Zuagroast. Martina Parker

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Название Zuagroast
Автор произведения Martina Parker
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839270141



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um sie anzusprechen und zu belagern.

      Paul wusste, er musste sich noch einmal mit dem Zieserl zusammensetzen, wenn er dieses Projekt auf die Beine stellen wollte. Es ärgerte ihn, dass er hier im Süden einen neuen Verbündeten brauchte, ohne den er bei seinen Plänen nicht weiterkam. Ein Partner, das war für ihn ein Zeichen von Schwäche. Aber er war auf fremdem Territorium. Im Nordburgenland war er der Rädelsführer gewesen. Er hatte die Regeln gekannt, die Schlüsselfiguren. Jetzt fischte er in unbekannten Gewässern. Er brauchte den Harald, um ihn hier durchzuführen, um ihn zu leiten. Aber dieses Gefühl der Ohnmacht ärgerte ihn auch. Er kannte die Gesetze der Natur. Nur die Stärksten überleben. Er musste das richtige Kräfteverhältnis wiederherstellen. Und er wusste auch schon wie. Wie hatte Haralds Frau noch mal geheißen? Sylvia? Er tippte den Namen ins Handy, kam direkt zu ihrem Social-Media-Konto. Er grinste selbstzufrieden, als er das Profilfoto sah, auf dem Sylvia mit geschürzten Lippen posierte. Dann schickte er die Freundschaftsanfrage ab.

      Kapitel 7

      Paul, der Narzisst

      Schmetterlinge gelten als Delfine unter den Insekten, dabei sind es eigentlich grausliche Viecher. Sie süffeln hingebungsvoll an Blut, Schweiß und Tränen oder laben sich an Aas. Vereinzelt trinken Schmetterlinge auch ihren eigenen Urin. Und das mit so viel Hingabe, dass sie es nicht einmal bemerken, wenn man sie dabei fängt.

      Der nächste Tag begann für Eva so wie immer. Mit einer Flut von Vorwürfen. »Warum isst du denn nichts? Setz dich da her, wie andere Frauen das auch tun, setz dich einfach her und iss endlich was. Sei doch bitte so lieb.«

      Eva zog es den Magen zusammen. Sie hatte null Appetit. Aber sie wollte den häuslichen Frieden nicht schon wieder riskieren. Schon Carla zuliebe. Für Paul war das sonntägliche Familienfrühstück wichtig. Am liebsten auf der Terrasse, damit die Nachbarn sehen konnten, wie glücklich die Achleitners waren. Eine echte Vorzeigefamilie.

      Vielleicht stand er deswegen auch so auf Häuser mit Glasfronten. Da war das inszenierte Bilderbuchleben quasi im permanenten Ausstellungsmodus.

      Der Terrassentisch war ein Stahlgestell mit einer Platte, die aus einem einzigen Stück Eiche geschnitten war. Die Bänke rundherum waren mit grauen Schaffellen belegt. Es war ja erst Mai. Eva hatte den Tisch mit schwerer grauer und schwarzer Keramik gedeckt, die sie bei einer angesehenen lokalen Künstlerin in Stadtschlaining gekauft hatte. Die Keramikerin Petra Lindenbauer produzierte auch die Tableware für berühmte Sterneköche wie den Heinz Reitbauer, den Silvio Nickol oder den Konstantin Filippou. Das ganze Ambiente wirkte exklusiv nordisch. Paul mochte nordisches Design. Nur nordisches Essen mochte er nicht so. Für Gerichte mit Moos und Flechten hatte er nichts übrig. Eva hatte Rührei mit Schinken zubereitet, eine Käseplatte mit Nüssen und Apfelspalten gerichtet und einen Striezel und ein Vollkornbrot gebacken. Ohne Brotbackmaschine. Paul mochte es nicht, wenn die Brote vom Rührhaken der Maschine ein Loch im Boden hatten. Außerdem hatte sie einen Smoothie aus Himbeeren, roten Rüben, Ingwer und Kurkuma gemixt. Jetzt musste sie nur noch den Kaffee fertigmachen.

      »Du wirkst so unentspannt, kriegst die Regel?« Paul liebte es, ungefragt Evas Zustand zu interpretieren. Blass, unzufrieden, unausgeglichen, nervös. Das waren die Attribute, mit denen er sie gerne bedachte, sogar wenn sie nur ruhig und gemütlich Sachen erledigte oder so wie gerade eben Kaffee kochte. Du bist dies, du bist das. Du bist immer irgendwas.

      Eva lächelte bemüht, ging an Paul vorbei hinaus zur Terrasse und stellte die Kaffeekanne auf den Tisch. »Ich hol nur noch schnell die Marmelade.« Sie ging zum Vorratskasten, der optisch dezent in die Küchenfront integriert war und drückte leicht dagegen. Die Tür sprang auf. Quitte mit Chili, Weinbergpfirsich mit Zitronenverbene, Rosengelee … Eva hatte es sich eine Zeit lang zum Hobby gemacht, ausgefallene Marmeladensorten einzukochen. Allerdings waren die bei ihrer Familie auf wenig Gegenliebe gestoßen. Paul aß in der Früh lieber deftig, und Carla mochte nur klassische Sorten. Eva griff nach einem Glas Erdbeere mit weißer Schokolade. Die würde bei Carla gerade noch als »normal« durchgehen.

      Als sie auf die Terrasse zurückkam, standen zu ihrer Überraschung Vera und Letta da. »Wir haben uns in Oberwart E-Bikes ausgeborgt und wollten einen Ausflug zur Meierhofermühle machen, aber ich glaub, wir haben uns verfahren.« Vera wirkte erhitzt: »Wir wollen aber nicht stören. Ich wollt nur fragen, ob ich kurz mein Handy bei dir aufladen kann oder deines benutzen darf. Ich hatte Google Maps an, und das hat so am Akku gesaugt, dass der jetzt leer ist. Nur ohne Maps finden wir den richtigen Radweg nie.«

      »Ihr stört überhaupt nicht, setzt euch zu uns. Wir wollten gerade frühstücken, habt ihr Hunger?«, sagte Paul jovial.

      Letta blickte gierig auf die Pfanne mit Rührei und Schinken, die in der Mitte des Tisches stand. »Also gut, aber nur, wenn es euch wirklich nichts ausmacht.«

      »Auf gar keinen Fall, wir freuen uns riesig, bitte bleibt ein bisschen. Carla, steckst du bitte Veras Handy im Haus an.«

      Menschen, die ihm förderlich erschienen, lud Paul gerne an seinen Tisch sein. Bei ihrem Besuch am Vortag hatte er Vera kaum beachtet, dann hatte er erfahren, dass sie Journalistin war. Und das hatte die Sache natürlich sofort verändert. Er wollte sofort alles über ihre Netzwerke und Kontakte wissen. Das konnte er ja jetzt bitte selbst herausfinden.

      Eva war die perfekte Gastgeberin. »Ich hol euch gleich Teller und Besteck, Kaffee für dich, Vera. Letta, magst du einen Kakao? Ich hab auch einen Smoothie gemacht, mit Kurkuma, der soll ja so gesund sein.«

      »Kann ich bitte auch einen Kaffee haben?« Carla blickte Letta bewundernd an. Dass die schon Kaffee trinken durfte. Aber Letta sah auch erwachsener aus als sie selbst, erwachsen und exotisch, wie die albanische Sängerin Dua Lipa, die auch schon mit 15 alleine in London gelebt hatte. Carla war ein großer Fan von Dua Lipa.

      »Mit viel Milch bitte«, sagte Vera hastig.

      »Ich hol nur schnell mein Tablet, dann zeig ich dir Bilder von meinen Projekten«, sagte Paul eifrig. Eva wusste, was jetzt kommen würde. Paul würde solange über sein iPad wischen, Bild nach Bild zeigen und sich in detailreichen Beschreibungen und Selbstbeweihräucherung verlieren, bis der Kaffee und die Rühreier eiskalt geworden waren. Ihr perfektes Frühstück wäre für die Katz gewesen.

      »Schatz, lass uns doch zuerst essen«, sagte sie betont freundlich.

      »Ist schon okay«, sagte Vera. »Ich bin nicht hungrig, und es interessiert mich wirklich. Ich hab mir schon einige deiner Projekte im Internet angesehen. Sieht toll aus.«

      Die Sonne ging in Pauls Gesicht auf.

      Eva dachte an die unzähligen Situationen, als sie anhimmelnd neben ihm stehen musste. Paul erwartete Zuspruch, was immer er auch tat. Sogar wenn er ein Bild aufhängt, will er, dass ich dabeistehe und jeden Hammerschlag benicke, dachte sie.

      Sie griff nach ihrer Kaffeetasse und beobachtete Paul und Vera. Paul, der redete und erklärte, als ginge es um sein Leben, und ihre neue Freundin, die freundlich lächelte und interessiert schaute. Er war charmant, eloquent, witzig. Natürlich fand sie Paul toll. Alle taten das.

      Letta und Carla hatten sich schon längst in Carlas Zimmer zurückgezogen. »New Rules«, ein Lied von Dua Lipa drang durch die geschlossene Tür.

      »Now I’m standin’ back from it, I finally see the pattern

      I never learn, I never learn.«

      »Drehts die Musik leiser«, brüllte Paul.

      »I finally see the pattern.« Ich sehe endlich das Muster, dachte Eva.

      Paul gab Vera das Gefühl, dass er sich für sie interessiere. Er imitierte perfekt den angeregten Gesprächspartner. Dabei tastete er nur ab, wie er sie sich später einmal zunutze machen konnte. Eva hatte zum zweiten Mal in dieser Woche das Gefühl, dass sie die Einzige war, die Paul durchschaute – wie die Zuseherin in einem Theaterstück.

      Früher, in einer anderen Zeit, hatte Paul sich auch Eva gegenüber so verhalten. Hatte sie umgarnt, umschmeichelt, eingelullt. Er war verrückt nach ihr gewesen. Dass sie so unerfahren war, hatte er entzückend gefunden. Dass sie ihn bewunderte und sich gerne und willig