Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in Österreich. Peter Scherrer

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Название Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in Österreich
Автор произведения Peter Scherrer
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783945751619



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erscheint bei der Heidenburg nicht nur ihr Erscheinungsbild als ein wildromantischer Ruinenort, auch die Deutungen mancher archäologischer Befunde wurden und werden bisher eher vom Zeitgeist und einer bestimmten Erwartungshaltung geprägt, als von sicherem Wissen bestimmt.

      Abb. 6 Die urgeschichtliche Wallanlage ist im Gelände über weite Strecken leicht zu verfolgen.

       Adresse

      Zugang von Göfis über die Etze, Heidenberg über die Bünt oder die Walgaustraße

       http://www.goefis.at/​

       http://wiki.imwalgau.at/wiki/​Heidenburg_G%C3%B6fis​

       Literatur

      G. Grabher, Die Höhensiedlung Göfis-Heidenburg, in: N. Hasler u. a. (Hg.), Im Schutze mächtiger Mauern. Spätrömische Kastelle im Bodenseeraum, Frauenfeld 2005, S. 98–101.

       Der Ort Fließ im Oberinntal war von der frühen Bronzezeit bis zum Eintreffen der Römer kontinuierlich besiedelt. Die Häuser standen relativ tief im Inntal, wo auch heute noch gewohnt wird. Hoch über der Siedlung aber thronte in 1.560 m Höhe auf dem Piller das zentrale Heiligtum der Region.

      04FLIESS UND DER PILLER SATTEL – HEILIGER RAUCH UND VERBORGENE OPFERGABEN

       Tirol

      Bis 1990 war das Oberinntal archäologisch ein (fast) weißer Fleck. In den folgenden 20 Jahren aber wandelte sich der an der von Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) angelegten Staatsstraße via Claudia Augusta liegende Bereich des Inntals zu einem der wichtigsten Fundgebiete Westösterreichs. Die von der Adria über den Reschenpass in das Nordtiroler Inntal, über Imst und Reutte in das Lechtal und weiter zur Donau führende Straße war die Schlagader der Provinz Raetien. Der Nordtiroler Bereich der Straße wird von der Universität Innsbruck in einem langfristigen Forschungsprojekt intensiv erforscht.

      In der bis dahin archäologisch völlig unauffälligen Ortschaft Fließ im Bezirk Landeck trat im Oktober des Jahres 1990 bei Aushubarbeiten auf dem Kathreinhof in 1,5 m Tiefe eine große Anzahl von Metallgegenständen zutage. Die Bauersleute sammelten alles ein und brachten es den Behörden zur Kenntnis: Damit begann eine fast einmalige Erfolgsgeschichte der Zusammenarbeit von suchenden Laien und bergenden bzw. grabenden Profi-Archäologen. Bereits 1992 wurde im Ort ein archäologisches Museum gegründet, das heute einen einmaligen Besitzstand vorzeigen kann.

      Der hallstattzeitliche Depotfund von Fließ ist mit insgesamt 386 Stück der größte Hortfund auf Nordtiroler Boden und deckt den Zeitraum von etwa 700 bis 550 v. Chr. ab. Neben 53 Beilen und Gefäßbruchstücken waren vor allem Tracht- und Schmuckteile wie Fibeln, Arm- und Fußreifen vertreten. Einen besonderen Stellenwert nehmen 38 zum Teil mit Sonnenbarken und Vogel- sowie Pferdemotiven verzierte Gürtelblechfragmente ein – mehr, als bisher in ganz Mitteleuropa gefunden wurden. Sie gehörten zur Tracht vornehmer Damen und geben nach Meinung vieler Prähistoriker Auskunft über Glaubensvorstellungen der älteren Eisenzeit.

      Abb. 7 Bronzenes Gürtelblech aus dem hallstattzeitlichen Schatzfund von Fließ mit Darstellung einer Sonnenbarke.

      Während im Fließer Zentrum im Jahre 2000 und im Ortsteil Silberplan noch 2007 prähistorische Häuser durch Bauarbeiten völlig zerstört wurden, konnte ab 2011 beim Bau des neuen Gemeindezentrums eine Reihe von Häusern der Hallstatt- und Latènezeit (8.–1. Jh. v. Chr.) sorgfältig ausgegraben und ein sog. Raetisches Haus in einem Tiefgaragenbereich zugänglich konserviert werden. Nach den bisherigen Vorberichten lässt sich Folgendes rekonstruieren: Das in seiner älteren Phase ca. im späten 6. oder 5. Jh. v. Chr. errichtete, ungefähr 0,6–1,2 m in den Lehmboden eingesenkte Gebäude weist die typischen Merkmale dieses in Tirol häufigen Haustyps auf. Der Innenraum ist etwa quadratisch mit bis zu 8 m lichter Weite. Den Zugang bildet ein gewinkelter, aus mächtigen Steinschlichtungen gebildeter Korridor. Ungewöhnlicherweise besitzt das Gebäude aber an der Ostwand von Süden her einen zweiten Zugangskorridor. Das Untergeschoss wird größtenteils von einem Raum mit dicken Steinmauern eingenommen, auf dessen Fußboden in einer Reihe drei Steinplatten als Unterlagen für die Stützen der Holzdecke des Obergeschosses erhalten geblieben sind. Der Raum weist außerdem einen wasserdichten Verschlag (Seitenlänge ca. 1,2 m) aus lehmverschmierten Steinen und eine große Grube auf, neben der bei der Ausgrabung eine höchst bemerkenswerte Bestattung zutage kam.

      Abb. 8 Das raetische Haus in Fließ (Tiefgarage im Gemeindezentrum) während der Konservierungsarbeiten (Winter 2015).

      Diese Bestattung war nach einer Brandzerstörung (Radiocarbondatierung zwischen 380 und 200 v. Chr.), aber vor der Wiederherstellung des Hauses vonstattengegangen und betraf einen etwa 40–50-jährigen Mann von 1,60 m Körpergröße und kräftiger Statur. Mögliche Todesursache waren schwere Verletzungen am Kinn und Hinterhaupt, während ebenfalls rund um den Todeszeitpunkt erfolgte Frakturen an den Schienbeinen und dem rechten Wadenbein mit Kampfverletzungen oder Folter erklärt werden können, kaum aber als postmortale Folgen der Niederlegung in einer Grube von nur 1,35 m Durchmesser. Man mag sich in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass die Römer gekreuzigten Verbrechern die Unterschenkel zerschlugen, womit ein Entkommen bzw. Überleben auch ohne Bewachung wegen der bald einsetzenden Embolien unmöglich wurde. Sonst wurden in der Grabgrube nur einige Tierknochen gefunden. Da normalerweise die Raeter ihre Toten verbrannten und keinesfalls in Häusern bestatteten, dürfte die Bestattung eventuell als ritualisierte Bestrafung erfolgt sein. Dafür spricht auch, dass das Gebäude sonst völlig leergefegt war; lediglich ein Schafsknöchel (Astragal), in der Antike für magische Zwecke wie Weissagungen benutzt, lag auf dem Fußboden. Die Grabgrube wurde mit Steinen dicht abgedeckt, dann wurde das Haus mit Brandschutt gefüllt und ein neuer Fußboden verlegt, ehe es bis mindestens in das 2. Jh. v. Chr. weiterbenutzt wurde. Zu ergänzen bleibt, dass die Wohnungen immer in einem Obergeschoss lagen, während die Halbkeller meist als Vorratsräume oder Stallungen dienten.

      Abb. 9 Der Brandopferplatz auf der Pillerhöhe, Zustand nach Abschluss der Ausgrabungen mit der „Skulpturenprozession“.

      Im Jahre 1991 entdeckten zwei Fließer Bürger an der 1.560 m hoch gelegenen Passhöhe des Piller Sattels, etwa 6 km von Fließ entfernt, einen von der mittleren Bronzezeit bis in die Spätantike benutzten Brandopferplatz, der systematisch ausgegraben und anschließend rekonstruiert wurde. Im Zentrum des Kultes stand der Aschenhügel, der schlussendlich einen Durchmesser von 12 bis 15 m und eine Höhe von 2,5 m erreicht hatte. Er bestand ausschließlich aus der Asche des Brennholzes, den Knochen der Opfertiere und den übrigen Opfergaben. Im Erdreich westlich des Aschehügels befindet sich der eigentliche Altar (3 × 3,5 m). Heute stellt der Bereich ein beliebtes touristisches Ziel dar: Eine moderne Skulptur beim Hauptaltar dient als Landmarke und Darstellungen einer der Hallstattzeit nachempfundenen Prozession von Bronzefiguren umkreisen den neu aufgeschütteten Brandopferaltar in einer beeindruckenden landschaftlichen Kulisse hoch über dem Inntal.

      Die am Aschenaltar verbrannten Opfergaben veränderten sich im Laufe der langen Nutzungsdauer. Vom 15. bis in das 5. Jh. v. Chr. wurden vor allem die ungenießbaren Teile von Rindern, Schafen und Ziegen geopfert, deren Fleisch offensichtlich im Rahmen von Festmählern der Kultgemeinde verzehrt wurde. Ab dem 6. Jh. v. Chr. lösten zunehmend wertvolle Sachgüter wie Schmuck, Trachtbestandteile, Werkzeuge und Waffen die Tieropfer ab. Dabei wurden statt echter Waffen