Название | Nachgelassene Schriften / Feindanalysen |
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Автор произведения | Herbert Marcuse |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783866743526 |
Auf eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen OSS-Mitarbeitern schon vor ihrer Zeit in Washington, also in den Jahren 1936 - 1942 in New York, deuten zwei Manuskripte hin, die eine gemeinsame Autorenschaft von Neumann und Marcuse aufweisen: A History of the Doctrine of Social Change und Theories of Social Change.6 Beide Manuskripte befinden sich im Marcuse Archiv und wurden von Douglas Kellner in dem Band Herbert Marcuse. Technology, War and Fascism publiziert. Es ist allerdings nicht eindeutig geklärt, wann und in welchem Zusammenhang diese Arbeiten erstellt wurden. Kellner äußert die Vermutung, sie seien Ende der dreißiger oder zu Beginn der vierziger Jahre entstanden. Darauf deutet auch der unter den Namen angefügte Adressenvermerk »Institute of Social Research (Columbia University), 429 West 117th Street« hin.
Auch Staat und Individuum im Nationalsozialismus verdankt sich daher sehr wahrscheinlich diesem Arbeitszusammenhang. Doch für welchen Kontext erarbeitete Marcuse den Text? Rolf Wiggershaus verweist auf eine Vorlesungsreihe des Instituts an der Columbia University im Oktober 1941. »Auf die Aufforderung von Pollock hin beteiligte er (Marcuse, P.E.J.) sich mit einem Vortrag über State and Individual under National Socialism an der Vorlesungsreihe des Instituts in der Extension-Abteilung der Columbia University«.7 Neben Marcuse waren noch Gurland, Pollock, Neumann und Kirchheimer an den Vorlesungen beteiligt. Eine geplante Buchveröffentlichung der Beiträge scheiterte. Wir möchten die Veröffentlichung von Marcuses Vortrag in deutscher Sprache hiermit nachholen, obwohl es keine direkte Analyse für das OSS war. Die nun zahlreich vorliegenden Veröffentlichungen aus dem Bestand des OSS hat die Erkenntnisse über das angesammelte und gleichzeitig »verstoßene Wissen« der europäischen Exilanten während des Zweiten Weltkriegs erweitert.8 Detlev Claussen hat seine Einleitung überarbeitet und diskutiert diese Neuerscheinungen und die öffentlichen Reaktionen darauf. Ihm danke ich besonders für seine erneute Mitarbeit.
Zum Konzept der Nachlaßausgabe gehört es, gelegentlich Schriftstücke aus dem Archiv zu faksimilieren oder Fotos abzudrucken. Leider befinden sich so gut wie keine Bilder im Marcuse Archiv. Umso erfreulicher ist es, daß nach einigen Recherchen der Bildbestand etwas vergrößert werden konnte. Dazu gehören auch Kinderfotos von Herbert Marcuse und seiner Schwester Erna, die hier erstmals abgedruckt werden. Nicht nur für dieses großzügige Entgegenkommen möchte ich mich bei Peter Marcuse und seiner Familie bedanken.
Peter-Erwin Jansen
im April 2007
Nachweise und Anmerkungen
Rezensionen erschienen in allen großen Printmedien, Fernsehberichte im Hessischen Rundfunk und 3 Sat. Wolfram Stender schrieb im Mittelweg: »Feindanalysen ist ein Buch von nicht nur dokumentarischem Wert. Marcuses Studien über die Deutschen lesen sich über weite Strecken wie ein Beitrag zur aktuellen Diskussion über Hitlers willige Vollstrecker. Das Buch kommt zur rechten Zeit. Es widerlegt das mittlerweile gängige Vorurteil, die Kritische Theorie habe die nazistische Gegen-Ratio einseitig auf dem Konto von moderner Ökonomie und rationaler Bürokratie verbucht. Marcuse argumentiert differenzierter.« Wolfram Stender, Rezension, Feindanalysen. Über die Deutschen. In: Mittelweg 36, Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Juni/Juli Heft 3, 1998, Dokumente S. 2.
Herbert Marcuse, Nachgelassene Schriften. Band 1: Das Schicksal der bürgerlichen Demokratie. Herausgegeben und mit einem Vorwort von Peter-Erwin Jansen. Einleitung Oskar Negt. Aus dem Amerikanischen von Michael Haupt, Lüneburg 1999.
Auszüge daraus erschienen in der TAZ, 13. 10. 2000, S. 16 - 17.
Franz Neumann, Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933 - 1944, Köln – Frankfurt am Main 1977.
Carl E. Schorske im November 1998 auf der Konferenz »The Legacy of Herbert Marcuse« an der University of California in Berkeley. Zur Arbeit Marcuses und der Gruppe um Neumann im OSS siehe auch: Peter-Erwin Jansen, Deutsche Emigranten in amerikanischen Regierungsinstitutionen. In: Zwischen Hoffnung und Notwendigkeit. Texte zu Herbert Marcuse. Peter-Erwin Jansen und Redaktion Perspektiven (Hg.), Frankfurt/Main 1999, S. 39 – 59.
Veröffentlicht in: Herbert Marcuse, Technology, War and Fascism. Douglas Kellner (Hg.), New York 1998.
Rolf Wiggerhaus, Die Frankfurter Schule. Geschichte. Theoretische Entwicklung. Politische Bedeutung, München 1986, S. 332 ff.. Siehe auch den einleitenden Kommentar zu Staat und Individuum im Nationalsozialismus.
Vgl. Christof Mauch, Schattenkrieg gegen Hitler. Das Dritte Reich im Visier des amerikanischen Geheimdienstes, 1941 – 1945, Stuttgart 1999; Saul K. Padover, Lügendetektor. Vernehmungen im besiegten Deutschland 1944/45, Frankfurt/Main 1999; Stefanie Middendorf, »Verstoßenes Wissen«. Emigranten als Deutschlandexperten im OSS und im amerikanischen Außenministerium 1943 – 1995, in: Neue Politische Literatur 46, Frankfurt 2001. Carl Zuckmayer, Geheimreport. Gunther Nickel und Johanna Schrön (Hg.), Göttingen 2002; Heike Bungert u. a. (Hg.), Secret Intelligence in the Twentieth Century. Foreword by Nigel West, New York 2003; Lucas Delattre, Fritz Kolbe. Der wichtigste Spion des Zeiten Weltkriegs, München 2004; Carl Zuckmayer, Deutschlandbericht für das Kriegsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika, Gunther Nickel, Johanna Schrön, Hans Wagner (Hg.), Göttingen 2004.
Einleitung
Kopf der Leidenschaft Herbert Marcuses Deutschlandanalysen
von Detlev Claussen
»Krieg den deutschen Zuständen! … Mit ihnen
im Kampf ist die Kritik keine Leidenschaft des
Kopfs, sie ist der Kopf der Leidenschaft.«
Karl Marx 1844
Mit welchen Augen man eine Flaschenpost liest, hängt vom Zeitpunkt ab, an dem die Flasche entkorkt wird. Lange Zeit waren die Studien zum Nationalsozialismus, die kritische Theoretiker im Exil unternommen hatten, verschwunden. Der Ende der vierziger Jahre nach Deutschland zurückgekehrte Max Horkheimer wollte die