Nichts ist verjährt. Horst Bosetzky

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Название Nichts ist verjährt
Автор произведения Horst Bosetzky
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783955520717



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an den Gartenzaun gekommen und hatte gehört, dass die Herren von der Kripo kamen und etwas über Bernhard Oybin in Erfahrung bringen wollten, da schrie sie auch schon los.

      «Darauf habe ich dreißig Jahre lang gewartet, dass endlich einer kommt und dieses Schwein hinter Schloss und Riegel bringt!»

      Mannhardt fühlte sich bei solchen Entgleisungen immer peinlich berührt und im Umgang mit Furien wie dieser schlichtweg überfordert, Schönbier aber registrierte den Ausbruch cool und ziemlich amüsiert und holte sein Handy hervor.

      «Soll ich noch schnell beim rbb anrufen, damit die ein Kamerateam herschicken?»

      Sie sah ihn böse an und konterte mit einem Filmzitat. « Junge, so, wie du aussiehst, brauchst du keinen Strafzettel mehr. Du bist gestraft genug. Polizist in Mit Vollgas nach San Fernando, USA 1980, Regie: Buddy Van Horn. Ich kenne Tausende von Filmen.»

      «Haben Sie eigentlich im Dispatcher selber mitgespielt?», fragte Mannhardt.

      Katja Koschlick riss die Augen auf. «Sie sind ja bestens informiert!»

      «Wenn es um Mord geht, kann man nie genug wissen.»

      «Nichts ist verjährt!», rief Katja Koschlick. «Und ein Mord schon gar nicht. Kommen Sie rein, meine Herren, setzen wir uns auf die Terrasse. In diesem April ist es ja wärmer als manchmal im August. Da können wir stundenlang über dieses Arschloch reden.»

      «Ich bitte Sie, gnädige Frau», sagte Mannhardt, um sie ein wenig zu bremsen.

      Katja Koschlick sah ihn scharf an. « Ich möchte nicht gerne unterbrochen werden, wenn ich jemanden anpöbel. Charles Laughton als Richter Horfield in Der Fall Paradin, USA 1947, Regie: Alfred Hitchcock.»

      «Hitchcock passt immer», merkte Schönbier an, während er die leeren Bier-, Wein- und Schnapsflaschen musterte, die neben der Mülltonne aufgereiht waren.

      Katja Koschlick hatte seinen Blick verfolgt. «Der Rest ist Saufen, wenn man keine richtigen Rollen mehr kriegt. Mal ein bisschen Synchron, mal ein bisschen Werbung, wer soll das aushalten können. Aber wer nimmt heute noch eine Schauspielerin, die einen IQ von 160 und ein abgeschlossenes Hochschulstudium hat?»

      Damit waren sie auf der Terrasse angekommen und setzten sich. Mannhardt sah sich um.

      «So richtig schlecht zu gehen scheint es Ihnen aber auch nicht?» Das Haus an der Vetschauer Allee war zwar keine Villa, aber immerhin mehr als eine Hütte.

      Katja Koschlick ließ das kehlige Lachen hören, das einst ihr Markenzeichen gewesen war. «Ja, ja, Oybin musste ganz schön bluten, nachdem er mich abserviert hatte.»

      «Wann sind Sie denn geschieden worden?», fragte Schönbier.

      «Noch vor der Wende, 1988. Es war mit seinen vielen Weibern nicht mehr auszuhalten. Es gab immer wieder mal ’ne Abtreibung, und eine hat sogar ein Kind von ihm bekommen. Einmal hat er wegen seines unsittlichen Lebenswandels auch ’nen mächtigen Rüffel von der Partei bekommen.»

      Mannhardt kam vorsichtig zum Grund ihres Besuches. «Sie wissen ja, was nebenan in Schmöckwitz passiert ist?»

      Sie fuhr ihn an. «Nein, junger Mann, aber wissen Sie es denn?»

      «Na sicher, wegen der skelettierten Leiche auf dem Grundstück Ihres Mannes sind wir doch hier.»

      «Witzbold, das weiß ich natürlich auch. Aber wie soll ich denn wissen, was damals in Schmöckwitz passiert ist? Ich war ja nicht dabei, als er eine von seinen Miezen umgebracht hat.»

      «Aber zu der Zeit waren Sie doch noch verheiratet mit ihm?», wollte sich Schönbier vergewissern.

      «Zu welcher Zeit?», fragte Katja Koschlick zurück.

      «Der Mord ist irgendwann zwischen 1972 und 1982 geschehen.»

      «Verheiratet waren wir noch, ja, aber ich war selten in Schmöckwitz draußen. Mal war ich zu Dreharbeiten unterwegs, mal an der Ostsee, mal am Balaton.» Sie fixierte Mannhardt und Schönbier. «Sind Sie etwa hier, weil Sie mich in Verdacht haben?»

      Mannhardt fürchtete ihren Gefühlsausbruch, wenn er die Frage bejahte, und schwieg deshalb nur beredt.

      Schönbier hingegen hielt sich nicht zurück und nahm lediglich seine Sonnenbrille ab, um nicht am Auge verletzt zu werden, wenn sie mit dem Aschenbecher nach ihm werfen sollte.

      «Es ist unsere Pflicht, jeder Spur nachzugehen, und die Rache einer betrogenen Ehefrau ist ein Motiv, dem wir öfter mal begegnen.»

      Katja Koschlick sprang auf. «Das Schwein hat Sie also auf mich gehetzt.»

      «Wir waren ja noch gar nicht bei ihm», sagte Schönbier.

      «Dann war es sein Freund, dieser Schwachkopf Mutsch.»

      «Welcher Mutsch?», fragte Mannhardt.

      «Na, Martin Mutsch, der Krimischreiber, den er immer gefördert hat.»

      Mannhardt horchte auf. «Ein Krimischreiber?»

      «Ja, der war mal Kriminalkommissar bei irgendeiner MuK, einer Morduntersuchungskommission, hier im Umland und hat sich zu Höherem berufen gefühlt. So schwul, wie er sei, sagt er, habe er es bei der Polizei nicht mehr ausgehalten. Sich immer verstellen. Ich mag ihn, aber …»

      «Was aber?», fragte Mannhardt. «Sie denken da an ein Tauschgeschäft? Ihr Mann hilft Mutsch, damit der als Schriftsteller reüssiert, Mutsch revanchiert sich dann, als es darum geht, eine Leiche verschwinden zu lassen?»

      Katja Koschlick nickte. «Sie sagen es, junger Mann. Die Menschen sind nicht nur menschlich. Verstehst du? In ihnen drin lebt auch ein Tier. Der Blinde Jon Voight in U-Turn – Kein Weg zurück, USA und Frankreich 1997, Regie: Oliver Stone.»

      Martin Mutsch wohnte in der Schönhauser Allee, und da es dort eine Hochbahn gab, konnten Mannhardt und Schönbier auch in diesem Falle auf ein Dienstfahrzeug verzichten und einen weiteren Beitrag zur Entschuldung ihres bettelarmen Bundeslandes leisten.

      Mannhardt fuhr nicht gern mit der Hochbahn, insbesondere wenn er in einem Wagen saß, der zur Baureihe Gisela gehörte und noch in der DDR gebaut worden war, in Hennigsdorf. Die Gisela -Züge waren zwar alle «ertüchtigt« worden, wie das in der Fachsprache hieß, aber dennoch … Als West-Berliner stand er allen Produkten aus der DDR mehr als skeptisch gegenüber. Was aus einem VEB, einem Volkseigenen Betrieb, kam, das konnte a priori nichts taugen, wo es denen doch an allem gefehlt hatte. War er mit alten Freunden zusammen, wurden über die DDR-Wirtschaft ständig Witze gerissen.

      Honecker besucht Helmut Schmidt. «Erich, setz dich doch hin und nimm deinen Rucksack ab», fordert der Bundeskanzler ihn auf. Honecker: «Das geht nicht, da ist mein Herzschrittmacher drin.» – «So ein großes Ding? Meiner ist doch nur so groß wie eine Streichholzschachtel.» – «So groß war meiner früher auch, aber seit wir alles auf Braunkohle umgestellt haben …»

      Yaiza Teetzmann konterte immer damit, dass sie ihm mit einem Spruch aus der BRD kam. «Wie war das noch mit der AEG, wofür stehen die drei Buchstaben? Doch für: Auspacken, einschalten, geht nicht.»

      Schönbier langweilte das alles. Wurde er gefragt, ob er aus dem Osten oder aus dem Westen käme, antwortete er immer: «Aus dem Süden, aus Lichtenrade.»

      Martin Mutsch lebte in bescheidenen Verhältnissen. Die kleine Wohnung im dritten Stock eines Hinterhauses war vollgestellt mit Büchern, so etwa allen Bänden der legendären DIE -Reihe – Delikte, Indizien, Ermittlungen –, die eigenen Werke dadurch hervorgehoben, dass sie dem Betrachter nicht nur den schmalen Rücken, sondern das ganze Cover zeigten. Glückwunschkarten mit einer großen Siebzig drauf lagen auf dem Schreibtisch herum, so dass man daraus schließen konnte, dass er vor kurzem seinen Geburtstag gefeiert hatte.

      «Dann nachträglich noch …», sagte Mannhardt, nachdem sie sich begrüßt hatten. «Bei uns in den Zeitungen war gar nichts davon zu lesen, dass Sie …»

      «Bei uns auch nicht», fügte Martin Mutsch hinzu.

      «Wenn Sie