Beutewelt V. Bürgerkrieg 2038. Alexander Merow

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Название Beutewelt V. Bürgerkrieg 2038
Автор произведения Alexander Merow
Жанр Историческая фантастика
Серия
Издательство Историческая фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783954888139



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schon tagelang nichts Richtiges mehr zu essen bekommen. Ab und zu brachten einige Dorfbewohner den Warägern Nahrungsmittel vorbei. Ansonsten blieben ihnen nur die dürftigen Notrationen.

      „Wie stark ist der Feind, Herr Bäumer?“, fragte einer der russischen Kameraden. Der Mann schob sein dreckiges Gesicht über den Rand des Schützengrabens.

      Alf zuckte mit den Schultern. Er konnte nichts Genaues sagen, aber die Kollektivisten waren wie überall zahlenmäßig deutlich überlegen und ihre Linien schoben sich immer weiter an die Abwehrfront in dieser ländlichen Region heran.

      „Die Dorfbewohner haben große Angst vor der Rache der Kollektivisten!“, erklärte ein älterer Warägergardist.

      Bäumer nickte und konnte sich ausmalen, was Uljanins Soldaten mit den Einwohnern des benachbarten Dorfes anstellen würden, weil diese ihnen Nahrungsmittel gebracht und sie unterstützt hatten.

      Hier im ländlichen Gebiet rund um Nowgorod waren Tschistokjow und seine Rus äußerst beliebt, die Schwarz-Roten hingegen bitter verhasst. Letztere wussten das und hatten bereits angedroht, „mit dem rebellischen Bauernpack aufzuräumen“, sobald die Region erobert war.

      Dazu bedurfte es auch nicht mehr viel, denn die Verteidiger waren erschöpft und ausgedünnt. Bis zum Abend verharrten Alfred und die anderen in ihren Stellungen. Dann rückten die Feinde plötzlich durch die verregnete Nacht vor und sie mussten sich aufgrund ihrer Übermacht in das nächstliegende Dorf zurückziehen.

      So ging es Tag für Tag, den gesamten April hindurch und an allen Frontabschnitten. In der Ukraine hatten die Rus mittlerweile Kiew besetzt und notdürftig abgesichert. Ob die Stadt aber auch zu halten war, sollte sich erst noch herausstellen. Manchmal flehten sie die verängstigten Einwohner regelrecht an, sie nicht im Stich zu lassen, doch es sah nirgendwo gut aus und es fehlte den Soldaten der Volksarmee an allem.

      Am 07. April 2039 hatte Artur Tschistokjow in Minsk den „Tag der russischen Jugend“ mit Paraden und Kundgebungen feiern lassen. Die junge Generation stand ihm nach wie vor mit größter Sympathie gegenüber und der weißrussische Präsident präsentierte sein neues Erziehungsprogramm und diverse Maßnahmen zur Jugendförderung. Sport und Fitness wurden groß geschrieben, ebenso hatte Tschistokjow ein umfassendes Bildungskonzept für die Heranwachsenden entworfen. Etwa 100.000 junge Menschen jubelten ihm auf dem Platz vor dem Präsidentenpalast in Minsk bei seiner Rede zu.

      „Ihr seid unsere Zukunft! Ihr werdet mir helfen, ein neues Volk aufzubauen!“, rief er ihnen entgegen und berauschte sich an der massenhaften Zustimmung seiner Zuhörer.

      Die Zahl der jungen Männer, die sich freiwillig für die Volksarmee der Rus meldeten, stieg im Zuge dieser Großveranstaltung enorm in die Höhe, doch Soldaten hatte der Rebellenführer niemals genug. Zu klein und unbedeutend waren Weißrussland und das Baltikum im Gegensatz zu den bevölkerungsreichen Regionen, die Vitali Uljanin beherrschte. Dieser führte ständig ähnliche Veranstaltungen durch, beispielsweise die „Parade der schwarz-roten Jugend“ in Moskau, an dem sich etwa 300.000 Mitglieder der Jugendorganisation der KVSG beteiligten.

      Verteidigungsminister Gregori Lossov ließ derweil in St. Petersburg weitere Rekruten im Zuge der allgemeinen Wehrpflicht für die Volksarmee einziehen und stellte zwei neue Divisionen auf.

      Sie hatten Frank wieder einmal an einen metallischen Stuhl gefesselt und er wartete auf die üblichen Schmerzen und Demütigungen, die jedes Verhör begleiteten. Zwei KKG-Männer hatten sich hinter ihn gestellt und nun betrat auch der sadistische Offizier des schwarz-roten Kampfverbandes den trostlosen Raum.

      „General Kohlhaas! Wie geht es uns heute?“, fragte er grinsend.

      Frank schwieg teilnahmslos, starrte gedankenlos auf den grauen Betonboden des Verhörzimmers.

      „Gut, lassen wir diesen Mist!“, bemerkte der Kollektivist. „Ich habe mit meinen Vorgesetzten Rücksprache gehalten und kann Ihnen hiermit sagen, dass dies heute das letzte Verhör sein wird, Herr Kohlhaas!“

      Der Gefangene hob kurz seinen Kopf und blickte den KKG-Offizier an.

      „Ja, du hast richtig gehört, mein Freund! Das letzte Verhör! Oder besser gesagt, die letzte Chance! Wenn wir doch noch brauchbare Informationen über Tschistokjows militärische Vorhaben bekommen können, dann wirst du diese Sache vielleicht überleben, Kohlhaas!“

      „Ach?“ Frank lächelte gequält.

      „Ja! Rede einfach und ich lasse dich vielleicht laufen!“

      „Was wollen Sie hören, verdammt?“, stöhnte Frank.

      „Das weißt du doch! Wie stark ist die Warägergarde inzwischen? Wo plant Tschistokjow seine nächsten Angriffe? Sag uns endlich, was wir wissen wollen!“

      „Ich weiß nichts Genaues. Vielleicht sind es jetzt 5.000 Waräger oder mehr. Scheiße, was weiß ich!“, jammerte Frank verzweifelt.

      „Der edle Deutsche spielt schon wieder unwissend, wie? Gut, was soll’s! Wir beginnen mit dem Verhör und wenn dir doch noch etwas Brauchbares einfällt, dann sag uns Bescheid …“

      Der KKG-Offizier winkte einen seiner Gehilfen heran, welcher eine Reihe von stumpfen und spitzen Gegenständen auf einem rollenden Tisch vor sich her schob.

      „Die Schneiderei lassen wir heute mal. Holt mir den Lötkolben!“, brummte der oberste Aufseher.

      Ein KKG-Mann verließ den Raum, um nach einigen Minuten wieder zurück zu kommen.

      „Nicht vergessen, großer General, ich gebe dir jetzt noch einmal die Chance zu reden! Ansonsten muss ich annehmen, dass du nutzlos für uns bist und die entsprechenden Maßnahmen anordnen!“

      Kohlhaas sagte nichts und ließ seinen Kopf langsam nach unten sinken. Dann brachen die Schmerzen wieder über ihn herein und schreiend und wimmernd überstand er auch dieses grausame Verhör. Wieder erfuhren sie nichts von ihm, weil er nach wie vor nichts wusste.

      „Bringt dieses nutzlose Stück Dreck zurück in seine Zelle!“, hörte Frank den KKG-Offizier noch hinter sich fauchen, als ihn dessen Gehilfen wie einen nassen Sack durch den Gang zerrten.

      „Jetzt kann ich auch nichts mehr für ihn tun!“, bemerkte der oberste Aufseher kalt und wischte sich die Blutspritzer auf seinem Lederhandschuh mit einem schmutzigen Tuch ab.

      Frank kauerte sich halb tot geprügelt in eine schmutzige Ecke der Betonkammer. Draußen auf dem Gang hörte er einige Wärter lachen und johlen.

      „Nutzlos für die Sache“ war er, wie der KKG-Offizier so zynisch bemerkt hatte. Wenn man als Gefangener „nutzlos“ war, dann konnte das unter Umständen bedeuten, dass die Folterungen und brutalen Verhöre endlich aufhörten. So hatte Kohlhaas den glupschäugigen Mann jedenfalls verstanden. Allerdings war dies keinesfalls ein Grund zur Freude, denn wer die Kollektivistenführer kannte, wusste auch, was sie mit „nutzlosen“ Gefangenen anstellten: Auf sie wartete die Liquidierung.

      Frank war zu erschöpft und gepeinigt, um sich darüber ausreichend Gedanken machen zu können. Er fühlte sich innerlich leer. Blutige Flecken übersäten seine verdreckte Kleidung durch die zahlreichen, kleinen Wunden, die sie ihm heute wieder mit dem Skalpell zugefügt hatten.

      Der tapfere General weinte leise vor sich hin, doch war er bemüht darauf zu achten, dass sein Wimmern draußen auf dem Gang nicht zu hören war. Sie sollten nicht merken, dass sie ihn längst gebrochen hatten. Er gestand sich selbst ein, dass er alles über die militärischen Vorbereitungen Tschistokjows verraten hätte, wenn sie ihm nur bekannt gewesen wären.

      „Hauptsache sie quälen mich nicht weiter …“, dachte er sich tief im Inneren und wer ihn hätte sehen können, dieses blutende, jämmerliche Stück Mensch in einer dunklen Ecke, der hätte es ihm wohl kaum übel nehmen können. Ab heute war er offiziell für „nutzlos“ erklärt worden.

      „Tötet mich doch endlich!“, flüsterte er leise, mit Tränen im Gesicht.

      Dann dachte er noch einmal an Julia und stellte sich vor, wie er ihr Engelsgesicht mit seiner schmutzigen