Название | Kaufhausgeflüster und andere Geschichten |
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Автор произведения | Hannelore Crostewitz |
Жанр | Современная зарубежная литература |
Серия | |
Издательство | Современная зарубежная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957446640 |
Jetzt, so schien es, würde sie wohl zwischen einem eleganten braunen und einem sportlichen schwarzen Paar liegen. Weil sie sich inzwischen so unsicher geworden waren, blickten sie sich hilfesuchend nach einem Verkäufer um. Weit und breit aber konnten sie keinen erspähen! Schließlich sahen sie sich veranlasst, ja praktisch gezwungen, selbst nach einer Beratung suchen zu gehen. Dafür drehten sie sich abrupt um; und so gelang es ihnen nicht mehr, die eine jener zwei Verkäuferinnen zu bemerken, die gerade in diesem Moment ihre Abteilung betrat. Nein, ihre Blicke fingen nur den jungen, in elegantem Anzug und passgerechtem Krawattendessin wie zufällig daherkommenden Abteilungsleiter ein. Und schnurstracks setzten sie sich dorthin in Bewegung. Wie zu erwarten war, nahm er sich ihrer an. Offen und sofort bereit, begann er nun über die Vorteile beider Schuhmodelle aufzuklären. Das Ehepaar war erleichtert. Er wirkte auf beide kompetent, angenehm und locker. Für Sekunden kam es den Eheleuten sogar so vor, als wäre er seltsam von einem Geheimnis umwoben.
Die Verkäuferin war inzwischen vor Ort angelangt, widmete sich einem leeren Regal und begann, es aus daneben stehenden Kartons neu zu bestücken. Schon kurz darauf aber wurde sie hellhörig und beschloss, regelrecht neugierig geworden, das nun folgende Gespräch zu belauschen. Zwar war sie sich bewusst, dass sich solches Verhalten eigentlich nicht gehört, gleichzeitig aber ermutigte sie sich selbst damit, dass ihre Neugier keine banale sei, sondern eher eine überaus dringend notwendige, der Weiterbildung dienende.
»Wissen Sie überhaupt«, begann gerade der Abteilungsleiter, »wie erstaunlich ich es finde, dass Sie gleich als erstes unsere diesjährigen Messeneuheiten entdeckt haben! Die Schuhe, die Sie hier aufstöberten, sind nämlich heute Morgen erst eingetroffen. Es scheint, Ihre Vorauswahl birgt geradezu ein fachmännisches Können.« Und dabei huschte ein solch charmantes Lächeln über sein Gesicht, das sofort jeden Zweifel an der Aufrichtigkeit seiner Feststellung überwand. »Mit Vergnügen kann ich Ihnen diese Schuhe offerieren! Und ehrlich gesagt …«, fügte er fast flüsternd hinzu, »… bin ich sogar stolz darauf! Sie aber werden es in der Praxis dann noch erleben: Nicht umsonst entscheidet man sich für ansprechende Schuhe, wenngleich sie auch etwas preisintensiver sind. Aber die Sache verwandelt sich allemal aufs Neue in Annehmlichkeit für Sie, nämlich in bequeme, lang zu tragende und gleichzeitig eben topmodische Schuhe.« Das unterstrich er liebevoll mit einer Geste, wobei er die Innenflächen seiner Hände sanft und langsam über das Leder hinweggleiten ließ. Dann, tief Luft holend, verkündete er weiter: »Wussten Sie eigentlich, dass unser Unternehmen schon immer als eines der ersten mit Besonderheiten handelt? Darin sind wir hier führend! Und das Leder Ihrer Schuhe darf sich zu Recht damit rühmen, kein gewöhnliches zu sein! Nach einem ganz speziellen technischen Verfahren wurde es hergestellt, dazu doppelt gespalten und demzufolge ist es anschmiegsamer und atmungsaktiver als andere. Diese neuartige Veredelung wird jetzt auf dem Markt unter der Bezeichnung ›biologisch gegerbtes Leder‹ geführt. Und ›biologisch‹ deshalb, weil es einzig nur mit natürlichen Stoffen aufbereitet und eingefärbt ist.«
Er schaute seinen Kunden erwartungsvoll ins Gesicht.
Anfangs verfolgte die Verkäuferin die Situation nur leicht berauscht, je mehr sie aber das Anspannen ihrer Muskeln spürte, desto mehr erregte sie sich. Unwillkürlich tastete sie sich Stück für Stück näher an ihren Leiter heran, der inzwischen anschaulich demonstrierte, was er bis eben nur in Worte gefasst hatte: Behände zog er den teuren Schuh des anschmiegsamen biologischen Leders erst kräftig in der Mitte; dann, als wollte er ihn wringen, an Hacke und Spitze und zum Schluss schnipste er den Schuh in alle erdenklichen Richtungen, als wäre dieses Kunststück das leichteste, was zu machen wäre. Und siehe: Das Wunder an Flexibilität war deutlich zu erkennen! So deutlich, dass es der Verkäuferin fast den Atem nahm! Aber das war noch nicht der Höhepunkt seiner Empfehlung. Der Abteilungsleiter jedenfalls blühte in solchen Gesprächen völlig auf, er schien gerade erst in seinem Element angekommen zu sein und verkündete frisch und fröhlich: »Ungewöhnlich ist ebenso, dass das Leder völlig wasserundurchlässig ist.« Diese Aussage schwungvoll bekräftigend, ließ er plötzlich und gekonnt in hohem Bogen Wasser aus einer Flasche rieseln – woher kam sie, war er ein Magier? – und völlig nass trieften sodann die Schuhe. Ein Wunder! Sie waren bis zum Bersten gefüllt! Erstaunlich aber war, dass sie vollkommen unverändert wirkten. Das wiederum sprengte jegliches Vorstellungsvermögen der frisch qualifizierten Verkäuferin! Und gerade noch gelang es ihr, die Schuhe, die in ihren Händen zu vibrieren begannen, ins Regal abzustellen. Für ein paar Sekunden herrschte rundum Stille! Weiter werdenden Auges stand alles gemeinsam die Zeremonie durch!
Staunend und dankbar für solche bildliche Aufklärung, bedurfte es für das Kundenpaar nun nicht mehr viel. In Begleitung des freundlichen Konsulenten, der so sichtbar um ihr Wohl bemüht war, wählte es schließlich noch einmal und diesmal ganz bewusst neue und trockene Schuhe aus. Mit zwei Paaren, einem braunen und einem schwarzen, verließ es nach dem Bezahlen und dem im Innersten sich anbahnenden Gefühl, fast beschenkt worden zu sein, kurz darauf das Warenhaus. All dies war schnell, zielsicher und überzeugt geschehen. Zum Glück. Denn es wäre für die Verkäuferin keine Minute länger auszuhalten gewesen.
»Herr Tiefenbach«, platzte es aus ihrem verdutzten Gesicht heraus. »Ich wusste überhaupt nicht, dass wir biologisch gegerbtes Leder führen!«
»Dem war bis eben auch nicht so«, verkündete dieser verschmitzt, sich in Gedanken neuen Aufgaben widmend, stolz gelassen weitergehend, aber nach wenigen Schritten zusteuernd auf eine elegante Dame, die zwar noch in einiger Entfernung, doch schon erkennbar unschlüssig vor einem Spiegel hin und her probierte.
Das Lachen
Unverwechselbar und eindringlich, so, wie die Blüten ihr volles Aroma entfalten und sich danach noch lange aus der Erinnerung zurückholen lassen, so lebte Jasmin ihren Namen. Ihr natürliches, beinahe allzu leichtes Auftreten konnte jeden bedachten Blick in einen Genuss verwandeln. Nahezu einem Bild glich die junge Frau! Anmutig, schlank und hoch gewachsen kam sie daher, federnd fast, begann bald hier, bald da das Leben zu streifen. Klare blaue Augen, die im Wechselspiel mit langen dunklen Haaren kokettierten, sprühten voll jugendlicher Lebenslust. Oder glänzten sie gar vor Erwartung? Ungewöhnlich füllig frisiert war sie, es schien, als wollte sie ihr Gesicht in den passenden Rahmen setzen. Außerdem fand ihre Wesensart überall schnell Gefallen. Leichter als vielen anderen Bewerbern war es ihr schließlich auch gelungen, in der Werbung eine Anstellung zu finden.
Zu voreilig? Nein. Weil sich bald herausstellte, dass sie auch für kreatives Gestalten wie geschaffen war und nicht nur über ein gutes Gespür verfügte, sondern ihr auf Anhieb auch passende Ideen in den Sinn kamen. Da Probleme ihr kaum etwas anhaben konnten und es auch an Einfällen nicht mangelte, gelang ihr meist, was sie sich vornahm und man konnte sagen: Sie ersann, begann und gewann.
»Ist wohl an der richtigen Stelle angelangt«, stellte Cordula fest. Zwei Wochen lang hatte sie Jasmin beständig beobachtet. Weil sie selbst unter weit schwierigeren Voraussetzungen eingestellt worden und von gleichem Alter war, konnte sie es schon darum nicht unterlassen, die Kollegin neugierig zu ergründen.
Jasmin verschenkte noch eine weitere Besonderheit: Die Aufgeschlossene war mit einem so breiten und lauten Lachen bedacht worden, dass es niemand einzudämmen vermochte. Wenn es sie überkam, durchdrang es weithin alle Räume, hallte, dass es eine Freude war, und steckte unwillkürlich jeden an! Es war fast ein Unding, solch ausgelassener Fröhlichkeit zu entkommen!
Nur in die jetzige neue Zeit schien es manchmal nicht recht zu passen. Da versuchte gerade der alte Sozialismus in die neue Marktwirtschaft zu gleiten, was vorher kaum denkbar war, und Arbeit zu finden glich beinahe einem Glücksspiel. Schlag auf Schlag schlossen immer mehr Läden, Betriebe und Institutionen. Ersatzweise schossen Westberater – pilzsporenähnlich – aus dem Boden; so auch in der Werbeabteilung dieses Kaufhauses. Hier arbeitete nicht nur ein Abteilungsleiter – wie üblich und ausreichend –, sondern gleich drei: nämlich der frühere aus dem Osten und zwei