Exodus. Ben B. Black

Читать онлайн.
Название Exodus
Автор произведения Ben B. Black
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783957770233



Скачать книгу

haben wir die Beine in die Hand genommen und sind aufs Geratewohl in Richtung Eden losgetappt. Das war ein Riesenfehler.«

      »Hätten wir bei diesem größenwahnsinnigen Irren bleiben und warten sollen, bis er uns alle zu Zombies macht?«

      Aus Marions Augen schossen jetzt förmlich Blitze in meine Richtung, und ich konnte regelrecht sehen, was sie nicht aussprach: »Hätte es dir besser gefallen, wenn wir alle so wie du geworden wären?«

      Das Misstrauen saß offenbar tief in ihr verwurzelt, aber mich wunderte ohnehin, dass Thilo und die anderen Jugendlichen es nicht teilten. Bei Lemmy konnte ich mir nie sicher sein, was er dachte oder auf wessen Seite er stand, trotzdem genoss er bei Marion wesentlich größeres Vertrauen als ich.

      Und dann war da noch Erich. Er hatte nicht gezögert, sich mit mir zusammen auf die Suche nach Jörg, Lemmy und den anderen zu machen. Seine Motive lagen dabei mehr oder weniger offen: Verliebt bis über beide Ohren besaß er nur noch Augen für Marion. Nun, sollte er, immerhin misstraute er mir nicht – oder falls doch, verbarg er es sehr, sehr gut.

      »Ich rede doch gar nicht davon, dass wir uns dem Major anschließen sollen«, stellte ich klar. »Falls du es schon vergessen haben solltest: Ich hatte ebenfalls schon das Vergnügen mit diesem Durchgeknallten. Teil seiner Gefolgschaft zu werden, lag für mich nie im Bereich des Denkbaren. Weshalb ich mich damals auch sehr schnell wieder dort vom Acker gemacht habe, und zwar deutlich schneller, als ihr das geschafft habt.«

      »Beruhigt euch doch mal, Mädels.« Erich machte mit den Händen eine Geste, die uns beschwichtigen sollte. »Wir müssen zusammenhalten, da ist keinem damit gedient, wenn wir uns gegenseitig unterschwellige Vorwürfe an den Kopf werfen, oder?«

      »Das nennst du unterschwellig?«, brauste Marion auf, und die Blitze aus ihren Augen trafen nun auch den blonden Hünen. »Also mir war sofort klar, was Sandra damit ausdrücken will. Dir etwa nicht?«

      »Sie hat es sicher nicht so gemeint. Wir sind alle ein wenig überreizt, was aber auch kein Wunder ist, oder?«

      »Bist wohl neuerdings unter die Hobbypüschologen gegangen, wie?« Lemmy sah den anderen mit einer Mischung aus Belustigung und Sorge an. »Das wird unsere Damen aber nicht beeindrucken tun, weißte?«

      »Wollen wir nicht lieber mal hören, was Sandra uns mitteilen möchte?«, ließ sich Thilo vernehmen, bevor wieder einer der Erwachsenen etwas sagen konnte. »Zanken könnt ihr danach immer noch, wenn ihr unbedingt wollt.«

      Das saß! Marion und ich senkten zeitgleich den Blick. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Lemmy und Erich grinsten. Obwohl Thilo gerade einmal knapp sechzehn Lenze zählte, bewies er in dieser Situation einmal mehr Führungsqualitäten, von denen wir Erwachsenen uns alle eine Scheibe abschneiden konnten.

      »Ihr gebt mir also recht? Fein.« Thilo nickte. »Also, Sandra, was ist denn der große Fehler, und welche Planänderung resultiert daraus?«

      Ich straffte mich und sah die anderen wieder direkt an. »Wie ich schon sagte, der Fehler besteht darin, dass wir uns zu weit von der Armee des Majors entfernt haben.«

      Marion wollte etwas erwidern, doch Erich legte ihr die Hand auf den Oberarm, und sie klappte den eben geöffneten Mund wieder zu.

      »Auf diese Weise bekommen wir nicht mehr mit, was er vorhat«, fuhr ich fort. »Nach dem, was Lemmy über ihn erzählt hat, ist nicht auszuschließen, dass der Major sich ebenfalls in Richtung Eden aufmachen wird.«

      »Woran wir ihn wohl kaum hindern können«, nuschelte Marion.

      »Aber wir könnten versuchen, die Pilger zu warnen, falls der Major und seine Leute ihnen zu nahe kommen. Das würde ihre Chancen, sich rechtzeitig zu verstecken und unentdeckt zu bleiben, drastisch erhöhen. Findest du nicht?«

      »Vielleicht. Genau kann man das erst sagen, wenn es soweit ist.«

      »Was soll’n’wa also machen tun?« Lemmy sah mich aufmerksam an. »So deiner Meinung nach, mein ich.«

      »Wir müssen zu diesem Einkaufszentrum zurück und dort Beobachtungsposten beziehen. Wenn der Tross weiterzieht, sehen wir, wohin sie sich wenden. Wenn sie nicht nach Süden gehen, ist alles in Ordnung, und wir können unseren Marsch nach Eden fortsetzen.«

      »Und wenn nicht?« Mit einem Mal war alles Schnoddrige aus Lemmys Stimme verschwunden, und seine Augen taxierten mich.

      »Wenn nicht, müssen wir in ihrer Nähe bleiben, damit wir die Pilger gegebenenfalls rechtzeitig warnen können.«

      »Und falls der Major schon weitergezogen ist?« Erich kratze sich nachdenklich im Nacken. »Willst du sie dann verfolgen?«

      »Haben wir eine andere Wahl?« Während ich sprach, wurde ich immer lauter. »Nein, die haben wir nicht! Wir alle haben geschworen, auf die Kinder aufzupassen, zur Not unser Leben für sie zu opfern. Also sollten wir auch genau das tun!«

      Auf meine Worte folgte eine Stille, die schwer auf dem kleinen Raum lastete. Schließlich war es Marion, die zu meiner Überraschung als Erste wieder sprach: »Du hast recht, und es tut mir leid, dass ich dich so angegangen bin. Jörg wird zwar alles tun, was in seiner Macht steht, um den Major daran zu hindern, für die Pilger zur Gefahr zu werden, aber vielleicht ist das nicht genug.«

      »Genau«. Erich nickte. »Wir müssen so etwas wie die fernen Wächter der letzten Pilger nach Eden werden, damit diese eine reelle Chance haben, Eden zu erreichen, ohne in die Fänge des Majors zu geraten. Außerdem müssen wir verhindern, dass Bane und seine Truppe nach Eden gelangen, denn andernfalls ist auch das kein sicherer Ort mehr. Wir müssen also den Major und seine Armee der neuen Ordnung im Auge behalten.«

      »Klingt, als hätten’wa ’nen Plan.« Lemmy nickte nun ebenfalls. »Dann lasst uns ma’ aufbrechen tun. Der Sturm is’ vorbei, und bisschen Weg hamm’wa noch vor uns.«

      ***

      »Dort vorne, das sieht gut aus.« Marion deutete auf ein Haus, das einsam am Waldrand stand. »Scheint verlassen zu sein.«

      Hinter der Gruppe lag ein zweitägiger Gewaltmarsch, der sie wieder relativ nahe an das Einkaufszentrum herangeführt hatte, wo sie den Major und seine Leute vermuteten.

      »Zumindest sind im Moment keine Knirscher in der Nähe«, informierte Thilo die anderen. »Im schlimmsten Fall halten sich in dem Haus also ein paar normale Menschen auf.«

      »Im schlimmsten Fall …« Marion sah den Jugendlichen von der Seite an. »Du tust ja gerade so, als ob es etwas Schlechtes wäre, normal zu sein.«

      »So habe ich das doch gar nicht gemeint. Es war nur … es war nur …«

      »Ist schon gut, Junge.« Lemmy legte ihm seine Hand auf die Schulter. »Wenn Marion mal durchatmen tun tut, dann kommt sie selba drauf, wie du’s gemeint hast.«

      »Glaubt ihr wirklich, dass hier noch jemand am Leben ist?«, fragte ich. Irgendwie schien mir diese Vorstellung unpassend zu sein.

      »Wir werden es herausfinden.« Marion wirkte jetzt sehr entschlossen. »Das Haus ist für unser Vorhaben ideal, zur Not müssen wir es eben requirieren.«

      Da geht wohl gerade der Kommisskopf mit ihr durch, dachte ich, zog es aber vor, es für mich zu behalten. Als ob man in diesen Zeiten noch irgendetwas requirieren konnte. Im Zweifelsfall nahm sich der Stärkere vom Schwächeren einfach das, was er brauchte. Und wenn es sich als nötig erwies, konnten wir verdammt stark sein …

      ***

      »Hallo? Ist da jemand?« Marion legte die Hand hinters Ohr und lauschte. »Jemand zuhause?«

      »Wie in einem schlechten Film«, witzelte Thilo, fing sich dafür aber einen strafenden Blick von Marion ein. »Ich meine ja nur. Ist doch irgendwie der Klassiker, dieses ›Ist da jemand?‹. Und in den ganz schlechten Filmen kommt daraufhin immer das Ungeheuer um die Ecke und bringt alle um.«

      »Tu’s ma’ nich’ beschreien tun, Jungchen.« Lemmy schüttelte missbilligend den Kopf.

      »Jetzt