Название | Der Ehrenmord |
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Автор произведения | Jan Eik |
Жанр | Зарубежные детективы |
Серия | |
Издательство | Зарубежные детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783955520021 |
Das alles ging Otto durch den Kopf, während er Max beobachtete, der vor dem Spiegel stand und sich Pomade ins Haar klatschte. «Was würdest du denn sagen, wenn sie tot wäre?»
«Na herzlichen Jlückwunsch!» Max drehte sich um und lachte unbekümmert. «Denn kannst du dir ja künftig um det Balg kümmern, Onkelchen.»
Er blieb vor Otto stehen. Die Zeiten, wo er dem Jüngeren mal ganz auf die Schnelle seine körperliche Überlegenheit bewiesen hatte, waren vorbei.
«Wo ist Hugo überhaupt?», fragte Otto.
«Mutta wirdn wohl mitjenomm’ ham bei de Wäsche.»
Max ging zur Tür, die aus dem Berliner Zimmer direkt ins Treppenhaus führte. «Wie kommsten überhaupt dadruff, det se nich mehr leben tut?»
«Sie haben heute morgen ’ne Wasserleiche aus dem Kanal gezogen. Eine mit langen blonden Haaren. ..»
«Ach du jrüne Neune!» entfuhr es Max. Das war sein einziger Kommentar.
SECHS
ES WAR EIN BÖSES ERWACHEN für Anton Gomolla, als die mollige Emmi plötzlich in panischer Hast ins herrschaftliche Schlafzimmer stürmte und ihn anschrie: «Du musst sofort verschwinden! Ab in die Küche und weg durch die Hintertür!»
«Was ist passiert?», erkundigte er sich und fuhr dabei vorsichtshalber schon in seine Hosen. So aufgeregt kannte er die eher phlegmatische Emmi gar nicht. Es musste einen triftigen Grund geben, ihn aus dem Paradies zu vertreiben, in dem er sich gerade wohl zu fühlen begann. Vor gut einer Woche hatte er das späte Mädchen kennengelernt, und vor drei Tagen war er endgültig bei ihr in der Achtzimmerwohnung geblieben, Beletage am Luisenufer mit Blick auf den Kanal. Wenn er sich aus dem Fenster lehnte, konnte er die Wanda an der Ufermauer erkennen. Aber er lehnte sich nicht aus dem Fenster. Niemand durfte merken, dass er sich hier bei Emmi eingenistet hatte, bis die Herrschaft aus der Sommerfrische in Heringsdorf zurückkehren würde.
«Die schicken vorher ein Telegramm», hatte Emmi ihn und sich selber beruhigt, und da das schmale Lager in ihrer niedrigen Dienstbotenkammer für zwei wirklich nicht ausreichte, waren sie der Bequemlichkeit wegen umgezogen ins eheliche Schlafzimmer des Herrn Professor und seiner Frau Gemahlin.
Die jedoch, beunruhigt von den sich täglich mehrenden Tartarenmeldungen über den bevorstehenden Krieg, beschlossen plötzlich und unerwartet und ohne es telegrafisch anzukündigen, die Heimreise anzutreten. Nun standen sie nebst ihrer gelangweilt den Sonnenschirm drehenden Tochter Mechthild, in wortreiche Verhandlungen mit dem Droschkenkutscher verwickelt, unten vor der Haustür. Der Mann verlangte für das Hinauftragen des umfangreichen Gepäcks glücklicherweise mehr, als der knickrige Herr Professor Nothnagel zu zahlen bereit war, sodass Emmi genügend Zeit blieb, den zeitweiligen Liebsten eilig durch Korridor, Küche und Hinterausgang zu bugsieren und im Schlafzimmer Laken und Kissen abzuziehen, als wäre sie beim Bettenbeziehen überrascht worden.
Die professoralen Verhandlungen waren zu keinem Ende gelangt, als Anton Gomolla über die gewendelte Hintertreppe und durch den Dienstbotenausgang im Hof das Haus verließ und sich aufrechten Ganges und mit einem höflichen Lüpfen seiner nicht ganz neuen Schiffermütze an dem Gepäckgebirge vor Haustür und Vorgarten vorbeischlängelte.
«Halt, junger Mann!», fuhr ihm die sonore Stimme des Professors ins Genick, gerade als er glaubte, der Gefahr endgültig entronnen zu sein. Einen Augenblick dachte er an Flucht, dann siegte seine angeborene Unerschrockenheit. Was wollte der ihm denn?
Herr Professor Nothnagel begehrte nichts anderes als seine Hilfe, und unter diesen veränderten Bedingungen war auch der Droschkenkutscher bereit, dem Gepäcktransport in den ersten Stock näherzutreten. Als Erstes wuchteten sie den schweren Reisekorb nach oben, wo die in der Tür auftauchende Emmi fast der Schlag traf, als sie Antons ansichtig wurde. Sein beruhigendes Augenblinzeln schien sie kaum wahrzunehmen.
Zwanzig Minuten später und um eine Mark reicher - wenig genug für die Schlepperei - schlenderte Anton gemächlich über die Oranienbrücke und näherte sich unaufhaltsam der Wanda, die im Licht der hellen Nachmittagssonne schwarz und nutzlos an der Kaimauer des Kanals lag.
Schwager Bruno stand im Heck und erklärte mit weit ausholenden Gebärden einem Fremden etwas, das offensichtlich das schmuddlige Kanalwasser betraf. Anton konnte es nur recht sein, dass da noch jemand anwesend war, so dass Bruno seinen ersten Zorn wohl oder übel würde zügeln müssen. Vielleicht, und das wäre die glücklichste Lösung, wollte der Mann ja auch eine Ladung in Auftrag geben. Obwohl der eigentlich nicht danach aussah. Er wirkte eher wie ein. .. «Cholera!» entfuhr es Anton, obwohl er sich geschworen hatte, nicht polnisch zu fluchen, um den Schwager nicht zusätzlich gegen sich aufzubringen. Aber wenn das kein verkappter Greifer war, dann hatte er, Anton Gomolla, noch nie einen gesehen.
Zur Flucht war es zu spät, denn Bruno hatte ihn längst entdeckt und wies jetzt mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf ihn, der sich vergeblich im Schatten der Bäume zu verkrümeln versuchte.
«Antek!», rief Bruno und schien erfreut über sein Auftauchen.
«Komm her, du wirst schon erwartet!»
So ein verräterischer Hund! Aber was wollte man von einem Deutschen und noch dazu einem Evangelischen anderes erwarten, und sei es der eigene Schwager? Er hatte seine Schwester von Anfang an vor dem gewarnt.
Mit einem flauen Gefühl im Magen schritt Anton über die schmale Planke an Bord.
Eigentlich hatte er ja ein fast reines Gewissen, von ein paar hoffentlich längst vergessenen Stückchen in der Heimat mal abgesehen. Hier in Berlin hatte er sich so gut wie nichts zuschulden kommen lassen, und die Sache mit Emmi schien auch gut ausgegangen zu sein. Also erst mal hören, was der junge Kerl überhaupt wollte.
Der kam gleich zur Sache, kassierte, eins fix drei, Antons zerlumpte Flebben und fragte: «Na, wo haben wir denn die letzten drei Nächte verbracht?»
Zwietasch, das falsche Aas! Musste dem Greifer brühwarm mitteilen, dass er nicht auf der Wanda geschlafen hatte. Als ginge ihn das was an! Am Ende würde der es auch in der Heimat rumerzählen, und die schwarze Maria würde Antek die Hölle heiß machen. ..
«Antworten Sie gefälligst!», fuhr Kappe den bedrippt vor ihm Stehenden an. Dass den das schlechte Gewissen plagte, sah ein Blinder mit dem Krückstock.
«Ja, also. ..», begann Gomolla langsam in seinem harten Deutsch, «das ist nämlich so. ..» Umständlich zog er die Mütze vom Kopf. «Ich habe da einige Landsleute begegnet und sie geholfen. Bei der Arbeit - Sie verstehen?»
Kappe nickte und wartete. Er war sich sicher, dass dieser Gomolla sich die Geschichte gerade erst ausdachte, weil er etwas zu verbergen hatte. Etwas, das mit dem toten Mädchen zusammenhing? Hatte er sie vor Tagen ermordet, war einfach abgehauen und jetzt in der Hoffnung zurückgekehrt, niemand hätte die Leiche gefunden? Zumindest nicht hier im Kanal, direkt hinter der Wanda? Andererseits hätte ein Schiffer eine Leiche wohl kaum unmittelbar neben dem eigenen Kahn ins Wasser geworfen. Auch an der Wanda hing eine Nussschale von Beiboot, mit dem Gomolla wenigstens ein Stück den Kanal hätte entlangstaken können. Außerdem gab Zwietasch an, den Schwager nie länger alleine auf der Wanda gelassen zu haben.
Kappe verfolgte Gomollas langatmig vorgetragene Ausflüchte nur mit halbem Ohr und unterbrach ihn schließlich: «Nun erzählen Sie mal - wie hieß denn die junge Frau, deretwegen Sie so plötzlich verschwunden sind?»
Antek starrte ihn offenen Mundes an. Wie konnte der etwas von Emmi wissen, die er doch erst vor ein paar Minuten verlassen hatte?
«Ich verstehe nicht, wen Sie meinen. ..», stotterte er.
«Oh, Sie wissen schon. So eine kleine, dralle Person. Noch ziemlich jung. ..»
Das klang nicht unbedingt nach Emmi. Drall war sie gewiss. So nannte man das hier. Aber jung? Antek schüttelte den Kopf.