In dir bin ich stark. Klaus Steinert

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Название In dir bin ich stark
Автор произведения Klaus Steinert
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783865065803



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zu treffen. Fast alles – alle Erwartungen von außen, jegliche Art von Stolz, alle Angst vor Peinlichkeit oder Versagen – das alles fällt im Angesicht des Todes einfach ab. Nur das, was wirklich zählt, bleibt. Sich daran zu erinnern, dass man eines Tages sterben wird, ist in meinen Augen der beste Weg, um nicht zu denken, man hätte etwas zu verlieren. Man ist bereits nackt. Es gibt keinen Grund, nicht dem Ruf des Herzens zu folgen.«

      Ich musste an Steve Jobs denken, als ich einen Pfarrer in ein Hospiz begleitete, eine stationäre Pflegeeinrichtung der Sterbebegleitung. Hier ist alles so ganz anders, als manche vermuten. Hier kannst du lernen, dass Tod und Leben zusammengehören. Der Leiter des Hauses sagt: »Im Hospiz wird gelebt bis zum letzten Moment. Wünsche aufschieben können wir hier nicht.« Das Hospiz ist, so widersinnig das klingen mag, ein Ort des Lebens, mit seinen schönen und mit seinen tragischen und dramatischen Seiten. Die Menschen hier brauchen Unterstützung und medizinische Versorgung. Ihre letzten Monate und Wochen verbringen sie, soweit sie es noch können, selbstbestimmt. Hier wird gelebt. Aber hier ist auch der Tod gegenwärtig. Vieles gelingt noch, vieles aber auch nicht mehr.

      In der Küche, bei einer Tasse Kaffee, begegne ich einer älteren Frau. »Wissen Sie, ich habe meinen Mann lange zu Hause gepflegt. Aber es ging nicht mehr. Und wir sind beide froh, dass er jetzt hier ist.«

      Sie sitzt mir gegenüber, die ältere Dame, dreht die Kaffeetasse unruhig in der Hand. Sie erinnert sich genau an den letzten Krankenhausaufenthalt ihres Mannes, an den Tag, als der Arzt sagte: »Wir können nichts mehr für Ihren Mann tun.« Sie ist verzweifelt angesichts des nahenden Todes, das spüre ich. Es sei alles so rasend schnell gegangen, erzählt sie weiter. Ihr Mann war bis dahin immer kerngesund. Sie erinnert sich an den Anfang der Krankheit. Erst klagte er über Schmerzen. Dann die Diagnose, Heilungsversuche, nun das Hospiz.

      Ja, Leben kann schön sein, kann gelingen bis ins hohe Alter. Aber irgendwann kommt das Ende. Dem können wir nicht ausweichen. Doch als Christ weiß ich: Auch zuletzt besteht Hoffnung. Der Theologe Heinz Zahrnt schreibt: »In dem Augenblick, in dem der Mensch aufhört, sich zu sich und zur Welt verhalten zu können, verhält sich Gott weiterhin zu ihm. Wohin der Tod auch kommt, dort ist immer schon Gott. Und wo Gott ist, herrscht das Leben.«

      Wenn ich der Frau vor mir doch etwas von dieser Zuversicht mitgeben könnte. Ich wünsche ihr so sehr, dass sie das glauben kann. Wir stehen auf, ich begleite sie an seine Zimmertür. »Es ist alles so furchtbar!«, schluchzt sie. Da hören wir aus dem Zimmer die Stimme ihres Mannes; sie klingt fest, fast fröhlich: »Nichts ist furchtbar!« Ein Moment, der in seiner Unerwartetheit Mut macht, selbst mitten im Dunkel.

      Zurück zu uns. Wie gehen wir nun mit dem Wissen um unseren Tod um? Was können wir heute schon tun, um uns darauf vorzubereiten? Eine amerikanische Krankenschwester in der Palliativmedizin hat notiert, was Menschen im Sterben noch wichtig war. Fünf Wünsche hat sie besonders häufig gehört, für viele waren es leider unerfüllbare Wünsche, zu spät erkannt. Sie nennt sie »unerfüllbare Wünsche an die Vergangenheit«– Wünsche, die für viele von uns aber noch nicht zu spät sind:

      1 Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, ein Leben getreu mir selbst zu führen, anstatt eines, das andere von mir erwarteten.

      2 Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.

      3 Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, meine Gefühle zu zeigen.

      4 Ich wünschte, ich wäre mit meinen Freunden in Kontakt geblieben.

      5 Ich wünschte, ich hätte mich glücklicher sein lassen.

      »Herr, lehre mich bedenken, dass ich sterben muss, auf dass ich klug werde.«

       Bibeltext der Woche: 2. Korinther 6, 1 – 10

      Stellen Sie sich vor, Sie wären schon eine ganze Weile auf der Suche nach einem Job. Da schlagen Sie eines Morgens die Zeitung auf und finden folgende Stellenanzeige: »Dynamische, hochflexible, leiderprobte, entbehrungsfreudige, vielseitig geschickte und redegewandte Person für interessante Tätigkeit ab sofort gesucht. Wir erwarten Bereitschaft zur Arbeit im Außendienst in einem Gebiet, das mehrfach der Fläche Deutschlands entspricht. Dienstwege können nur zu Fuß zurückgelegt werden, am besten barfuß, da Schuhabnutzung nicht erstattungsfähig ist. Mitarbeiter sollte unempfindlich gegen herbe Kritik und Verleumdungskampagnen sein. Er muss sich natürlich mit seinem Produkt identifizieren und den leidenschaftlichen Wunsch haben, es an den Kunden zu bringen. Er braucht Überzeugungskraft gegenüber einer mehrheitlich ablehnenden Kundschaft. Seinen Lebensunterhalt verdient der Bewerber durch selbstständige nebenberufliche Tätigkeit. Urlaub kann keiner gewährt werden. Aber gelegentlich ergeben sich kleinere Erholungspausen in verschiedenen Gefängnissen.«

      Vielleicht haben Sie es gemerkt: Diese Jobbeschreibung passt haargenau auf Paulus und seinen Dienst. Und er hat diesen Dienst allein aus einem Grund getan: der Liebe zu seinem Dienstherrn. Dabei scheute er keine Mühe, um das Produkt weiterzugeben, das er selbst empfangen hatte. Von dem er gemerkt hatte, das war es, was ihm in seinem Leben noch fehlte. Dafür verzichtete er auf seinen erheblichen Einfluss bei der Jerusalemer Obrigkeit, seinen guten Ruf als Gelehrter in einer Spitzenposition, ein sicheres und nicht geringes Einkommen bis an sein Lebensende, einen geregelten Tagesablauf, einen ruhigen Wohnsitz. Alles das gab er auf.

      Dieses Produkt war das Evangelium von der Gnade Gottes. Der hat das, was wir ihm gegenüber schuldig waren, durch seinen Sohn Jesus Christus begleichen lassen. Er ist für uns nicht mehr der große Unerreichbare, sondern für uns ist er einfach der Vater, der uns durchs Leben begleitet und uns nach dem Tod zu sich holt. Und aus lauter Freude und Dankbarkeit für dieses Produkt nimmt Paulus alles auf sich, um es auch anderen Menschen zu bringen und sie davon zu überzeugen, dass es greifbar vor ihnen liegt. Bekenne deine Schuld vor Gott und glaube an Jesus Christus. So einfach ist es.

      Und doch auch so schwer. Das musste Paulus immer wieder auf seinen Reisen erfahren. So kommt er nach Korinth und erfährt dort in seiner Gemeinde, die er selber gegründet hatte, viel Ablehnung. Ausgerechnet sein mühsames und leiderfülltes Leben als Christ und Missionar werfen sie ihm vor. »Wo ist denn Gott in deinem Leben sichtbar?«, fragen sie ihn. »Du erlebst doch nur Ablehnung, Konflikte, und besonders erfolgreich bist du mit deiner Botschaft vom gekreuzigten Jesus auch nicht. Du verkündigst den Sieger Jesus Christus und stolperst selbst von einer Niederlage zur anderen. Ein Sieger sieht anders aus. Glaubst du denn überhaupt richtig?«

      Paulus geht in seinem Brief darauf ein und antwortet: »Gerade in alldem, was ich täglich so erlebe, merke ich, wie Gottes Gnade mich begleitet. Nicht, indem es mir äußerlich gut geht und ich von einer Geisterfahrung zur anderen taumle. Wichtig ist mir allein, dass ich als Kind und Diener Gottes ihm treu bleibe in jeder Lebenslage. Er gibt mir die Geduld, wenn ich in einer scheinbar aussichtslosen Lage bin. Oder wenn ich mit Menschen in den Gemeinden zu tun habe, die einfach schwierig sind. Er gibt mir die Kraft, wenn ich in meinem Dienst angegriffen werde und leiden muss, dass ich trotzdem die Freude an meinem Herrn nicht verliere. Er erfüllt mich mit echter Liebe zu den Menschen, auch zu denen, die mir hart zusetzen. Kurz gesagt: Gott holt mich nicht aus dem harten Alltag heraus. Aber er hilft mir, ihn zu bestehen und trotzdem ihm dabei treu zu bleiben.«

      Die Gnade Gottes lässt sich nicht daran messen, wie glatt unser Lebensweg ist. Es ist nicht wichtig, wie viele Felsen da liegen, aber es ist wichtig, wie wir mit ihnen umgehen. Wie hat Goethe gesagt: »Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen.« Es gibt Menschen, die lassen sich durch schwere Schicksalsschläge vom Glauben abbringen und bekunden das vielleicht auch öffentlich durch einen Kirchenaustritt. Weil Gott ihnen etwa einen lieben Menschen zu zeitig genommen hat. Das ist menschlich verständlich, aber aus Gottes Sicht eigentlich kaum. Viel besser ist es dann, Gottes Gnade zu erflehen und näher zu ihm hinzufliehen. Die Erfahrungen, die wir in solchen schweren Situationen mit ihm machen können, sind unbeschreiblich. Gottes Gnade und Liebe sind immer ein Stück größer als das Leid, das er uns zumutet.

      Das durfte auch Paulus erfahren. Seinen Gegnern in Korinth aber sind diese tiefen Erfahrungen von Gottes Gnade verschlossen geblieben. Ihre Frömmigkeit blieb oberflächlich.