Lords of the Left-Hand Path. Stephen Flowers

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Название Lords of the Left-Hand Path
Автор произведения Stephen Flowers
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783944180205



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zu definieren und ein Lehrsystem zu entwickeln, damit andere wissen, was existiert – was in ihnen selbst und im Kosmos wirklich ist.

      Obwohl alle Werke Platons im Wesentlichen auf die seelische Entwicklung ausgerichtet sind, geben viele auch praktische Anleitungen. Aus einem modernen Blickwinkel betrachtet, wäre das vorrangigste Verdienst von Platons praktischer Philosophie politischer, nicht religiöser Natur, weil die Philosophenkönige, die sein System gleichsam repräsentieren, ihre Kenntnisse charakteristischerweise erst auf eine praktische, gesellschaftspolitische Weise anwenden. Was diesen Punkt seiner Philosophie betrifft, greift Platon auf einige sehr elementare indoeuropäische Denkansätze und Strukturen zurück. Wie auf dem altertümlichen Fundament seiner Kultur wurde die irdische gesellschaftspolitische Ordnung als ein Spiegelbild der entsprechenden Strukturen in der Götterwelt betrachtet. In Politeia legt Platon seinen Wunsch dar, eine politische Struktur (wieder)einzusetzen, die auf indoeuropäischen Prinzipien basiert:

      Abb. 3.2. Platonisches System der gesellschaftlichen Funktionen

      Doch Platon ging es nicht darum, zu archaischen Gesellschaftsmodellen um ihrer selbst willen zurückzukehren, sondern vielmehr darum, die philosophische Grundlage, die Form und die Prinzipien, auf denen diese Strukturen beruhten, zu begreifen und neu zu verstehen. Wie T.S. Eliot es in Teil V seines Gedichtes „Little Gidding“ ausdrückte:

      We shall not cease from exploration

      And the end of all our exploring

      Will be to arrive where we started

      And know the place for the first time.16

      [Wir sollten nicht von der Forschung lassen,

      Und das Ziel all unser Forschungen

      Wird kommen, wo wir begonnen haben,

      Und wir werden erstmals den Ort verstehen.]

      Platons neue Schule nahe Athen, die Akademie, sollte ein Ort sein, an dem ausgewählte Schüler so weit wie möglich der rechte Glauben, das rationale Denken und letztendlich die Fähigkeit vermittelt werden sollte, die ursprünglichen Formen (gr. eidos) und Prinzipien rational zu erkennen und damit zu verstehen, welche die Quellen aller Dinge oder Phänomene auf der Welt sind. Um dies zu erreichen, erdachte Platon ein Ausbildungssystem, das von einem besonderen Verständnis der Seele (Psychologie) ausging, sowie Theorien darüber enthielt, wie diese Seele (oder die Seelen) zu ihrem Wissen gelangen. In vielerlei Hinsicht ist Platons Philosophie eine Ausarbeitung (und in einigen Fällen eine Simplifizierung) der traditionellen Psychologie der indoeuropäischen Völker.17 Abbildung 3.3 zeigt die platonische Skala der Erkenntnis.

      Abb. 3.3. Platonische Skala der Erkenntnis

      Platons System, wie es die Neuplatoniker kodifiziert hatten, liegt den meisten gängigen westlichen Einweihungs- und Okkultsystemen zugrunde, doch da die Quelle oft absichtlich verschleiert wurde, sind die eigentlichen Wurzeln manchmal schwer aufzudecken. Man mag noch fragen, welcher Natur die Verbindung zwischen dem Platonismus und dem philosophisch verstandenen linkshändigen Pfad ist. Die ursprünglichen Wurzeln dieser Lehre liegen in den Mysterien. Die einfache Antwort: Platon lehrte ein auf der Vernunft basierendes System, mit dem der Status einer lebenden „Gottheit“ erlangt werden sollte: des Philosophenkönigs. Dieser ist im Grunde das Äquivalent zum Jivanmukti in der indischen Philosophie.

      Platon kam zu einer rationalen und noetischen Methode, den gottgleichen Zustand zu erlangen, der zuvor in den Mysterien nur durch dramatische Initiationserlebnisse, Reinigungsrituale und physische Askese erreicht wurde. Der Idealismus und die noetischen Methoden des Platonismus sollten in der Geschichte der westlichen Initiationssysteme die Grundstruktur bilden, die durch alle Arten initiatorischer, philosophischer und magischer Techniken der Antike erweitert und ergänzt wird. Diese Synthese wird (vom zweiten Jahrhundert u. Z. an) den Neuplatonismus hervorbringen und sich in vielen verschiedenen Einweihungsschulen, wie beispielsweise dem der Kabbala,18 dem Sufismus19 und ebenso dem christlichen Mystizismus niederschlagen.20

      Die meisten dieser Schulen – wenn nicht alle – entwickelten den platonischen Idealismus in Richtung eines Mystizismus des rechtshändigen Pfades. Ihr Ziel ist nicht, den Intellekt des Individuums auf eine gottgleiche Ebene oder auf die des Guten (Agathôn) zu erheben, sondern die völlige Auflösung des Individuums im Wesen des Einen.

      Die eigentlichen Ziele Platons wurden von Michael Aquino vom Temple of Set vielleicht am tiefsinnigsten wiederbelebt (siehe Kap. 10), der sie in einen magischen Kontext versetzt und seine Anlehnung an Platon offen bekennt.

      Der Epikureismus und die Stoa sind zwei philosophische Denkrichtungen, die ihre Ursprünge zwar im Griechenland des vierten Jahrhunderts v.u. Z. haben, deren Einflüsse aber bis in unsere Gegenwart reichen, da in ihnen allgemeingültige Kategorien zum Ausdruck kommen.

      Epikur (341 - 270 v.u. Z.) gründete eine Denkschule, die überwiegend auf den Atomtheorien basiert, die Demokrit ein Jahrhundert zuvor postulierte. Nach dem griechischen Atomismus besteht alles – das, was wir als Seele oder Geist bezeichnen, eingeschlossen – aus Atomen: Partikeln, die so klein sind, dass sie sich nicht teilen lassen. Für den Epikureer löst sich die menschliche Seele, wie auch der Körper, nach dem Tode in eine undifferenzierte Natur auf. Alles ist materiell. Doch kann die verfeinerte Substanz der Seele oder des Intellekts einem Menschen bei der Erlangung des glückseligen Zustandes, der Ataraxia genannt wird, behilflich sein: „Unbeirrbarkeit“ oder „Gelassenheit“. Da Freude oder Schmerz einzig über die Sinne Zugang zu Geist oder Seele finden können, muss der Epikureer die Qualität seiner sinnlichen Erfahrungen kontrollieren können, um Ataraxia zu erreichen. Er oder sie vermeidet Schmerz und maximiert die Freuden. Das äußere Leben muss mit der idealen Qualität der Erfahrungen in Einklang gebracht werden.21

      Der Stoiker strebt ebenfalls Ataraxia an, doch er beschreitet dazu andere Wege. „Stoa“ wird eine Schule von Philosophen genannt, die sich im vierten Jahrhundert v.u. Z. regelmäßig in der Stoa (Säulenhalle) auf dem Marktplatz in Athen getroffen haben. Der Stoiker behauptet, dass die Seele getrennt vom Körper existiere. Die Seele oder Psyche kontrolliert die Sinnesreize, daher wird Ataraxia nicht durch Kontrolle der äußeren Reize erreicht, sondern durch den Geist und die Art und Weise, wie er auf diese Reize reagiert. Der Stoiker richtet sein oder ihr inneres Leben nach einem idealen Seinszustand