Phantombesuch. Gaby Peer

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Название Phantombesuch
Автор произведения Gaby Peer
Жанр Современная зарубежная литература
Серия
Издательство Современная зарубежная литература
Год выпуска 0
isbn 9783961450800



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zum Fenster und hörte diese gerade sagen – oder besser ausgedrückt, wie eine böse Schlange zischen: „Du sollst mich nicht anrufen, das haben wir doch ganz klar besprochen. Es ist einfach zu gefährlich, du Dummkopf. Warum willst du das nicht kapieren? Du hast mich gerade wieder in eine unmögliche Situation gebracht.“ Pause. „Ja, wenn der Plan gelingen soll, darf dich kein Mensch sehen und ich darf mich mit nichts – rein gar nichts – verdächtig machen. Die Szene in der Pizzeria war schon verdächtig genug. Ich hatte komplett die Fassung verloren.“ Pause. „Ja, verdammt! So schnell, wie du das gerne hättest, geht es halt nicht. Jede einzelne Phase braucht ihre Zeit – allein das Vertrauen zu gewinnen, braucht sehr viel Zeit. Wenn das Geringste schiefgeht, kannst du alles vergessen. Es kommt doch jetzt wirklich nicht auf ein paar Tage oder Wochen an. Wenn unser Plan am Ende aufgeht, dann lösen sich auch unsere Probleme in Luft auf. Ich glaube, dass sich ein klarer Kopf und genügend Geduld auszahlen werden.“ Pause. „Ja, ich melde mich! Ich melde mich – hast du verstanden? Nicht du! Auf keinen Fall rufst du noch einmal an. Ist das ein für alle Mal klar?!“

      Seltsam, dachte Elena, ein ganz seltsames Gespräch. Aber es konnte sich inhaltlich schon auf das Projekt bezogen haben. Sie hatte auch keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn die Kinder verlangten von Belinda und ihr, dass sie mit ihnen Memory spielten. Tief dankbar über diesen Vorschlag, atmete Belinda sichtlich erleichtert auf. So konnte sie sich etwas von dem Gespräch erholen. Das spürte Elena ganz deutlich und beschloss, kein Wort mehr darüber zu verlieren.

      Ihre nächste Sorge war, dass sie es wieder einmal schaffen musste, Belinda beizeiten aus dem Haus zu bugsieren. Anschließend musste sie die Kinder schnell genug – ohne ihnen das Gefühl zu geben, dass sie hektisch und ungeduldig war – ins Bett bringen. Letztendlich wollte sie sich noch hübsch herrichten, bevor der größte, wichtigste und schönste Moment des Tages kam. Ihr Plakat hatte sie bereits geschrieben. Das bereitete sie jetzt immer schon am Morgen vor, wenn die Kinder im Kindergarten waren und sie ausreichend Zeit und Ruhe hatte. Heute hatte sie eine besondere Idee und war deswegen auch besonders aufgeregt. Ständig mussten Elena und Belinda beim Spielen ermahnt werden und beide konnten bis zum Ende des Spieles kein einziges Pärchen ergattern, sodass die Kinder bald die Lust am Spielen verloren. Somit war auch der Rest kein Problem mehr.

      Belinda ging von alleine früher als sonst. Sie hatte zwar wieder ihren üblichen Teint und ihr Bewegungsablauf hatte sich auch wieder normalisiert, aber Elena konnte Belindas katastrophale innere Verfassung ganz deutlich wahrnehmen. „Dir geht es seit dem Anruf nicht gut, Belinda.“ Sie sah Elena an und suchte ganz offensichtlich nach den richtigen Worten. Aber Elena befreite sie aus dieser Pflicht, indem sie sagte: „Dieses Projekt ist sicher ehrenwert, aber dir tut es ganz offensichtlich nicht gut. Es belastet dich zu sehr.“

      Spürbar erleichtert nickte Belinda heftig und meinte: „Ja, Elena, aber die armen Menschen brauchen uns doch so sehr. Diese permanente Panik, dass wir erwischt werden, macht mich trotzdem vollkommen fertig. Ich leide schon unter massiver Schlaflosigkeit und fühle mich ständig beobachtet. Ich befürchte sehr, dass das Ganze für mich in einer Paranoia enden wird.“

      Elena war ein sehr gesetzestreuer Mensch und würde niemals etwas Illegales tun oder unterstützen – aber in diesem Fall sah es anders aus. Sie bewunderte Belinda so sehr. Wer so etwas tut, der ist doch weit davon entfernt, oberflächlich zu sein. Auch die Tatsache, wie sich Belinda um sie, ihre Kinder und natürlich auch um ihre Schwiegereltern kümmerte, zeugte von einem großen Herzen. Vor allem, weil sie ihnen gegenüber nicht die geringste Verpflichtung hatte. Belinda hatte in ihrem Herzen einen bedeutenden Platz eingenommen. Sie liebte ihre Schwester sehr. Julia und ihre gesamte Familie kümmerten sich rührend um Elena, Selina und Lois. Natürlich gaben auch ihre Eltern ihr Bestes, aber sie musste sich ehrlich eingestehen, dass Belinda von keinem getoppt werden konnte. Manchmal fragte sie sich, wie Belinda das zeitlich alles schaffte. Sie schien kein anderes Leben zu haben – es gab für sie scheinbar nur die Klinik, das geheime Projekt, Renate und Ludwig sowie Elena mit ihren Kindern. Trotzdem schien ihr nichts zu fehlen. Belinda war normalerweise sehr ausgeglichen, souverän und ausgesprochen gelassen – bis auf heute. Ja, und an dem Tag, als der Vorfall in der Pizzeria passierte, da war sie auch schon so von der Rolle gewesen. Diese Panik war fast schon beängstigend! Vor allem über ihr heutiges Verhalten wunderte Elena sich auch im Nachhinein noch sehr – denn sie wusste über das Projekt Bescheid. Warum also dieses sonderbare Verhalten?

      Erleichtert ließ Belinda sich in den sportlichen Sitz ihres Autos fallen, nahm sofort ihr Handy aus der Tasche und tippte mit einer offensichtlichen Aggressivität darauf herum. Während sie mit quietschenden Reifen davonbrauste, hörte sie über die Freisprechanlage, wie die gewünschte Nummer angewählt wurde. Der Angerufene hatte nicht einmal Zeit, sich vernünftig zu melden, weil Belinda sofort lauthals brüllte: „Das darf doch nicht wahr sein, du Idiot! Wieso rufst du mich an? Ich war gerade bei der armen Witwe – ja, mach doch alles kaputt. Wir haben eine klare Abmachung – ich rufe an und nicht du! Womöglich spazierst du auch unbeschwert durch die Gegend, dämlich und leichtsinnig, wie du bist.“

      „Wenn du dich regelmäßig melden würdest, wie wir es vereinbart haben, dann müsste ich dir nicht hinterhertelefonieren. Außerdem dauert mir das alles viel zu lange. Du bist zu lahm – ich unterstelle dir, dass du das Ende absichtlich hinauszögerst.“

      „So ein Unsinn. Wenn wir nicht wollen, dass etwas von dem, was wir tun, auffällig wird, dann brauche ich Zeit, um alle Schritte sorgfältig in die Wege zu leiten. Ich muss für die eine oder andere Aktion auf günstige Gelegenheiten warten. Auf ein paar Wochen oder Monate kommt es nun wirklich nicht an, wenn am Schluss dein größter Wunsch tatsächlich in Erfüllung geht. Reiß dich zusammen, sonst machst du noch alles kaputt. Viel geschafft haben wir wirklich noch nicht. Du hast ja recht, aber lass uns kein unnötiges Risiko eingehen. Hab doch Geduld – sie wird sich am Ende lohnen. Und wenn ich nicht anrufe, dann liegt es ganz einfach nur daran, dass ich Stress habe. Und rate, warum ich Stress habe. Wegen deines Plans. Ich gehe ein ganz großes Risiko für dich ein. Wenn wir ertappt werden, bedeutet das auf jeden Fall das ganz klare Aus für mich – in jeder Hinsicht.“

      „Also gut. Trotzdem – nicht trödeln. Das ist eine klare Ansage, Belinda! Du weißt, ich bin ungeduldig, denn ich muss schon so lange auf mein Recht warten. Außerdem wäre es fair von dir, wenn du nicht nur von meinem Plan sprechen würdest – du wirst ebenso davon profitieren. Wenn du ganz ehrlich bist, dann musst du zugeben, dass du mittlerweile ebenso von dem Gelingen des Plans abhängig bist wie ich auch.“

      Endlich konnte sich Elena auf ihr Sofa fallen lassen und dem großen Moment entgegenfiebern. Wie würde Manuel auf ihre Bitte reagieren? Hoffentlich machte sie mit der Äußerung ihres Wunsches nichts kaputt, weil sie damit zu weit ging. Zur Not reichte ihr auch das, was sie momentan hatte – Manuel jeden Abend zu sehen. Aber die Sehnsucht, ihn berühren zu dürfen und richtig mit ihm zu sprechen, wurde immer größer. Sie konnte sich nur sehr schwer zähmen, um einfach nur brav auf dem Sofa sitzen zu bleiben. Sie kämpfte gegen unbeschreiblich starke magnetische Kräfte an. „Bald muss ich mich auf dem Sofa festbinden oder kleben, sonst schaffe ich es nicht mehr, dort sitzen zu bleiben“, kicherte sie vor sich hin.

      Da, ja, da ist er. Alles wie immer: Winken, Küsschen schicken, lächeln, das böse Zeichen, sitzen zu bleiben. Inzwischen zweifelte Elena kein bisschen mehr an ihrem Verstand. Sie hatte Belindas Satz – „Vielleicht gibt es Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen wir nichts wissen“ – als einleuchtende Erklärung für dieses Phänomen akzeptiert. Sie erlaubte sich keine Zweifel mehr, sie wollte, dass alles genauso war, wie sie es jeden Abend mit ihren eigenen Augen vor sich sah.

      Elena saß aufrecht und wie versteinert auf dem vorderen Teil der Sitzfläche. Total versunken in seinen Anblick, tastete sie verliebt sein Gesicht, seinen Körper, zuletzt auch seine Hände mit ihren Augen ab. Diese Hände, diese wunderschönen, sanften Hände. Wie oft hatten sie ihrem Körper gutgetan. Es gab keine Stelle an ihr, den diese Hände nicht erforscht hatten. Elena bekam Gänsehaut und eine Million Schmetterlinge im Bauch, die ruhelos, wild herumflatterten. Sie wollte noch einmal – nur noch ein einziges Mal – diese Hände auf ihrer Haut spüren, und zwar auf jedem einzelnen Millimeter. Egal in welcher Welt Manuel jetzt lebte, was für Mächte sie körperlich voneinander trennten – sie musste