Lords of the Left-Hand Path. Stephen Flowers

Читать онлайн.
Название Lords of the Left-Hand Path
Автор произведения Stephen Flowers
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783944180205



Скачать книгу

(besondere geistige Kräfte) entwickeln und das panchatattva (die fünf Elemente) studieren. Die beiden letzteren sind Verbindungen aus Theorie und Praxis, die auch sexuelle Rituale einschließen. Der Geweihte erreicht einen göttlichen (divya) Zustand, wenn alle diese Fähigkeiten „so sehr Bestandteil seines Wesens geworden sind, dass sie von diesem nicht mehr getrennt werden können.“21

      Eine andere Weise, die verschiedenen „Pfade“ einzuordnen, besteht in der Ansicht, dass der Weg der Veden, Vaishnava, und Shaiva dem Pashu bestimmt sind, dass Dakshinachara und Vamachara für Viras gelten und schließlich Siddhanta und Kaula den Divyas des linkshändigen Pfades offenstehen, obwohl der Kaulachara symbolisch auch von Eingeweihten des rechtshändigen Pfades praktiziert werden kann (siehe Abb. 2.3).22

      Abb. 2.3. Die Pfade der hinduistischen Schulen

      Das Kulavana-Tantra unterteilt die Viras des Vamachara in verschiedene Kategorien bzw. Stufen:23

      1. Kshatriyas (charakterisiert durch Mut und Furchtlosigkeit)

      2. Siddhas (die einen Zustand der Vollendung erreicht haben und als „geweiht“ bezeichnet werden können)

      3. Kaulas (deren „Recht“ alle anderen Gesetze übersteigt)

      Vimalananda bezeichnet mit dem Wort „Siddha“ jemanden, „der als Ergebnis seiner sadhana [spirituelle Praxis] Unsterblichkeit und übernatürliche Kräfte erreicht hat.“24

      Hinsichtlich der Kaulas bemerkt Evola:

      Nichts ist dem Kaula sowie denjenigen, die den Zustand eines wahrhaften Siddha-Vira erreicht haben, verboten, da sie einfach sind und wissen. Sie sind Herren ihrer Leidenschaften und gänzlich von Shakti [Macht] durchdrungen. Wie der höchste Shakti oder Parashakti über und jenseits von allen Gegensätzen steht, so lebt der Kaula jenseits von Gut und Böse, Ehre und Schande, Verdienst und Sünde und allen anderen Werten, die von gewöhnlichen Menschen, sogenannten Pashus, hochgeschätzt werden.25

      Shakti (Macht) wird oft damit gleichgesetzt, „absolut frei“ zu sein, und in demselben Zusammenhang wird der Kaula svecchakari („jemand, der/​die tun kann, was ihm/​ihr beliebt“) genannt. Pashus oder andere Alltagsmenschen werden die Kaulas wegen ihres Verhaltens oder allein schon wegen ihrer Anwesenheit oftmals fürchten, meiden oder verfluchen.26

      Einer der bezeichnendsten Unterschiede zwischen den beiden tantrischen Pfaden – obwohl sie beide unter der Herrschaft Shivas stehen –, liegt darin, dass der Adept auf dem rechtshändigen Pfad immer, selbst auf der höchsten Stufe seiner Verwirklichung, „etwas über ihm Stehendes“ anerkennt. Im Gegensatz dazu wird der Eingeweihte auf dem linkshändigen Pfad selbst die „höchste Autorität“ [Chakravartin, der „Weltherrscher“].27

      In einem eher allgemeinen Sinn, der strukturell auf die menschlichen Existenzstufen verweist, die der italienische neuplatonische Philosoph Pico della Mirandola beschreibt (siehe Kap. 6 dieses Buches), legt Vimalananda die drei Seinszustände dar, in denen die verschiedenen Menschentypen existieren können: als Khara („Esel“), Nara („Mensch“) oder als Narayana („Gott selbst“). Vom Khara wird gesagt, dass er „nur an die drei untersten Chakras glaube“ (= an Essen, Fortpflanzen und Ausscheiden); sein Reich ist Abhibhautika (das Weltliche). Dem Nara oder „wahren Menschen“ wird immerhin zugesprochen, dass er im Bereich der drei oberen Chakras lebe. Weiterhin wird angenommen, dass zu jeder Zeit nur sehr wenige Naras in der Welt leben. Ihr Reich ist dasjenige des Adhyatmika (das Spirituelle). Nur ein Nara kann zu einem Narayana werden, was, von der spirituellen Technik her, dadurch geschehen soll, dass er Zugang zu den geheimen Chakras in seinem Kopfe findet. (Unten wird dies näher behandelt.) Das Reich, in dem der Narayana lebt, wird Adhidaivika (das „Astrale“) genannt.28

      Vamacharins bzw. Praktizierende des linkshändigen Pfades sind gewöhnlich unter den Sekten zu finden, die dem Dienst der Götter Ganesha, Rudra, Vishnu, Shiva, Svayambhu, Veda, Bhairava, Ksetrapala, China, Kapalika, Pashupata, Bauddha, Kerala, Vira-Vaishnava, Sambhava, Chandra und Aghora verpflichtet sind oder den Göttinnen Kali, Tara, Sundari, Bharavi, Chinnamasta, Matangi und Vagala dienen. Es ist immer wichtig, im Auge zu behalten, dass der linkshändige wie der rechtshändige Pfad hier eher Methoden oder Zugangsweisen als Schulen sind, die an und für sich bestehen.

      Obwohl Vamacharins in all den verschiedenen, soeben erwähnten Kultgemeinschaften angetroffen werden können, ist es grundsätzlich die Verehrung der Göttin, in der Gestalt einer menschlichen Frau oder in Form weiblicher Symbole, durch die der männliche Vamacharin den linkshändigen Pfad praktiziert. Abgesehen von der Bedeutung „links“ steht das Sanskritwort vama auch für „Frau“ oder „Göttin“.29 Dahinter verbirgt sich die eigentliche Bedeutung, dass sowohl die Göttin als auch die Frau als Verkörperungen von Shakti (Macht) angesehen werden.30 Es ist, zumal aus einer männlichen Perspektive, einleuchtend, dass das Wesen eines Vamachara in der vollständigen Verwandlung des initiierten Menschen in etwas Übermenschliches und einem Gott (oder einer Göttin) Gleiches besteht. Dies gehört zu den Ursachen für die große Bedeutung des Antinomismus (der Zurückweisung aller Arten von Vorschriften) für die Verfahrensweisen aller östlichen Ausprägungen des linkshändigen Pfades.

      Ein häufig übersehener Aspekt sowohl des Individualismus als auch des Antinomismus der indischen Systeme des linkshändigen Pfades verbirgt sich in den Lehren des Hatha Yoga. Das Sanskritwort hatha bedeutet „Kraft“ oder „mühsame Anstrengung“, weshalb es dazu verwendet wurde, solche yogischen Methoden zu bezeichnen, die sich vor allem des menschlichen Körpers als physisches Vehikel bedienen.31 Von der Übung des reinen Hatha Yoga wird gesagt, dass sie Jivanmukti hervorbringen und dem individuellen Dasein Unsterblichkeit verschaffen könne, indem „alle psychophysischen Energien“ aktiviert würden.32 In den Upanischaden heißt es, „jeder Gott ist hier, im Körper, eingeschlossen“, und auch die Tantras schätzen Körperlichkeit und individuelle Existenz hoch: „Shiva ist Sadashiva [= Shiva als reines „Sein“ betrachtet]33.“ Die Tantras zeigen, wie das Vedische Zeitalter, keine Verachtung des Körpers – im Gegenteil wird sowohl sein Genuß als auch seine Ergründung zwecks Enthüllung der in ihm verborgenen Geheimnisse hervorgehoben.34

      Von außen gesehen besteht einer der wesentlichen Unterschiede zwischen den Methoden des Dakshinamarga und des Vamamarga darin, dass der Dakshinacharin seine „Verehrung mit Hilfe eines Ersatzes“ ausübt, während der Vamacharin das anderenfalls nur Symbolische real praktiziert. Es kann vorkommen, dass er an Grausamkeiten und anderen Abirrungen von den sozialen und religiösen Normen als einem Weg teilhat, sich selbst völlig außerhalb der profanen Gesellschaft zu platzieren. Dadurch wird er von den Fesseln und Tabus der Gesellschaft befreit und befreit sich damit zugleich auch von den spirituellen Fesseln.35 (Man bedenke die virtuelle Identität von spiritueller und sozialer Ordnung, wie sie im indischen Kastensystem zum Ausdruck kommt!) Die Verfahrensweisen des linkshändigen Pfades scheinen die bei weitem archaischeren zu sein.36

      Eines der Hauptprinzipien der Praxis des linkshändigen Pfades liegt darin, Befreiung (hier „Yoga“ genannt) anzustreben und dennoch die Fähigkeit, Freude (Bhoga) zu empfinden, zu behalten. Die Methode, die dies ermöglicht, impliziert die Identifikation (Smadhi) des individuellen Selbst mit einem höheren Selbst während eines Glückszustandes (Bhoga).37 Im Kularnava Samhita (5.219) heißt es dazu: „Durch Freude erwirkt jemand Befreiung; Freude ist das Mittel, den höchsten Wohnsitz zu erlangen. Der Weise, der [den Geist] zu erobern verlangt, sollte daher alle Freuden erfahren.“38

      Vimalananda deutet auf einen Grund hin, weshalb sich der Anhänger des linkshändigen Pfades nicht mit einer Gottheit außerhalb seiner selbst identifiziert: Es liegt einfach daran, dass er das Göttliche und die Anwesenheit in seiner Nähe so sehr liebt, dass er seine Gedanken und Gefühle kontrolliert, um die Wirklichkeit dieser „Gemeinschaft mit dem Geliebten“ besser genießen zu können.39