Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis

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Название Mara und der Feuerbringer
Автор произведения Tommy Krappweis
Жанр Детская фантастика
Серия
Издательство Детская фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783964260406



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zu vertreiben. Aber der Bildersturm bäumte sich nur noch mächtiger auf und warf sich mit all seiner flackernden, lärmenden Kraft gegen ihre schwindenden Barrieren. Mara warf vor Schmerz den Kopf in den Nacken und biss die Zähne zusammen, um nicht laut loszuschreien.

      Doch der Sturm machte den gleichen Fehler wie Maras Mutter – er rechnete nicht mit Maras Trotz. Jajaja, sie hatte akzeptiert, dass ein Zweig mit ihr sprach, und sie hatte sogar geantwortet. Aber sie würde nicht zulassen, dass man dafür ihren Kopf mit noch mehr Wahnsinn flutete. Jetzt nicht und so schon gleich überhaupt nicht! Schließlich hatte sie doch vorhin erst beschlossen, endlich normal zu werden, und diesen Entschluss würde auch ein sprechender Zweig nicht rückgängig machen!

      Wütend ignorierte Mara die Tatsache, dass der Bildersturm viel stärker war als sie, und stemmte sich urplötzlich mit ihrem gesamten vierzehnjährigen Trotz dagegen!

      Aber da drang wie aus weiter Ferne und doch klar und verständlich eine bekannte Stimme zu ihr: »Was tust du da, Mara?«, und sie erkannte, dass es die Stimme des Zweiges war.

      Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, aber trotzdem schaffte sie es, vier Worte hervorzustoßen: »Aber … ich … hasse das!«

      Daraufhin drang die Stimme des Zweiges nun noch eindringlicher zu ihr: »Tu das nicht!«

      Doch Mara hatte sich bereits für das Gegenteil entschlossen und mobilisierte nun auch noch das letzte Fünkchen bockigen Widerwillens gegen die tosende Bilderflut!

      Fast glaubte sie ein Plopp zu hören, als sie mit einem Mal wieder in ihrem Zimmer landete. Unsinn, warum denn wieder, dachte Mara. Ich bin doch gar nicht weg gewesen. Ich sitze schließlich immer noch an meinem Schreibtisch und …

      Da bemerkte sie, dass sie genau das nicht tat. Stattdessen starrte sie auf ein Poster der Beatles, von dem sie wusste, dass es über ihrem Bett an der Decke hing. Sie sah sich um und stellte fest, dass sie tatsächlich in Rückenlage auf ihrem Bett gelandet war. Der Drehstuhl war umgefallen und die Tür zu ihrem Zimmer stand weit offen. Im Türrahmen stand Maras Mutter und starrte ihre Tochter an.

      »Was … was tust du denn da, Mara? Hast du dir wehgetan?«

      Mara sprang sofort auf, um den Eindruck zu vermitteln, dass alles in bester Ordnung war. Dabei wurde ihr augenblicklich schwarz vor Augen, aber sie schaffte es trotzdem, mit fester Stimme und möglichst beiläufig zu antworten: »Neinnein, haha, alles gut. Ich muss doch in unserem Theaterstück umfallen, weilweilweil jemand ein … eine … ein Skateboard auf der Bühne liegen gelassen hat, und ich spiele ja die Putzfrau, und die rutscht dann darauf aus.«

      Und als Mara in das zweifelnde Gesicht ihrer Mutter blickte, fügte sie noch hinzu: »Das ist. Lustig. Haha.«

      »Also ich weiß ja nicht, wie ich das finden soll, wenn die Lehrer euch so gefährliche Sachen machen lassen«, sagte Mama, und Mara wusste ganz genau, wie sie das meinte. Sie meinte damit eigentlich: »Da werd ich wohl mal wieder in der Schule anrufen und mich beschweren müssen.«

      Und das war für Mara immer das Aller-Aller-Allerschlimmste! In diesem Fall kam noch hinzu, dass Mara gar nicht in der Theatergruppe war und dort auch ganz bestimmt kein Stück gespielt wurde, in dem irgendwer auf einem Skateboard ausrutschen musste! Das wusste Mara sicher, und zwar weil es in ihrer Schule gar keine Theatergruppe gab.

      »Neinnein, so schlimm ist das doch gar nicht, Mama!«, beeilte sie sich zu erklären. »Du musst dir keine Sorgen machen, ich steh doch in der Szene auch direkt vor einem Bett, und da fall ich dann drauf. Ich bin nur eben mit dem Fuß gegen den Drehstuhl gestoßen und der ist dabei umgekippt.«

      Mara wollte den Drehstuhl mit nur einer Hand und einer besonders beiläufigen Bewegung wieder aufstellen, aber irgendwie klappte das nicht so recht, und sie musste etwas ungelenk die andere Hand zu Hilfe nehmen. Während die Lehne einmal ziemlich lautstark gegen die Tischplatte krachte und die Plastikrollen an den fünf Beinen besonders nervig klapperten, sprach Mara trotzdem weiter, als wäre nichts gewesen: »Die Frau Englbrecht passt schon auf uns auf, wir machen keine gefährlichen Sachen. Ehrlich nicht. Schau!« Und sie ließ sich noch einmal betont spielerisch auf ihr Bett fallen. »Siehst du? So sieht das dann aus. Ich kann bestimmt auch noch eine Decke zusätzlich auf das Bett legen oder so. Kein Problem. Echt. Gar nicht. Schau!«

      Maras Mutter sah zu, wie sich ihre Tochter ein weiteres Mal aufs Bett warf und dabei ihren Mund zu einem breiten Lächeln verzog. Leider war Mara keine besonders gute Schauspielerin und hatte vergessen ihre Augen mitlächeln zu lassen, was ihrem Ausdruck die Echtheit einer Karnevalsmaske verlieh. Aber Mama schien die lahme Vorstellung trotz allem überzeugt zu haben. Sie nickte.

      »Na gut, aber bitte sei nicht so laut beim Üben. Du weißt doch, dass sich Herr Dahnberger von nebenan bei jeder Kleinigkeit beschwert. Und bitte mach den Lattenrost nicht kaputt, der war teuer.«

      Mit diesen Worten schloss sie endlich die Tür. Ja, manchmal hatte es fast den Anschein, dass Mama nur sah, was sie sehen wollte.

      Mara wartete, bis sich die Schritte ihrer Mutter durch den Flur entfernt hatten und sie die Tür zum Wohnzimmer anschlagen hörte. Erst dann wendete sie sich wieder ihrem Gast auf dem Schreibtisch zu.

      »Warum hast du das getan?«, fragte der Zweig.

      »Was hätte ich denn sonst tun sollen?«, entgegnete Mara. »Die Wahrheit sagen?«

      »Das meinte ich nicht«, sagte der Zweig. »Du hast dich gegen meine Botschaft gesperrt!«

      »Ja, das habe ich«, antwortete Mara scharf. »Und ich sage dir auch warum – und zwar, obwohl ich genau weiß, dass man sich mit Zweigen nicht unterhalten kann. Ich ignoriere das jetzt nur im Moment, weil ich nicht weiß, was ich sonst machen soll!«

      Der Zweig antwortete nicht, aber Mara war ja auch noch nicht fertig.

      »Es ist nämlich so: Ich will keine Visionen! Verstehst du das, äh … Zweig? Ich träum ständig irgend so einen Blödsinn und es nervt mich! Ich kann mich in der Schule kaum konzentrieren, weil ich immer wieder diese albernen Tagträume habe. Ich schau aus dem Fenster, sehe die Wolken und träum sofort irgendwas von einem Baum, der so hoch ist, dass er bis in die Wolken ragt, und wie ich daran hochklettere und die Zeit oberhalb der Wolken rückwärtsläuft. Ich schaue absichtlich woandershin, zum Beispiel auf das Hochhaus gegenüber, und sehe plötzlich den Wind, wie er lauernd um das Haus streicht, immer schneller wird und dabei zu einem Sturm anwächst. Alle in dem Hochhaus haben Angst vor ihm. Dabei will er nur das Feuer in der Wohnung eines alten Mannes ausblasen, bevor es auf die Vorhänge übergreift! Aber der Wind schafft es nicht, das Fenster zu öffnen, und wird deswegen immer stärker! Ich vertreibe auch das aus meinem Kopf, schaue auf die Straße und stelle mir im nächsten Moment vor, wie es wohl aussehen würde, wenn die Menschen von heute auf morgen verschwinden, und sehe, wie der VW Käfer von meinem Mathelehrer in hundert Jahren von Büschen und Bäumen überwuchert ist und darauf kleine Wolfsjunge fangen spielen! Und dann fragt mich der Lehrer irgendwas, und ich weiß plötzlich nicht einmal mehr, wo ich überhaupt bin!«

      Mara wusste, dass die Zeit knapp war, aber sie konnte trotzdem nicht aufhören zu reden.

      »Kein Wunder, dass mich alle komisch finden! Die halten mich für einen Freak! Und jetzt kommst du auch noch und erzählst mir, dass ich wirklich einer bin! Eine Dings nämlich, eine … Spákona, die mit Pflanzen spricht und wo du auch nicht weißt, ob du mir gratulieren oder Beileid wünschen sollst, und auch dafür vielen Dank! Auf jeden Fall steh ich dann ab morgen im Pausenhof vor irgendwelchen Bäumen, warte, bis die mit ihrer Begrüßung durch sind, merk nicht mal, wie sich alle über mich kaputtlachen, und setz langsam Moos an, während die anderen ihr Abi machen, oder was?! Ich will aber nicht so sein! Ich will nicht, dass alle denken, ich wär nicht ganz dicht! Ich will normal sein! So wie alle anderen, verstehst du? Ich will nicht mehr die sein, auf die Larissa mit dem Finger zeigt! Und ich will nicht so sein wie …« Sie unterbrach sich gerade noch rechtzeitig, bevor sie »meine Mutter« sagen konnte.

      Stille trat in Maras Zimmer ein. Obwohl sie ihren gesamten Monolog im Flüsterton eher gezischt als gesprochen hatte, schien es ihr, als hätte der Zweig ihre Worte durchaus verstanden. Nur die