»Action!« im Traunsee-Märchenland. Christa Mühl

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Название »Action!« im Traunsee-Märchenland
Автор произведения Christa Mühl
Жанр Юмористическое фэнтези
Серия
Издательство Юмористическое фэнтези
Год выпуска 0
isbn 9783960087885



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Orth ist doch die Fernsehserie. Die drehen diese Filmlinge da unten seit etlichen Jahren.“

      „W-w-was sind denn F-f-filmlinge?“, wollte nun Miss Molly wissen.

      „Eine besondere Spezies der Menschenwichte“, antwortete Kranawitha und winkte ab. Was immer das zu bedeuten hatte.

      „Wovon ich rede, das geschah in alter Zeit. Das ist so lange her, da gab’s weder Fernsehen noch anderen Schnickschnack dieser Art.“

      Erla ließ also ein Schloss auf die Insel bauen und wollte mit seiner smarten Nixe drin wohnen. „Er schaute zufällig mal in den Traunsee – wie in einen Spiegel. Da wurde ihm schlagartig klar, dass er fürchterlich hässlich war! Und viel zu groß, er passte gar nicht durchs Schlosstor!“, juchzte Miss Molly. Ausnahmsweise ganz und gar ohne Stotterer.

      „Und da hat ihn unsere barmherzige Freundin Kranawitha in einen stattlichen Ritter Größe XL verkleinert!“

      So zogen Erla und Blondchen als seliges Paar ins Schloss Ort ein. Wie glücklich sie dort lebten, kann man in sämtlichen Märchenbüchern aus dieser Gegend hier nachlesen. Vielleicht haben sie es ja ein bisschen übertrieben. Jedenfalls ahnten die beiden nicht, dass ihre Dauerhochzeit nur einen Sommer währen sollte. Das hatte wohl etwas mit der schlechten Konstitution von Nixen zu tun. Blondchen wurde krank und starb, als es Herbst geworden war, in Erlas Armen. Und er verwandelte sich zurück in einen Riesen. Traurig auf immer meißelte er ihre wunderschönen Formen und ihre edlen Gesichtszüge in den Stein seines Berges. Die da unten nennen den Erlakogel seither „Schlafende Griechin“ – hahahaha – weil sie nicht wissen, dass der Berg eigentlich „Schlafendes Blondchen“ heißen müsste! Das Lachen erstarb auf Kranawithas Lippen. Die sieben Geisterfrauen schwiegen betroffen.

      Die Gastgeberin wischte sich eine Träne aus dem linken Augenwinkel. „Unter uns Klosterschwestern“, sagte sie, „ich will mal aus dem Nähkästchen plaudern: Das konnte niemand mit ansehen, wie der Erla gelitten hat. Da hab ich ganz oben angefragt, und daraufhin haben die sich tatsächlich entschlossen, wenigstens einmal in hundert Jahren ein Wiedersehen zu erlauben. Erla konnte es nicht fassen: Alle hundert Jahre durfte er sein geliebtes Blondchen für eine Vollmondnacht in die Arme schließen. Und so geschah es auch. Einmal pro Jahrhundert Liebesnacht am Laudachsee.

      „W-w-wieso am L-l-laudachsee?“, fragte Miss Molly. Die Nixe war doch in ihrem Sarg von den Zwergen im Traunsee versenkt worden. Das hatte sie gerade noch einmal schnell in diesem kleinen roten Bändchen nachgelesen! Kranawitha wusste auch darauf eine Antwort. In anderen Büchern stand geschrieben, dass der Sarg mit Blondchen gleich nach ihrem Tod von den Zwergen zum Laudachsee gebuckelt und dort auf den Grund gelassen wurde.

      In Wirklichkeit aber war es so: Blondchen lag in ihrem Sarg im Traunsee. Hundert Jahre nach ihrem Tod, also beim ersten Wiedersehn mit Erla, fragte die Nixe, ob sie nicht umziehen könnte mit ihrem Silbersarg. Sie wollte wieder in ihre alte Heimat, in den Laudachsee zurück. Das konnte man verstehen. Denn schließlich ist der Traunsee mit seinen 191 Metern der tiefste See Österreichs. Und wahrscheinlich am Grunde noch viel kälter als oben am Ufer.

      Die Geisterdamen, die auch ziemliche Frostbeulen waren, nickten. Ja, das konnte man wirklich verstehen. Erla sorgte also damals für den Umzug.

      „Und wie kam es nun zu dieser 24-Stunden-Regelung?“ Röslein konnte es kaum aushalten vor Ungeduld.

      Kranawitha berichtete, dass der Riese nach dem letzten Wiedersehen gewaltig protestiert hatte. Was war eine einzige Nacht? Er wollte wenigstens noch einmal mit seiner Liebsten in das Schloss, dass er für sie bauen ließ. Alles anschauen bei Tageslicht. Einmal mit einer goldenen Kutsche hinausfahren und ihr die schöne Gegend zeigen! Dazu waren sie wohl zu Blondchens Lebzeiten nicht gekommen, weil sie anscheinend nur im Bett lagen. Na gut, dagegen konnte man nichts einwenden. Aber auch gegen den Wunsch Erlas war nichts zu sagen. Goldene Kutsche und ein fotogenes Liebespaar, das würde sicher auf den hiesigen Fremdenverkehr großen Eindruck machen!

      Also dehnte man das nächste Rendezvous der beiden großzügig auf einen Tag und eine Nacht aus. Erla war vor Freude wie von Sinnen. Er wollte die Zeit nutzen und bereitete rund um die Uhr dieses 24-Stunden-Fest vor. Irgendwann war alles getan – aber 100 Jahre noch lange nicht um. Der Riese wusste nicht, wie er die Warterei aushalten sollte. So jammerte er von früh bis spät und beklagte sich schließlich bitter bei Kranawitha. Aber sie konnte ihm da nicht unter die Arme greifen.

      Die Zeit brauchte nun mal ihre Zeit, um zu vergehen.

      Erla wandte sich an Rötel, den Zwergenkönig. Der war immer mit irgendetwas beschäftigt, sozusagen ein begeisterter Heimwerker.

      Und er hatte ein außerordentlich fleißiges Völkchen hinter sich. Bei ihm war der liebeskranke Riese an der richtigen Adresse. Rötel setzte ihm allerhand Flausen in den Kopf. Natürlich konnte man mit Erfindergeist und Handwerkergeschick etwas tun, um dem Lauf der Zeit sozusagen auf die Sprünge zu helfen. Erla in seiner Verzweiflung verstand nicht, worauf Rötel hinaus wollte. Der Zwergenkönig erläuterte seine Idee.

      Man müsste eine Zeitverkürzungsmaschine bauen.

      Der Riese gab sofort zu, dafür viel zu dämlich zu sein. Aber wenn Rötel das übernehmen könnte – er würde ihm jeden Wunsch erfüllen. So begann der Zwergenkönig auf der Stelle mit der Konstruktion besagter Maschine und der Aufstellung eines ellenlangen Wunschzettels.

      Wenig später rückte er mit Zeichnungen und Liste bei Erla an. Dem Riesen wurde ganz anders, als er die komplizierten Baupläne für die Maschine sah. Auch mit den vielen Wünschen hatte er so seine Probleme. Aber was sollte er tun? Er versprach also, es würde alles so geschehen, wie Rötel es vorschlug.

      Der ließ sich für einige Wochen mit seinen Zwergen in Erlas Höhle nieder. Der Riese half bei der Materialbeschaffung und betätigte sich, wo er konnte, als Hilfsarbeiter. Außerdem schleppte er Essen und Trinken für das kleine Völkchen heran und bediente die Zwerge. Das war, zu Erlas Ärger, ein Punkt auf Rötels Wunschliste.

      Die Geisterdamen hingen gespannt an Kranawithas Lippen. Die war sich der Wirkung ihres Berichtes voll bewusst und machte eine Pause. Sie trank ein Schlückchen aus ihrem Schnapsglas. Die Geisterdamen ebenfalls. Zufrieden bemerkte Kranawitha, dass sich bei einigen bereits eine leichte Blaufärbung zeigte …

      Sie holte tief Luft und setzte ihren Bericht fort: Eines Tages also war die Arbeit geschafft und die Maschine fertig. Erla richtete für Rötel und seine Leutchen eine große Einweihungsfeier aus. Auch das stand auf dem Wunschzettel. Das Fest sollte drei Tage und drei Nächte dauern. Als es endlich zu Ende war, setzte der Zwergenkönig die Maschine in Betrieb. Bevor er sich mit seinen Kleinen wieder verzog, musste ihm Erla versprechen, immer nur ein bisschen an der Kurbel zu drehen. Keine Übertreibungen! Rötel wollte schließlich keinen Ärger bekommen.

      „Und nun, ihr Lieben, überlegt mal. Ist es nicht so, dass alle Menschen unentwegt jammern und klagen: Die Zeit rennt von Jahr zu Jahr schneller dahin?“ Alle nickten. Genau. Selbst die Geisterdamen verspürten hin und wieder das Dahinrasen der Zeit. Immer schneller und schneller verging sie.

      „Der Erla draht an seinem Rad!“ „Dreht!“ fügte Fräulein Spitz, eine der anwesenden Geisterdamen, spitz ein. „Nicht jeder hier spricht Dialekt!“

      Kranawitha verdrehte genervt die Augen und setzte ihren Bericht fort. „Der Riese hatte zwar versprochen, das geschickt zu tun, damit es nicht so auffällt. Aber manchmal, wenn er es gar nicht mehr aushalten konnte, heulte er derartig und drahte oder drehte einfach ein bisschen schneller.“ Er heulte übrigens immer öfter. Das war auch an diesem dauernden Regenwetter zu merken …

      „B-b-blödsinn!“ Miss Molly war überzeugt, dass ihnen Kranawitha ein Märchen erzählt hatte. Zwar unterhaltsam und ganz nett, aber jeder wusste doch, wie das damals mit Erla ausgegangen war. Sie tippte auf das kleine rote Büchlein. „Der R-r-regen kann nicht von unten nach oben r-r-regnen! Der Erla hat sich s-s-seinerzeit in den Tr-tr-traunsee gestürzt, nachdem er bildhauerisch tätig war. Das steht nicht nur in diesem Märchen, das hab ich d-d-damals selbst im S-s-sagen-Kurier gelesen.“ „Man darf nicht alles glauben, was in der Zeitung steht“, erwiderte Kranawitha milde. Außerdem war ihr