14 Falken. Kathrin Schobel

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Название 14 Falken
Автор произведения Kathrin Schobel
Жанр Современная зарубежная литература
Серия
Издательство Современная зарубежная литература
Год выпуска 0
isbn 9783944771328



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hinter ihrer Fassade aus Gips und Raufasertapete einen Sinn für Stil züchtet. Immerhin hat sie mich mit nach Hause genommen. Und nicht mal nach meinem Namen gefragt.

      Ich setze mir meine Brille auf und fahre mir mit der Hand durch die Haare. Ich liebe meine Haare, da könnten sich noch mindestens fünf Hände mehr drin vergraben, wenn es nach mir geht. Macht dann insgesamt Sieben. Und das ist genau so viel wie die Minutenzahl, die ich schätze zu haben, bevor Gwen wieder reinkommt. Also mache ich Türenraten beim Aufstehen. Die Eingangstür kenne ich von gestern, das Bad ist die, hinter der es rauscht, ansonsten gibt es nur noch eine und die ist angelehnt. Meine Brille hat einen Fleck unten am rechten Glas, der mich stört. Schnell hüpfe ich mir meine Hose über die Hüften und schiele vor und nach dem Shirt über meinem Kopf in den Raum nebenan. Wohnzimmer mit Fernseher und Couch, offene Küche, nichts zu holen. Kurz bin ich versucht, uns Frühstück zu machen, aber das geht immer schief.

      Ich konzentriere mich lieber auf das Schlafzimmer. Meine Jacke liegt zusammengeknautscht neben einem Stuhl, auf dem sich so viel Dreckwäsche stapelt, dass ich auf den ersten Blick nicht sagen kann, ob Gwen irgendwas davon gestern noch getragen hat. In seiner Nähe riecht es nach ausgetragenem Zigarettenrauch und eingetrocknetem Regen. Draußen röhrt die Müllabfuhr oder irgendwas anderes, was sich langsam bewegt und piept. Ich suche nach ihrer Hose.

      Nichts.

      Dann sehe ich ihre Jacke, schwarzes Leder und so abgeranzt, dass ich gestern Abend fast schon ein bisschen beleidigt war, nicht fordernd daran ziehen zu dürfen. Vielleicht war die Jacke das Wunschkind. Schmunzelnd pflücke ich sie von der offenen Schranktür. Ich werde darin untergehen, denke ich, und werfe sie über.

      Verdammt warm. Riecht nach Leder und Wetter und Lungenkrebs, quasi wie Gwen Minus den Duft von „Ich bin leicht zu haben“ von gestern Abend. Sie ist mir zu groß und passt mir sogar über meine eigene Jacke, stelle ich fest. Hat was Heimisches, wie ein Kokon aus totem Tier. Ich erinnere mich an einen Film über einen Jungen, der nach einem Unfall die Kälte überlebt hat, weil er in den zerfleischten toten Körper seiner Mutter gekrochen ist. War eine Komödie, glaube ich. Ich taste die Taschen ab. Jackpot. Es ist immer entweder die rechte hintere Hosentasche oder die Jackeninnentasche, wenn sie eine hat.

      Ihr Portemonnaie sieht aus wie die Jacke. Schwarz, ledrig, eingerissen. Aber Kunstleder, und viel zu klein für das ganze Papier. Gwen ist ein Kassenbon-Messi, denke ich und gehe die Karten durch. Ausweis (ich checke lächelnd unser Geburtsdatum), Führerschein, EC-Karte, versichert bei der DAK, Subway-Kundenkarte... ich halte inne. Blassgrünes Papier mit Eselsohren. Ich ziehe es heraus und sehe zum ersten Mal in diesem jungen Leben einen Dienstausweis.

      »Oh Scheiße«, murmele ich.

      Im Badezimmer wird es still.

      III

      Gwen hat nicht oft One-Night-Stands. Aber oft genug, um zu bemerken, dass sie die Angewohnheit hat, vor ihnen aufzustehen. Da es meistens in ihrer Wohnung endet, ist ihr das ganz recht. Niemandem zu vertrauen ist keine Bürde, sondern ein Privileg, findet sie und beschließt, sich nur kurz abzuduschen, damit der Falke so wenig Zeit wie möglich hat, zwischendurch aufzuwachen. Noch liegt sie friedlich auf dem Bauch und döst mit leicht geöffnetem Mund und rissig geküssten Lippen vor sich hin, blassbraune Haut und Haare wie ein Wildkräuterbusch, als würde ihr seltsamer Geruch darin wachsen. Gwen war das beim ersten Kuss aufgefallen. Er schmeckte erdig. Sie beugt sich unauffällig zu der Kleinen vor, als sie aufsteht. Sie kennt kaum Kräuter beim Namen, aber das, wonach sie riecht, muss tief im Wald an Rändern von Mooren wachsen und mit seinen Wurzeln den Morast bis in die Blätter saugen.

      Ihre Brille liegt auf dem Nachttisch. Die Moorleiche muss sie hüten wie einen Schatz, denn es war das einzige, das Gwen ihr am Vorabend nicht achtlos vom Körper reißen durfte. Gwen erinnert sich daran, ihre Unterhose neben ihr Bett fallen gelassen zu haben, steht auf und zieht sie an, nur, um nicht nackt zu sein. Sie blinzelt gegen die Sonne, die sich in den Morgenstunden ungefragt durch ihr Fenster einlädt und das Bett wärmt. Sie mag die Ausrichtung ihrer Fenster, auch, wenn es in der Küche so fast immer dunkel ist. Aber in der Küche liegt sie auch nicht faul in der Morgenwärme, bis sie nur noch eine Viertelstunde hat, um pünktlich zur Arbeit zu kommen.

      Sie überfliegt das Chaos achtlos und sucht nach ihren Klamotten. Ihr Magen zieht sich vorwarnend zusammen, knurrt aber nicht. Und selbst wenn, der Falke scheint einen verdammt tiefen Schlaf zu haben. Jedenfalls stört sie weder, dass das Bett knarrt, als Gwen aufsteht, noch das Rascheln der Klamotten, die sie sich unter den Arm klemmt, oder das Klingeln der Gürtelschnalle ihrer Hose. Zumindest denkt sie, es sei ihre Hose, bis sie sich erinnert, keine blaue Jeans getragen zu haben. Gwen möchte sie einen Schritt weiter auf das T-Shirt ihrer Übernachtung werfen, doch etwas rutscht aus der Hosentasche und fällt tonlos auf den Teppich. Gwen starrt das Tütchen an. Sie will den Kopf darüber schütteln, denn entweder hat der Falke Backpulver geklaut oder ist bescheuert genug, ihr Koks offen mit sich rumzutragen. Gwen sieht die Hose an, dann wieder das Tütchen und schmeißt die Jeans schließlich von sich. Das Pulver ist luftdicht verpackt. Ungeöffnet. Vermutlich gestrecktes Zeug, rät Gwen und schielt zu ihrer Übernachtung. Die schläft noch immer. Gwen beschließt, es sei nur Teil ihres Jobs, wenn sie die Tüte konfiszieren würde, immerhin ist sie nicht für nichts Polizistin geworden. Sie zuckt mit den Schultern und verzieht sich mit Klamotten und Neuschnee ins Badezimmer. Die Kleidung lässt sie achtlos neben den Mülleimer fallen, schließt die Tür von innen ab – sollte die Prinzessin auf die Idee kommen, ihr beim Waschen helfen zu wollen – und stellt die Dusche an. Der Wasserdampf beschlägt den Spiegel, bis auf eine Schmierspur, von der Gwen nicht mehr weiß, woher sie kommt. Wenn sie frontal davorsteht, zieht sie sich einmal genau über ihren Hals. Gwen kramt nach einer Nagelschere, die sie nicht mehr benutzt, seit sie einen Knipser hat und schneidet mit ihr vorsichtig das zugeklebte Tütchen auf. Sie schiebt ein wenig Pulver auf der Ablage zusammen und starrt es an, bis es zu nass ist, um es ordentlich zu schnupfen. Nur, weil etwas gratis ist, ist es nicht gleich gut, beschließt sie und schiebt es von der Ablage in den Abfluss, aus den Augen, aus dem Sinn, wie einen One-Night-Stand. Und der hat meistens sogar noch weniger Langzeitfolgen.

      Gwen duscht nicht so lange, wie sie gerne würde, um sich überall zu waschen. Sie riecht jetzt nach offenen Poren, Unschuld und Nivea Sport. Und ihre Klamotten riechen dafür stechend sauer, aber Gwen wirft sie sich trotzdem über. Sie müssen es für ein Frühstück und das seltsame Gespräch danach noch tun, dann kann sie sich umziehen, ohne von ihrer Paranoia gehetzt zu werden. Gwen rubbelt sich mit dem Handtuch trocken wie ein Rennpferd, hängt es wieder an den Haken und verlässt das Bad. Sie hätte die Tür gerne im Wohnzimmer, aber irgendjemand mit fragwürdigem Hang zur Avantgarde, der gerade erst den B.A. In Architektur erworben hatte, hat sich gedacht, dass moderne Großstädter im Schlafzimmer gerne direkten Zugang zu Abstellkammer und Bad hätte.

      Gwen hat erwartet, dass der Falke inzwischen vom Duschgeräusch wachgeworden ist. Und wenn nicht davon, dann von der Straßenreinigung, die inzwischen lauter piept als die Vögel im Baum vor dem Fenster. Vielleicht hätte Gwen einen weichen Moment gehabt, in dem sie die Kleine gefragt hätte, was von beidem es war.

      Aber das Schlafzimmer ist leer.

      »Wo bist du?«, fragt sie und stellt fest, dass die Brille fehlt. Jetzt sucht sie nach dem Haufen aus Hose und Shirt, doch beides ist weg. Durch die Nase schnaubend geht sie zur Wohnzimmertür. War die gestern Abend schon angelehnt gewesen?

      »Bist du da?«, fragt sie nochmal und hat für einen Moment Panik und eine unwillkommene Vorfreude zugleich bei dem Gedanken, dass das Schönchen vielleicht Frühstück machen könnte.

      Je näher ein Morgen einer RomCom mit Julia Roberts kommt, desto schlimmer ist er für Gwen. Die Bindungsängste hat sie sich nicht ausgesucht, aber sie trägt sie trotzdem meistens wie ein leuchtendes Warnsignal vor sich her. Vermutlich hat der Falke das bemerkt, denn sie ist verschwunden. Dabei hätte ihre warme Haut dem kühlen Morgen gutgetan. Gwen fühlt sich einer Chance beraubt, die sie nicht genutzt hätte.

      Sie