Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich

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Название Zwei Freunde
Автор произведения Liselotte Welskopf-Henrich
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783957840127



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zusammen und legte sich ins Bett. Morgen war wieder ein Tag, an dem er sich von den Kollegen bedauern und anschwatzen lassen mußte. Vielleicht war Casparius an seiner Stelle auf die Liste gekommen und verhielt sich deshalb mucksmäuschenstill. Die Ernennung war dem Tropf zu gönnen. Trotzdem … Wann wohl die Entscheidung bekannt wurde? Hoffentlich bald, damit der Schmerz ausgestanden war. Wenn die Entscheidung vorlag, konnte sich Wichmann um eine andere Stellung bemühen. Konnte er das? Als Assessor? Nach einem knappen halben Jahr Dienst in dem Ministerium? Das machte einen schlechten Eindruck bei jeder Bewerbung. Der Wohlwollendste würde nicht begreifen, warum Wichmann sich einbildete, in so kurzer Zeit schon Regierungsrat sein zu müssen, und andernfalls den Leuten den Krempel vor die Füße werfen wollte. Nein, das war kein Verhalten, mit dem er seiner Zukunft diente. Er war noch angeschmiedet und mußte aushalten. Der Geheimrätin machte er die Eröffnung wegen des Zimmers, sobald sein »Sitzenbleiben« feststand. Sie ließ ihn sicher einmal vorzeitig los, wenn er darum bat. Eine neue Bude wollte er sich bald suchen.

      Nischan?

      Er hatte keinen persönlichen Kontakt mit diesem widerwärtigen Menschen.

      Wichmann mußte sich am Morgen auf den Weg machen, ohne einen bestimmten Plan zur Entlarvung des Verdächtigen gefaßt zu haben. Die ganze Frage erschien ihm im Frühlicht weniger drängend als in der Nacht, deren Dunkel alle Eindrücke ausschloß und nur das Innere arbeiten ließ. Schließlich war die erneute Beschäftigung mit dieser Angelegenheit eine Verstandesübung zur Ausschaltung der Gefühle gewesen, die einen Zurückgesetzten bewegen mußten. – Im Dienst arbeitete der Assessor mit Verbissenheit, und Fräulein Sauberzweig mußte die Lektüre der neuesten Kriminalgeschichte von Wallace in die Zeit ihrer Straßenbahnfahrten verlegen.

      Der große Tag kam. Als Wichmann in den Morgenstunden in seinem einfachen Zimmer saß, trat Korts ein, im dunklen Anzug, im Haar die Zeichen des besonders sorgfältigen Kammstrichs.

      Seine Augen leuchteten.

      Er verhinderte die Mundwinkel nur mit Mühe, sich schon breit zu ziehen, ehe die bedeutende Nachricht ausgesprochen war.

      »Ihnen kann man also gratulieren, Herr Teufelrobert?«

      »Jawohl. Glückwunsch wird entgegengenommen.«

      »Wer ist denn noch vom Glück heimgesucht worden?«

      »Unser Chef ist Ministerialdirigent geworden und Casparius Regierungsrat.«

      »Das freut mich.«

      »Heute findet die Feier im Kollegenkreise statt. Ich lade Sie hiermit, auch im Namen des Kollegen Casparius, gebührend dazu ein. Wir treffen uns alle um sechs Uhr abends in der Weinstube.«

      »Wer kommt denn?«

      »Orient und Okzident; alles vom Assessor bis zum Ober, und natürlich Fräulein Hüsch. Der müssen Sie übrigens auch gratulieren. Sie ist eine Gehaltsgruppe höher gerutscht.«

      »Ausgezeichnet. Dann kann ich ja meine Tätigkeit als Kreditinstitut ohne Skrupel etwas einschränken.«

      »Grevenhagen und Nischan sind eingeladen. Vielleicht lassen sie sich mal blicken, aber das wird kurz und schmerzlos vorübergehen. Nischan ist sitzengeblieben, er spuckt natürlich Gift und Galle. Grevenhagen ist ihm jetzt endgültig übergeordnet, wie sich das der Abstufung der Intelligenz entsprechend gehört. Übrigens, wissen Sie schon das Neueste? Es wird ein drittes Referat geschaffen. Ein Ministerialrat Thugut kommt in unsere Abteilung herüber, älterer Herr, er ist ungefährlich. Boschhofer muß doch eine Mehrzahl von Untertanen haben. Nur so als Punkt über der Pyramidenspitze Grevenhagen zu schweben steht ihm schlecht. Es wird also künftig drei Referate geben, zwei davon unter Grevenhagenscher Dirigentschaft, mit Nischan als Zwischeninstanz im Orient, und ein drittes selbständiges mit Thugut, und über allem thront Boschhofer.«

      Als Korts das Zimmer verlassen hatte, fing Wichmann an, 25 Buchstaben auf ein Blatt Papier zu malen. In Reihenfolge mußte er gratulieren? GrevenhagenHüschCasparius. Er hatte schon als Junge immer den weniger schmackhaften Teil der Speisen zuerst gegessen. Also auf zu Grevenhagen! Für seine eigene Karriere hatte der Mann ja gesorgt.

      Fräulein du Prel war auf die Gratulationscour heute schon eingestellt. Die Maschine war gedeckt, die Züge des Mädchens aber schienen offener und heiterer als sonst. Grevenhagen stand neben seinem Schreibtisch und nahm kurz und förmlich die Glückwünsche entgegen, die durch die einander ablösenden Glieder in der Kette der Gratulanten ebenfalls kurz und förmlich vorgebracht wurden. Wichmann war sehr bald in seinem Zimmer zurück und beschloß, Fräulein Hüsch aufzusuchen. Casparius, der Freund, hätte ja an diesem Tag auch zu ihm kommen können.

      Die Bibliothekarin war allein und freute sich über Wichmanns Aufmerksamkeit.

      »Ja, wissen Sie … endlich! Es war auch Zeit. Ich hab’ schon nicht mehr gewußt, wie ich aus den langfristigen, mittelfristigen, kurzfristigen Krediten noch hinausschauen soll. Fünfzig Reichsmark mehr im Monat ist auch nicht viel, aber doch wenigstens das Dringendste. Stellen Sie sich übrigens vor, Grevenhagen hatte mich doch wirklich nicht vorgeschlagen, sondern die Sache kaltschnäuzig auf Boschhofer geschoben. ›Die Bibliothek Abteilungssache‹, hat er geschrieben. Was soll man dazu sagen?«

      »Was sagen Sie selbst dazu?«

      »Ich? Hab’ meine Meinung schon vom Herzen. Ihm glatt ins Gesicht gesagt. Das ist immer das beste.«

      »Und sich mit ihm verkracht?«

      »Aber wieso denn? Das ist gar nicht möglich. Er ist wie Glas, an dem alle Tropfen ablaufen. Eine ganz dämliche Bemerkung über Dienstpflichten und Dienstauffassung hat er allerdings gemacht.«

      »Ihr Urteil über Grevenhagen und Boschhofer hat sich immerhin etwas geändert.«

      »Nicht von fern. Grevenhagen tanzt doch besser als Boschhofer und überhaupt – nein, da kennen Sie mich schlecht. Ich hab’ doch noch Geschmack. Sehen Sie, es gibt einen kitschigen Spruch: ›Gemeine Naturen zahlen mit dem, was sie tun, edle mit dem, was sie sind‹– und wenn nun Grevenhagen zehnmal nichts täte, er ist doch ein Mensch, der was vorstellt. Finden Sie nicht auch?«

      »Typisch weibliches Urteil. Sie lassen sich ruhig schlecht behandeln, wenn nur Ihre Kavaliersideale in irgendeiner Richtung befriedigt werden. Ist mir sehr interessant.«

      »Ein Glück, daß wir Frauen für das männliche Geschlecht immer interessant bleiben. Der Baier hat mir übrigens geschrieben.«

      »Der Baier? Unser Baier?«

      »Jawohl, unser Baier. Da staunen Sie auch, nicht? Ich glaube, ich habe den Brief da« – Fräulein Hüsch suchte in ihrer Tasche und zwischen Akten und Illustrierten –, »nee, schad’, ich hab’ ihn doch zu Hause gelassen – also den müßten Sie lesen! Der ist nun wieder mir interessant!«

      »Eine Liebeserklärung?«

      »Die sonderbarste, die ich je bekommen habe! Er fühlt sein Seelenleben durch meine Gegenwart gefährdet. Meine Knie sind Sodom und meine Augen Gomorrha! Es sei ihm unerträglich, er müßte sich wegmelden, und im übrigen soll ich mich vor dem Pöschko in acht nehmen. Der sammle Material gegen mich. Mir ja schnurzegal.«

      »Rührend.«

      »Nicht? Ich hab’ den armen Baier auf sein Geständnis hin gestern halb wahnsinnig gemacht. Er hat sich gewunden wie ein Wurm. Seine Augen sind an langen Stielen herausgewachsen, dann ist er ruckartig verschwunden. Zum Piepen! Ja, die Liebe! So einfach ist’s damit nicht. Viel schwieriger als mit den Beförderungen. Finden Sie nicht auch?«

      »Aus Mangel an Erfahrung verlasse ich mich auf Ihr Urteil. Ist es das höchste Gefühl für eine Frau, einen Mann verrückt zu machen?«

      »Na, umgekehrt vielleicht nicht? Wenn man sie untereinander hörenkönnte. Die Herren der Schöpfung – wenn die von uns niederen weiblichen Kreaturen erzählen und wie sie uns Armen die Köpfe verdreht hätten, ohne auch nur den Finger zu rühren! Oder wie raffiniert wir seien und wie sie doch so gar nicht