ich ja tatsächlich ein passabler Zuhörer. Deine Schwester hat dir vermutlich von meinem Hauptberuf erzählt.“

      Jana nickte und sagte grinsend: „Ich hoffe, du nimmst auch Menschen die Beichte ab, die aus der Kirche ausgetreten sind.“

      „Gibt es denn was zu beichten?“

      Die Gefragte wurde ernst: „Ich denke, dass ich der Polizei einen Hinweis zu geben habe, was die Mordsache betrifft. Doch ich hab gleichzeitig Angst, ich könnte damit eine falsche Fährte legen.“

      Jana berichtete von den verstörenden Telefonanrufen, durch die sie immer wieder belästigt worden war.

      „Hat der Anrufer explizit Drohungen gegenüber Branco Ilic ausgestoßen?“, fragte Manuel.

      „Es sind einige Bemerkungen gefallen, die ich jetzt eindeutig so interpretieren würde. Allerdings hätte ich sie normalerweise nicht so wörtlich genommen.“

      „Der Anrufer ist dir vermutlich nicht bekannt?“

      „Hm.“ Jana runzelte die Stirn. „Das ist es gerade, was die Sache für mich etwas schwierig macht.“

      Manuel war überrascht. Er fixierte Jana mit seinen Augen.

      „Du kennst ihn sogar?“

      „Ich kenne seinen Namen nicht. Aber wenn ich die Sache der Polizei melde, wird sie ihn ohne Probleme ausfindig machen können. Der Typ gehört zu den Komparsen, hat aber bei den ersten beiden Aufführungen nicht mitgewirkt.“

      „Du glaubst aber, dass er nicht wirklich der Mörder ist. Warum?“

      Jana schwieg längere Zeit. Sie schien mit sich zu