Bürgerwache. Wildis Streng

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Название Bürgerwache
Автор произведения Wildis Streng
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839268681



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»Immer noch beleidigt«, vermutete er. »Aber weisch was, du bisch mir mal noch dankbar, eines Tages.«

      »Möglich«, gab André zurück, es klang nicht wirklich überzeugt.

      »Das wär eh nicht gut gegangen, glaub mir. Die ist …«

      »Ich will nicht darüber reden, Tobi, ja?«, unterbrach André.

      »Ja, und die hat wirklich den Belagerern ihren nackigen Arsch gezeigt?«, schaltete sich der Ehinger ein, dem die schlechte Stimmung offensichtlich unangenehm war.

      »Ja, hat sie. Und dann sind die Belagerer abgezogen und Crailsheim war gerettet«, erzählte André weiter und löffelte wieder Gulasch.

      Tobi erhob sich und tätschelte die Schulter seines Eigentlich-Freundes. »Waasch was, wenn dii abgsponna hasch, noa trink mer nochher an Asbach-Cola zsamm«, raunte er ihm ins Ohr, bevor er zurück zu seiner überaus heißen Ehefrau Ezgi ging.

      »Jetzt habe ich aber wirklich Hunger«, erklärte Heiko und blickte Lisa auffordernd an.

      Die verdrehte die Augen und sah auf die Uhr. »Noch nicht mal sechs!«, klagte sie.

      »Das Gulasch ist soooooo gut!« Heiko grinste derart entwaffnend, dass Lisa ihm ein Lächeln schenkte und mit ihm seufzend zu jenem Stand ging, der schlicht »Gulasch« hieß.

      Ein Pärchen stand vor ihnen, die Frau, die rotblonde Locken hatte und ein orangefarbenes Crinkle-Kleid trug, wandte sich gerade an ihren Mann, einen schütterhaarigen Endfünfziger im Karohemd.

      »Also, Karl-Heinz, mir ist das Ganze hier eigentlich viel zu martialisch, du weißt doch, dass ich Pazifistin bin!«

      Karl-Heinz lächelte sie leutselig an. »Margit! Das ist nur die Bürgerwache! Entspann dich! Kein Grund für linkspolitische oder radikale Diskussionen!«

      »Nur weil ich Pazifistin bin, muss ich noch lange nicht linksradikal sein! Du weißt, dass ich nicht linksradikal bin, jede Form von Gewalt ist mir zuwider! Ich löse meine Probleme verbal, durch Diskussion.«

      »Entschuldigung«, mischte sich Heiko ein, »des glaab ii glei. Aber vielleicht däda Sie etz bstella? Mir warta nämlich.«

      Die Angesprochene drehte sich überrascht zu ihm um, beschloss dann jedoch anscheinend, ihn mit Missachtung zu strafen, und wandte sich endlich den beiden Herren zu, die für die Gulaschausgabe zuständig waren. »Also, dann bitte zweimal Gulasch …«, begann sie, erstarrte aber mitten im Satz und rief: »Halt!«

      Die beiden jungen Männer hinter dem Stand, die sich schon in Bewegung gesetzt hatten – der eine hielt bereits einen Teller in der Hand, der andere ein Brötchen –, erstarrten, irritiert ob des scharfen Befehlstons.

      »Sagen Sie mal, ist das Ihr Ernst?«, fragte Margit und pikte mit spitzem Zeigefinger auf das Schild, das »Gulasch aus der Gulasch-Kanone« anpries. »Wieso muss das denn immer was mit Krieg zu tun haben?«, wandte sie sich an den jüngeren der beiden Männer, den mit dem tiefen Teller, und stemmte die Hände in die Seiten.

      »Das heißt halt so«, stammelte der.

      »Nennen Sie das Gericht doch Gulasch-Töpfchen«, schlug Margit honigsüß vor. »Was ist daran so schwierig?«

      Karl-Heinz verdrehte die Augen, murmelte etwas von Bier holen und ließ seine Frau stehen, was die allerdings gar nicht bemerkte, weil sie dermaßen in Fahrt war.

      »Des is ja woll kaum a ›Töpfchen‹, guadi Fraa«, wandte der mit dem Brötchen ein und wies auf den Kochtopf, der sicherlich 30 Liter fasste.

      »Wir könnten auch ›Feldküche‹ dazu sagen!«, schaltete sich der Jüngere ein, der den Teller inzwischen wieder abgestellt hatte.

      Margit schnappte nach Luft. »Wie bitte? Feldküche? Ist das Ihr Ernst, junger Mann? Wollen Sie wirklich in den Krieg ziehen? Wissen Sie, wie das damals war, als Napoleon, der Erfinder der Feldküche, Europa verwüstet hat? War Ihr Uropa nicht auch im Krieg? Schämen Sie sich!«

      »Wella Sie jetz a Gulasch odder net?«, traute sich endlich der Ältere nachzufragen.

      Die Dame straffte sich, strich sich die rotblonden Locken aus dem Gesicht und rauschte mit einem »Mir ist der Appetit vergangen. Ich kaufe mir eine Wurst!« davon.

      »Sie awwer«, wandte sich der Mann an Heiko, absolut unberührt.

      »Zweimal, mit Weckle«, bestellte Heiko, und er sah sehr glücklich aus dabei.

      Christian Blumenstock betrachtete den weißen Federhelm, der neben ihm auf der Bank ruhte. Er hatte ihn seit diesem Jahr. Schneeweiß waren die Federn, reinweiß, blütenweiß. Bewundernd ließ er seine Finger durch den Busch gleiten, zart, um sie nur ja nicht zu zerzausen. Normalerweise hätte er einen roten Federbusch getragen, aber jetzt war er Oberst, Oberst der Bürgerwache, ein Ehrentitel. Er freute sich darüber, trug die Epauletten mit den goldenen Fransen mit Stolz. Er fuhr sich durch das schüttere Haar, das das magere Gesicht krönte. Es war nicht leicht gewesen, den Rang verliehen zu bekommen, und der Tobi war ein scharfer Konkurrent gewesen, der es durchaus auch mit unlauteren Mitteln versucht hatte. Aber Christian Blumenstocks Ruf war untadelig, würde es immer sein. Und so waren die fiesen Attacken des Musik-Gefreiten an ihm abgeperlt wie Wasser von einem Waschbecken mit Lotuseffekt. Nichts war kleben geblieben, und das war gut so. Allerdings wusste er nicht, ob es bei der nächsten Wahl auch so sein würde. Er würde sich bis dahin beweisen müssen, als Offizier. Und keinesfalls würde er weitere ungerechte Attacken dulden.

      Später am Abend standen Tobi und Ezgi am Weinstand. Ezgi trank zwar selbst keinen Alkohol, hatte aber kein Problem damit, wenn sich Tobi mal einen genehmigte. Und er besoff sich selten bis zur Besinnungslosigkeit, da gab es andere.

      »Der Tobi!«, erklang es plötzlich von rechts, und Ezgi sah Lars auf ihren Freund zuwanken. Der war eindeutig einer von denen, die nie wussten, wann es genug war. Er hatte seine Jacke ausgezogen und den Helm abgelegt, in der Hand hielt er ein Longdrinkglas, das verdächtig nach Jacky-Cola aussah.

      »Hey, Lars!«, grüßte Tobias zurück und prostete ihm mit seiner Weißherbstschorle zu.

      Lars lehnte sich theatralisch nach hinten. »Auf dich, mein Freund!«, prostete er, leerte das Glas in einem Zug, stellte es auf der Theke ab und ließ sich dann beinah unkontrolliert nach vorne fallen, wohl in der Absicht, Tobias Baumann zu umarmen. »Weißt du, ich habe dir längst verziehen, die Sache von damals, hat ja noch alles geklappt«, lallte er.

      Ezgi trat einen Schritt zurück und vergewisserte sich mit einem Blick, dass ihr Freund klarkam.

      »Scho recht, bisch mei Kumbel«, versicherte Tobi und tätschelte Lars die Wange.

      »Des wor scho scheiße von dir, weisch, aber ich hab’s dir verziehen!«, versicherte Lars.

      »Was meint er denn?«, wollte Ezgi wissen.

      Tobi winkte ab. »Ach. Alte Geschichte. Vergiss es.«

      »Willsch a Kippe?«, bot Lars an und nestelte in seiner Hosentasche herum. Es waren die guten, selbst gedrehten, ganz speziellen, das wusste Tobi.

      »Heut net, Lars. Und du lässt das besser auch.«

      »Jaja, net, dass mir des noch amol bassiert, gell!«, grinste Lars und hob gespielt mahnend den Zeigefinger. Er steckte die Zigarette wieder ein und wankte davon.

      »Was war denn da los?«, erkundigte sich Ezgi noch einmal.

      »Wie meinsch?«, fragte Tobi zurück.

      »Was hat er denn gemeint?«, insistierte sie. »Komm, sag!«

      Aber Tobias winkte in einer Art ab, die klarmachte, dass er nicht darüber reden würde.

      Und Ezgi kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass das unumstößlich war.

      Parkfestsonntag

      André Hellmer stand vor dem Spiegel. Er hatte sich extra einen lebensgroßen gekauft, damit er sich ganz betrachten konnte. So einen hatte er schon immer gehabt, auch vorher. Es gab