Zuagroast. Martina Parker

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Название Zuagroast
Автор произведения Martina Parker
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839270141



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anbringen würde.

      »Wo sollen denn die Bäume hin?«, fragte Vera.

      »Ich hab mir gedacht, ich pflanze sie hier entlang der Mauer«, sagte Eva. »Dann kann ich beim Pflücken auf der Mauer stehen und bequem in die Baumkrone greifen.«

      »Der Plan geht aber nur auf, wenn du Hochstämme gekauft hast«, sagte Johanna. »Mittel- und Niederstämme in diesem Alter wachsen nicht mehr in die Höhe, sondern nur mehr in die Breite. Außerdem wird es eh fünf bis sieben Jahre dauern, bis du die ersten Äpfel ernten kannst.«

      Eva schwirrte von den ganzen Informationen schon der Kopf. Sie hatte ein abgeschlossenes Studium als Landschaftsarchitektin und schien dennoch von nichts eine Ahnung zu haben. Allerdings hatte sie sich in ihrem Studium eher auf Grünflächen im urbanen Raum konzentriert und sich mehr mit Park- und Alleebäumen beschäftigt als mit den Besonderheiten diverser Obstbäume.

      »Zumindest beim Holler geht’s schneller«, tröstete Vera. »Da kannst heuer schon Saft machen.«

      Ein Lieferwagen parkte sich vor dem Raumschiff ein. »Das wird der Finz mit der Inkaerde sein«, sagte Eva. »Er hat gesagt, er bringt mir Komposterde für die Pflanzlöcher.«

      So schnell sieht man sich wieder, dachte Vera. Und beobachtete Finz, der die Auffahrt heraufschlenderte. Schlendern war das richtige Wort. Alles an Finz war leicht und selbstverständlich. Während die meisten Menschen die Last der Welt auf ihren Schultern zu tragen schienen, schien Finz komplett unbelastet zu sein.

      Finz hatte nicht nur die versprochenen Säcke mit Inkaerde dabei, sondern auch einen Plan. »Eigentlich sollte man Bäume im Februar pflanzen, aber die, die du gekauft hast, sind ja nicht wurzelnackt, sondern im Topf, das geht auch jetzt noch. Kann ich mir bitte die Hände waschen?« Finz’ Hände waren vom Hantieren mit den Erdsäcken ganz schmutzig.

      »Natürlich, wir können alle reingehen. Ich hab Salzstangerln und ein Verhackertes gekauft, hat jemand Hunger?«

      »Und ich hab einen Apfelkuchen mitgebracht«, sagte Johanna und lüftete ihren Korb. »Oder habt ihr geglaubt, ich komm mit leeren Händen?«

      Dieses ewige Auftischen hier im Süden wird noch meine Figur ruinieren, dachte Vera. Finz schien diese Angst nicht zu haben, er wusch seine Hände in der Spüle und griff dann ordentlich zu.

      Vera fand das Haus beeindruckend, aber nicht ungewöhnlich. Viele ihrer früheren Bekannten in den Wiener Nobelbezirken oder in Klosterneuburg hatten so gewohnt. Offene Designerküche, viel Stein und Edelmetall, edle Ecksofas, dazwischen ausgesuchte Designklassiker wie der Loungechair vom Eames. Teure Bilder an den Wänden und statt einzelner Fenster ganze Glasfronten.

      Johanna folgte Veras Blick: »So große Fenster. Die möchte ich nicht putzen müssen.«

      »Paul sagt, die Fenster sind mit irgendeinem Lotuseffekt ausgestattet, damit das Wasser besser abperlt«, sagte Eva. »Die Aussicht ist toll, aber umgekehrt kann uns auch jeder reinschauen. Ich komm mir vor wie in der Auslage, vor allem, wenn es dunkel ist. Manchmal fürchte ich mich sogar ein bisschen, wenn ich alleine bin. Aber für Paul kommen Vorhänge nicht infrage.«

      Finz beteiligte sich nicht am Gespräch. Ihm waren die Fenster, gelinde gesagt, wurscht. Aber Eva fand er süß. Eva trug dunkelblaue Jeans, die ihre zierliche Figur betonten, weiße Turnschuhe und eine weiße Bluse. Sie sah aus wie eines dieser Models aus der Ralph-Lauren-Werbung. Fehlten nur mehr das Pferd und der Labrador. Er schätzte, sie war fünf, sechs Jahre älter als er selbst. Und verheiratet. Sein Beuteschema.

      Zurzeit gab es keine spannende Frau in seinem Leben. Klar könnte er die eine oder andere Ex reanimieren. Aber seine letzte fixe Geliebte hatte mit ihm Schluss gemacht, als sie unerwartet schwanger geworden war. Hoffentlich sah das Kind ihrem Mann ähnlich und nicht ihm.

      Er studierte Evas Gesicht. Es war oval und blass. Es waren die Augen, die sie so hübsch machten. Riesige blaue Augen, die aussahen, als würden in ihrer Iris Tausende Saphirsplitter funkeln. Das satte, tiefe Blau war ein spannender Kontrast zu ihrem hellen Teint und ihren dunklen Haaren. Die Augen faszinierten ihn. Es waren Augen, die lachten, aber nicht spöttisch, sondern liebevoll. Verständnisvolle Augen. Finz bemerkte, dass er Eva anstarrte, und wandte schnell den Blick ab.

      Die Eingangstür ging auf. Paul stand im Türrahmen. War die Zeit wirklich so schnell vergangen? Er war kaum eine Stunde weg gewesen. Eva bemerkte sofort, dass er schlechte Laune hatte. »Dieser Bürgermeister ist so ein Pleampl«, schimpfte er statt einer Begrüßung. »Null Visionen, der Zieserl und ich werden es jetzt auf der steirischen Seite probieren, die haben hoffentlich mehr im Hirn als die dummen Südburgenlandler hier.«

      Eva versank fast in den Erdboden. Ihr war die Szene mega peinlich. »Wer ist das?« Paul hatte Finz entdeckt, der seelenruhig in sein Salzstangerl biss und Paul in aller Ruhe studierte.

      Den Typ cholerischer Ehemann kannte er nur zu gut. Dass Paul offenbar ein Arschloch war, tat ihm leid für Eva.

      »Herr Kreishofer hat uns Erde geliefert«, sagte Eva.

      »In die Küche?«, fragte Paul süffisant. Aber mit einem Lieferburschen wollte er sich ohnehin nicht abgeben. Seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich wieder auf seine Frau: »Du warst hoffentlich schon auf der Post?«

      »Nein, aber ich wollt … also, ich hab nicht vergessen, ich muss eh gleich los, also, ich fahr eh gleich.« Eva stotterte. Vera überlegte, wie sie die Stimmung entspannen konnte, aber ihr fiel nichts ein. Wahnsinn, war das unangenehm. Sie konnte Evas Verlegenheit fast körperlich fühlen. Die Stimmung war dahin.

      Da ergriff Johanna das Wort. »Sie sollten die Wand hinter dem Herd in einer anderen Farbe streichen lassen«, sagte sie freundlich lächelnd zu Paul. »Orange zieht Fliegen an. Das kann im Sommer unglaublich lästig sein.«

      Es kam selten vor, dass Paul sprachlos war. Aber auf diese Aussage wusste er tatsächlich nichts zu erwidern. Hatte diese Landpomeranze gerade sein Einrichtungskonzept infrage gestellt?

      Und das Schlimmste war, sie hatte auch noch recht. Er musste an die Frankfurter Küche im Wiener MAK denken. Die Frankfurter Küche wurde 1926 im Rahmen des Projekts Neues Frankfurt von Ernst May initiiert und von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky ausgearbeitet. An den sichtbaren Stellen war diese Küche blaugrün gestrichen, da Wissenschaftlern der Universität Frankfurt zufolge Fliegen blaugrüne Flächen meiden. Warum hatte er daran nicht gedacht, als er die Küche geplant hatte?

      Paul drehte sich wortlos um und ging aus dem Raum. Heute war wirklich nicht sein Tag.

      Er spürte Ärger in sich hochkochen. Wie eine riesige Welle durchflutete ihn die Wut und verbreitete ein Gefühl tiefer Unruhe und Ohnmacht.

      Es ärgerte ihn, dass der Bürgermeister von Buchschachen seine Visionen nicht geteilt hatte. Er wollte hier wirklich etwas auf die Beine stellen. Eine Ferienanlage mit Zweitwohnsitzen, die cooler und stylischer waren als diese fantasielosen Blöcke mit den winzigen Fenstern und den grässlich bunten Fassaden, mit denen die Siedlungsgenossenschaften sonst das Land verschandelten. Moderner, minimalistischer Luxus. Ein Projekt, das urbane Leute mit Stil und Geschmack ansprach. Leute wie ihn selbst. Die Architektur musste beeindrucken, aber gleichzeitig auch dieses neue allumfassende Bedürfnis nach Entschleunigung erfüllen. Die Gegend hier war ideal. Rund eine Stunde von Wien und Graz entfernt und somit für die urbane Zielgruppe leicht erreichbar. Und wenn man erst einmal die hässlichen Durchzugsstraßen mit den Hunderten Kreisverkehren verließ, war es hier atemberaubend schön und idyllisch. Sanfte Hügel, unberührte Natur, Weinberge. Hier sah es stellenweise aus wie in der Toskana. Eine Enklave für Ruhesuchende. Perfekt auch als Refugium für Promis. Er könnte auch noch in der Natur versteckte Häuser für diese Klientel planen. Die hätten so ihre Ruhe. Die Einheimischen hier waren ein angenehm simpler Menschenschlag, nicht so stur wie die Tiroler oder so bockig wie die Oberösterreicher. Die Südburgenländer waren irgendwie freundlich devot. Als Promi konnte man hier echt in Frieden leben, dachte er. Kein Wunder, dass der Frank Hoffmann, der Andreas Vitasek, der Gery Keszler, die Konstanze Breitebner, der Günther Mokesch und die Elke Winkens hier bereits Häuser hatten. Angeblich hatte sogar David Bowie mal ein Haus in Stadtschlaining gesucht. Promis