Was würde Jesus tun. Markus Schlagnitweit

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Название Was würde Jesus tun
Автор произведения Markus Schlagnitweit
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783990406281



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      Daniela Feichtinger

      Markus Schlagnitweit

       Was würde Jesus tun

       Anregungen für politisches Handeln heute

      Inhalts

       Cover

       Titel

       Zum Beginn: Das christliche Kreuz verträgt keine Privatreligion

       Salz der Erde oder Ist Christsein überflüssig?

       Feinde lieben oder Wie man sich mit Wasser abtrocknet

       Wir und die Anderen oder Angst verrät Schwäche

       Feuer, nicht Frieden! oder Mut zum Konflikt

       Wer von euch ohne Sünde ist … oder Hat Jesus Asyl gewährt?

       Was ist gerecht? oder Die Ungerechtigkeit der Liebe

       War Jesus Marxist? oder Ein Loblied auf die Freunderlwirtschaft

       Besitzen oder besessen sein oder Die Ohnmacht der Reichen

       Staatsräson und Widerstand oder Auch Mehrheiten können irren

       Wer wagt, gewinnt oder Alles ist besser als Nichtstun

       Ostern muss gelebt werden

       Zum Schluss: Das Wichtigste in Kürze

       Impressum

       Anmerkungen

       Zum Beginn: Das christliche Kreuz verträgt keine Privatreligion

      Jesus starb am Kreuz. Es ist zum weltweit verbreiteten Symbol und Erkennungszeichen für das Christentum geworden – gleich welcher konfessionellen Prägung. Das Problem mit dem Kreuz ist, dass es – außer vielleicht in Klassenzimmern und sonstigen öffentlichen Räumen – kein Problem mehr ist. Stattdessen ein beliebtes Schmuck-Accessoire und Tattoo-Motiv, eine Landmarke zur Kennzeichnung von Berggipfeln, ein gefälliger Wandschmuck im trauten Heim oder ein mitunter sogar kunsthistorisch wertvolles Schauobjekt. Selbst im liturgischen Kontext vieler christlicher Kirchen findet es sich degradiert zum dekorativen Ornament: in zigfacher Ausfertigung auf Priesterstolen und Messgewändern, als Bortenstickerei auf Altartüchern und anderer liturgischer Wäsche. Die schiere Allgegenwart dieses Bildnisses bringt es mit sich, dass die eigentliche Realität und ursprüngliche Bedeutung des Dargestellten zur Nebensache verdampft. Bloßer Gewöhnungseffekt? Oder gar Verdrängungsstrategie?

      Die letztgenannte Vermutung ist so unbegründet nicht, denn der Sache nach stellt das christliche Kreuz alles andere denn eine Harmlosigkeit und seine Verehrung als religiöses Symbol eigentlich eine Verrücktheit und Zumutung dar. Was da millionenfach an Wände und um Hälse gehängt, auf Stoffe gestickt und kunsthandwerklich geschönt wird, ist und bleibt zunächst: ein Schand- und Marterpfahl – ein Galgen! Das haben frühere christliche Generationen offenbar deutlicher empfunden.

      Das Kreuz mit dem Kreuz

      Beinahe das gesamte erste Jahrtausend unserer Zeitrechnung über war nicht das Kreuz das gemeinsame Erkennungsmal der Christenheit, sondern etwa der Fisch, zuweilen auch der Weinstock oder der gute Hirte. Jahrhundertelang scheute man sich, das Kreuz überhaupt abzubilden, und die erste kunsthistorisch bekannte Darstellung des christlichen Kreuzes stammt dementsprechend nicht aus christlicher Hand – im Gegenteil: Es ist eine Karikatur aus der Zeit der Christenverfolgung zur Verspottung des christlichen Glaubens. Sie zeigt – in Stein geritzt – einen gekreuzigten Menschenkörper mit dem Kopf eines Esels! Davor stehen ein Mann und die Worte: „Alexamenos betet seinen Gott an.“ Der Christus-Glaube, verunglimpft als glatte Eselei!

      Die ersten christlichen Kreuzesdarstellungen datieren erst aus dem 6. Jahrhundert; aber auch sie zeigen vorerst nur die beiden überkreuzten Balken – noch ohne „Crucifixus“, also ohne den Körper des Gekreuzigten. Oft sind diese frühen christlichen Kreuze auch reich verziert mit Edelsteinen und wertvollen Kunstschmiede-, Schnitz- oder Steinmetzarbeiten, sind also eher österliche Siegeszeichen ohne Erinnerung an das damit in Zusammenhang stehende Leid. Die ersten christlichen Darstellungen des gekreuzigten Christus finden sich lediglich auf den Rückseiten der damaligen Prunk-Kreuze und blieben das ganze Jahr über verdeckt. Nur am Karfreitag wurden diese Kreuze umgedreht und zeigten so den darauf Gekreuzigten – aber nicht zur Verehrung, sondern eher zur Emotionalisierung, vielleicht auch zur Provokation. Hoffentlich aber auch zu dem Zweck, dem zu dienen das christliche Kreuz bis heute nicht aufhören darf: zur – politisch! – gefährlichen Erinnerung.

      Das Kreuz als politisches Fanal

      Denn genau das gehört unauslöschlich zur Gründungsgeschichte des Christentums, und das Kreuz ist gleichsam sein Brandmal: Die Kreuzigung war im römischen Justizsystem zur Zeit Jesu die für politische Aufrührer vorgesehene Hinrichtungsart. Ans Kreuz geschlagen wurden Personen, die als politisch gefährlich eingestuft und genau deshalb zum Tod verurteilt worden waren. Dafür spricht auch ein wiederkehrendes Motiv in den biblischen Überlieferungen der Leidensgeschichte Jesu: Jesus, der König. Schon am Beginn seines Leidensweges spielt dieses Thema eine zentrale Rolle: Der Einzug Jesu in Jerusalem wird geschildert wie ein königlicher Huldigungszug. Einige Tage später, bei der Einvernahme des verhafteten Jesus durch den römischen Statthalter Pilatus, fragt ihn dieser: „Bist Du ein König?“ Und ganz am Ende der Passion Jesu taucht das Thema erneut auf: Pilatus ließ am Kreuz über Jesu Kopf eine Tafel anbringen mit der Aufschrift „Jesus von Nazareth, König der Juden“. Ob das nun als Verhöhnung Jesu bzw. der jüdischen Bevölkerung gedacht war oder einfach als Begründung des am Kreuz vollstreckten Todesurteils – es bestätigt nur einmal mehr: Die Titulierung als „König“ macht Jesus eindeutig zu einer politisch relevanten Persönlichkeit – sowohl für seine Anhänger, die vielfach sehr handfeste Erwartungen in sein messianisches Königtum setzten, als auch für seine Widersacher in den Reihen des religiösen, sozialen und politischen Establishments jener Zeit. Sie sahen sich bzw. ihre Machtpositionen durch Jesu Auftreten und seine Botschaft gefährdet und infrage gestellt. Vermutlich wurden auch viele seiner ursprünglichen Anhänger nur wenig später zu erbitterten Gegnern, da er die hochgesteckten Erwartungen in seine unmittelbare politische