Ein Schloss im Meer - Gästebuch der Familie von Hütterott. Detlef Gaastra

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Название Ein Schloss im Meer - Gästebuch der Familie von Hütterott
Автор произведения Detlef Gaastra
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783961450787



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der Kinder gehandelt hat. Wie ich aus einem Brief weiß, der im Heimatmuseum vorliegt, ist sie später Oberhofmeisterin der Erzherzogin Maria Josepha (Mutter des letzten Kaisers von Österreich) und eine vertraute Freundin Marie Hütterotts geworden. 1913 macht sie sogar einen Besuch mit mehreren Familienangehörigen auf der Insel.

      Auch ein neuer Name taucht im Gästebuch auf, der sich bis zu den letzten Eintragungen fortsetzt, Grabmayr! Dieser Name wird sich fast bis zu den letzten Seiten durch das Gästebuch ziehen, denn es ist der des späteren Ehemannes von Hanna. Bei diesem Gast handelte es sich allerdings nicht um den späteren Schwiegersohn, sondern vermutlich um dessen Vetter Moritz Grabmayr (nähere Angaben im Personenregister).

      Voller Freude vermerkt Hütterott in seinem Protokoll, dass der Erzherzog die Insel S. Katarina gekauft habe, welches für die Cissa-Inseln und die istrianische Küste ein großer Gewinn sein könnte.

      Bereits am 5. November siedelt die Familie nach Triest um. Es erscheint dann noch eine schwer zu lesende Unterschrift, die von Erzherzog Salvator stammen könnte. Darüber die Ortsbezeichnung „Rovigno“ vielleicht von der gleichen Hand.

      Ab diesem Jahr können wir noch auf eine andere Informationsquelle zurückgreifen, nämlich auf zwei Photoalben, die von Hanna vermutlich in den zwanziger Jahren zusammengestellt wurden. Sie umfassen die Jahre 1898 bis 1913 und beinhalten ausschließlich Bilder von Reisen, die von der Familie Hütterott unternommen wurden. Die Fotos zeigen uns eine Vielzahl von Personen, die uns aus dem Gästebuch oder dem Archiv bekannt sind. Die Aufnahmen scheinen alle von Hanna mit einer Plattenkamera gemacht worden zu sein. Sie zeigen einer erstaunlichen Qualität, was die Schärfe der Aufnahmen betrifft. Aber auch die Bildgestaltung übertrifft die Werke eines Hobbyfotografen, wenngleich es sicherlich nicht beabsichtigt war, „Kunstfotos“ herzustellen. Aus einem Brief der Großmutter wissen wir, dass Hanna „einen Kodak“ zum Geburtstag bekommen sollte. Da das veranschlagte Geld aber nicht ausreichte, wollte die Großmutter den fehlenden Betrag mit der nächsten Überweisung senden. Wir können davon ausgehen, dass es sich nicht um eine Box, sondern um eine etwas teurere Fotokamera handelte. Aus der Korrespondenz wissen wir, dass es sich um die Marke „Goertz“ handelte, mit einer ausgesprochen hochwertigen Optik.

      Diese beiden Fotoalben wurden mir von Herrn Walter Benecke aus Trieb zur Verfügung gestellt. Sicherlich wurden sie für seine Großmutter Emma Benecke von Hanna zusammengestellt. Ein weiteres Album in gleicher Ausstattung erhielt ich von Herrn Hütterott aus Gütersloh. Es beinhaltet aber nur Bilder von der „Villa Adele“ und zeigt kaum Personen, umfasst aber denselben Zeitraum. Für wen Hanna dieses Album angefertigt hat, lässt sich leider nicht mehr ermitteln.

      Am Ende des jeweiligen Jahreskommentars werde ich die Angaben aus den Alben wiedergeben und die abgebildeten Personen kursiv nennen. Auf Erläuterungen werde ich verzichten.

      Ostende + Berghof, September, Ernest, Fred, Arthur (Benecke), Barbara

       1899

       Blatt 20

      Für dieses Jahr liegen wenige Eintragungen vor, dabei hat sich für die Familie in den letzten Dezemberwochen einiges verändert. Georg Hütterott war von Kaiser Franz Joseph I. in den erblichen Ritterstand erhoben worden! Leider konnte ich nicht feststellen, für welche Leistung er geehrt wurde. Die vollständige Akte „von Hütterott“ des Wiener Staatsarchivs habe ich in Kopie dem Heimatmuseum von Rovinj übergeben. Sie ist aber nicht sehr aussagefähig, was die Leistungen des Geadelten betrifft. Hütterott wird mit dem Titel eines „Ritters“ sozusagen nur in die „III. Klasse“ des österreichischen Adels aufgenommen. Die Standeserhöhung könnte auf seinen geschäftlichen Erfolgen, aber auch auf seiner Tätigkeit als Parlamentarier beruhen. Auch eine Fürsprache seines Freundes Erzherzog Karl Stefan wäre denkbar. Er selber bittet um eine besondere Ausfertigung des Adelswappens, die auch mit einer Extragebühr belegt ist. Auf dieses Wappen ist noch zu einem späteren Zeitpunkt einzugehen, da noch Einsichtnahmen in die Wappenarchive vorgenommen werden müssen. Ein Teil der Akte betrifft den Schwiegersohn Fritz von Grabmayr, aber auch davon später.

      Georg von Hütterott (ab jetzt werde ich die Familie in ihrer Adelsbezeichnung erwähnen) beginnt den Jahresbericht mit einer Schreckensnachricht, indem er vermeldet, dass der Erzherzog S. Katarina wieder verkauft hat. Den Käufer nennt er nicht, obwohl es sich um den bekannten polnisch/litauischen Grafen Ignaz Karol von Korvin-Milewski handelt. Dieser taucht auch im Gästebuch nach meinen bisherigen Forschungen nicht auf. Es kann sein, dass er als Einwohner von Rovinj betrachtet wird und somit nicht zu den Gästen gezählt wird. Hütterott konkurriert mit dem Grafen um die Aufforstung der Inseln und der Anlage von Parkanlagen. Die (recht abenteuerliche) Lebensgeschichte des Grafen ist in dem Buch „Die Geschichte des Tourismus von Rovinj“ von Prof. Josip Folo festgehalten und soll darum hier nicht wiederholt werden. Beachtung finden sollte aber die Beziehung des Grafen zu Erzherzog Karl Stefan, sofern sie sich aus den recht spärlichen Nachrichten rekonstruieren lässt. Der Erzherzog soll den Grafen auf einer Reise nach Ägypten und Palästina kennen gelernt haben. Er verkauft die Insel, die nur wenige Monate in seinem Besitz war für den fast vierfachen Preis an Milewski. Merkwürdig bei diesem Handel sind aber die Zahlungsmodalitäten, denn der Kaufpreis wird erst 1905 bezahlt. Finanzielle Schwierigkeiten des Grafen dürften keine Rolle gespielt haben, denn er soll über erhebliche Bankguthaben (in Millionenhöhe) verfügt haben. Dieses Vermögen stammte außer ererbtem Reichtum vorwiegend aus dem Besitz an Bergwerken im Kaukasus. Wie in dem genannten Buch nachzulesen ist, wurden von ihm auch umfangreiche Bauten auf S. Katarina errichtet, die nur zu Wohnzwecken für den Grafen und seine Gäste dienten und nicht wie bei Hütterott auch zur landwirtschaftlichen Nutzung. Angeblich war Milewski auch Taufpate der Prinzessin Renata (1888 geboren). Diese Angabe erscheint mir aber fraglich, weil es sich bei dem Grafen Milewski um einen litauischen Protestanten handelte. Da die katholische Kirche auch heute noch keine Protestanten als Paten zuläßt, ist nicht anzunehmen, dass 1888 eine Ausnahme gemacht wurde. Im katholischen Umfeld von Rovinj wäre zu vermuten, dass sich die Protestanten Milewski und Hütterott annäherten und als Nachbarn einen zumindest respektvollen Umgang miteinander pflegten, der im Archiv Spuren hinterlassen hätte. Graf Milewski stirbt 1926 im Krankenhaus von Pula. Aus dieser Zeit stammt der einzige Beleg im Archiv, nämlich ein in Italienisch verfasster Entschuldigungsbrief des Verwalters, der einen fehlgeleiteten Brief weitergibt und sich für dessen Öffnung bei Marie von Hütterott entschuldigt.

      1896 erbte Erzherzog Karl Stefan von seinem Onkel neben einem beträchtlichen Vermögen auch größere Anwesen in Polen. Er quittiert den Dienst in der Marine und widmet sich seinen polnischen Besitzungen. Auch erlernt er die polnische Sprache, und hat sogar Aussichten auf den polnischen Königsthron. Hier sollte erwähnt werden, dass der Erzherzog sehr sprachbegabt war und ein großes Interesse an den slawischen Sprachen zeigte. So war er z.B. der einzige Habsburger, der Kroatisch sprach und sich dadurch großen Respekt in der einheimischen Bevölkerung erwarb, war doch Italienisch im Küstenstreifen Verkehrssprache. Diese Verbindung könnte dazu geführt haben, die Insel an den Grafen Milewski zu verkaufen, der sich in einer gesellschaftlich prekären Lage befand, da er im Bahnhof der Wiener Südbahn den Mann seiner Geliebten angeschossen hatte. Louise Keyl berichtet ihrer Tochter in einem Brief vom 4. August 1904, dass sie in der Frankfurter Zeitung von der „unliebsamen Affäre Eures gräflichen Nachbars“ gelesen hätte. Nähere Angaben macht sie leider nicht. Die Art, in der Milewski von Maries Mutter erwähnt wird, lässt vermuten dass es sich beim Grafen um eine „unerwünschte Person“ handelt.

      Wegen eines Todesfalles in Frankfurt (Großvater Keyl) und einer größeren Deutschlandreise wird die Insel erst am 10. September bezogen. Das Wetter scheint nicht sehr gut gewesen zu sein, denn nur 3 Wochen war es der Familie vergönnt, im Meer zu baden. Vierzehn Tage vor der Rückkehr nach Triest wird wieder eine Delegation aus Rovinj auf der Insel empfangen.

      Bedford, bis 26. Juni 1899, Mrs. Hawkins, Cecilia Hawkins, Edith Hawkins, Ella Klotz Ethel, Amy, Harold Taylor, Frances Taylor, Mr. & Mrs. Kirby

      Helgoland, 25. August

      Marienbad, August, Clara und Lilia von Österreich

      Venedig, 4. November, Josefine