Pepe S. Fuchs - Schatzjäger. Steffen Schulze

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Название Pepe S. Fuchs - Schatzjäger
Автор произведения Steffen Schulze
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783899692440



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ihr Flachzangen!«

      Der Maschinengewehrschütze kam zum Kübelwagen herüber. Ein hämisches Grinsen zog sich über sein grobschlächtiges Gesicht. Er war an die zwei Meter groß – gut und gerne überragte er Pepe um zwei Köpfe – und ihm sofort unsympathisch. Es gab nicht viele Leute, die das von sich behaupten konnten.

      »Du sei still!«, schnauzte ihn der Grauhaarige an. »Wer denkst du, dass du bist? Rambo, oder wer? Niemand und ich wiederhole das ausdrücklich, kein ernsthafter Soldat hebt ein Maschinengewehr vom Boden auf und schießt damit auf seinen Gegner. Mit scharfer Munition hättest du nicht einen Treffer gelandet. Die Waffe hat in alle Richtungen verrissen. Das Ding hat nicht umsonst zwei Füße, mit denen du es sicher im Boden verankern kannst.«

      Wie vorhin fror dem Großen sein debiles Grinsen ein, dieses Mal jedoch für länger. Vom Hals her kroch rote Farbe wie eine Horde Ameisen über sein Gesicht. Dazu schwoll eine Ader über seiner linken Augenbraue drohend an und pulsierte hektisch.

      »Aber ich habe ihn erwischt!«, entgegnete er nicht halb so selbstsicher, wie er wahrscheinlich klingen wollte.

      »Du hast ihn erwischt? In deinen Träumen! Pawel, du bist tot! Dein Munitionsgurt war leer und er hat dich aus zwei Metern Entfernung mit seinem Karabiner voll getroffen. Wäre da keine Platzpatrone drin gewesen, könnte ich jetzt durch deinen Brustkorb hindurch bis Jürgenshof schauen!«

      Unwillkürlich senkte der Große seinen Kopf und begutachtete seine Brust. Auch Pepe sah auf die angesprochene Stelle. Es war tatsächlich kein Loch drin.

      »Du hast geschummelt«, meldete sich der polnische Infanterist zu Wort, der von dem harten Fausthieb zu Boden gegangen war. »Und bei mir ist jetzt ein Zahn locker.«

      Um seine Feststellung zu unterstreichen, riss er seinen Mund weit auf und wackelte mit dem Zeigefinger an seinem rechten Schneidezahn.

      Die Ader des Großen war mittlerweile dicker als Pepes Zeigefinger. In der linken Hand hielt er noch immer das Kampfmesser. Seine Faust hatte sich so sehr darum verkrampft, dass die Knöchel weiß hervortraten. Pepe wechselte den Hammer von rechts nach links und wieder zurück.

      »Geht mir bloß aus den Augen, ihr Versager!«, setzte der Grauhaarige seine Tirade fort. »Alle miteinander! Herr Daras, fahren Sie!«, schloss er, setzte sich auf den Beifahrersitz und verschränkte die Arme vor der Brust.

      Der Angesprochene ließ die Drohne heranschweben. Nachdem sie kurz in der Luft gehalten und sich einmal um sich selbst gedreht hatte, landete sie präzise auf der Rücksitzbank des Cabriolets. Erst dann startete der Fahrer den Wagen und fuhr in Richtung Jürgenshof davon, streifte dabei den Großen, den der Grauhaarige mit Pawel angesprochen hatte. Der starrte dem Kübelwagen mit zusammengebissenen Zähnen hinterher. Pepe erwartete, sein Messer jeden Moment hinter dem Cabrio herfliegen zu sehen. Stattdessen drehte sich Pawel abrupt um und stapfte an Pepe vorbei in den Wald. Auch die übrigen Wochenendkrieger trudelten nach und nach vom Schlachtfeld her ein. Sie scherzten und lachten miteinander, schlugen sich anerkennend auf die Schultern, als hätten sie tatsächlich einen Sieg errungen. Nur der Kerl mit dem losen Zahn schaute nicht sehr glücklich drein.

      Pepe ließ die Gruppe passieren. Was für ein merkwürdiger Verein. Er wünschte ihnen, dass sie niemals in die Verlegenheit eines richtigen Feuergefechtes gerieten. Ein wackelnder Schneidezahn wäre dann ihre geringste Sorge.

      Die Sonne war jetzt vollständig hinter dem Horizont verschwunden. Pepe stieg den kleinen Hügel hinauf, vorbei an der amateurhaften Maschinengewehrstellung. Von dort konnte er über eine kleine Bucht hinweg zu einer etwa siebenhundert Meter entfernten Häuseransammlung sehen. Selbst aus der Distanz sahen die Gebäude sehr mondän aus, wie Strandhäuser an der französischen Riviera. Eines schien sogar einen Landeplatz zu besitzen. Außerdem lagen in einer kleinen Marina teuer aussehende Boote vertäut. In diesem Teil Mecklenburgs war anscheinend Geld zu Hause.

      In der einsetzenden Dunkelheit zeichneten sich die roten Rücklichter des Kübelwagens deutlich in der Ferne ab. Sie schienen plötzlich an einer Stelle zu verharren und erloschen auf einen Schlag. Der Wagen hatte angehalten, direkt vor einer der Villen.

      3

       Mit einem Mal war es Nacht geworden. Über den See kroch kalte Luft den Hügel hinauf. Pepe warf einen letzten Blick in Richtung der Häuseransammlung, von der nur ein schwacher Lichtschimmer die Finsternis zu durchdringen suchte. Dann drehte er sich um und lief den Weg zum Zeltplatz zurück. Im Wald konnte er buchstäblich seine Hand nicht vor Augen sehen. Rechts und links des kaum als helleren Streifen auf dem Boden zu erkennenden Pfades raschelte es. Zweige knickten um, Äste schlugen gegeneinander, trockene Blätter knisterten, als sich etwas durch sie hindurchbewegte. Der Wind rauschte in den Bäumen, ließen sie knarzen und ächzen.

      Folgte ihm jemand? Pepe blieb abrupt stehen, schloss die Augen, schärfte sein Gehör. Unwillkürlich hatte er nach dem Hammer gegriffen. Wie so oft in den letzten Tagen, wünschte er sich, seine Dienstpistole dabeizuhaben. Oder wenigstens ein Taschenmesser. Da! Pepe schnellte herum. War das ein Schatten hinter ihm? Hatte sich jemand blitzartig zu Boden geworfen? Wieso hatte er denn nur keine Taschenlampe dabei, oder wenigstens eine Panzerfaust. Ein Windstoß ließ Pepe frösteln. Nicht nur deswegen stellten sich plötzlich seine Nackenhaare auf. Er hob den Hammer, bereit, wie Thor einen Angriff abzuwehren. Etwas kam rasend schnell auf ihn zu! Im letzten Moment konnte er sich wegducken, als ein großer Vogel, mindestens genauso erschrocken einen Protestschrei ausstoßend, über ihn hinwegrauschte und das Weite suchte. Erst jetzt atmete Pepe erleichtert aus.

      »Verdammtes Mistvieh!«, schimpfte er dem Raben hinterher und ging mit schnellen Schritten weiter. Bis zum Zeltplatz war es nicht mehr weit. Das Gefühl, verfolgt zu werden, blieb. Beständig blickte er über seine Schulter. Schon nach wenigen Schritten blieb Pepe erneut stehen. Vor ihm flackerte ein Lichtschimmer, als ob jemand eine Laterne schwenkte. Er ging in die Knie und lauschte. Hinter ihm schrie ein Käuzchen. Dann hörte er fröhliche Stimmen, von einer Windböe herübergeweht. Verdammt, war er paranoid geworden? Dort hinten feierte jemand am Seeufer eine Party. Über sich selbst den Kopf schüttelnd stand Pepe auf und lief vorwärts. Als er sich dem Ufer näherte, standen die Bäume weiter auseinander. Ließen mehr Restlicht durch. Am Bootssteg kurz vor dem Eingang zum Campingplatz, angestrahlt von einer im Wind schwankenden Lampe, hatte sich eine kleine Gruppe versammelt. Pawel, der Maschinengewehrschütze in der SS-Uniform, stach nicht nur durch seine Körpergröße heraus. Er hatte die Jacke ausgezogen, sodass sich seine bleiche Haut vor dem dunklen Seewasser deutlich abzeichnete. Sein ausgelassenes Lachen hallte weit. Immer wieder streckte er seine Hand nach einer Frau aus. Dieser schien das nicht zu gefallen. Sie schlug seinen Arm beiseite, versuchte auszuweichen, doch Pawels Kriegsspielkameraden hatten einen engen Kreis um sie gebildet und stießen sie Mal für Mal feixend zurück auf den Großen zu.

      »Lasst mich in Ruhe, ihr Säue!«, brüllte sie.

      Pepe erkannte die Stimme der jungen Frau vom Spielplatz, wenn auch etwas verzerrt. Wie hieß sie nur gleich? Ingrid? Ingeborg? Isabella! Isa!

      »Lasst sie in Ruhe, ihr Wichser! Ich reiße euch den Arsch auf!«

      Wo kam der denn her? Wie ein Kugelblitz schoss plötzlich Isas Sohn aus dem Gebüsch. Er rannte zwischen den Männern hindurch und stürmte direkt auf Pawel zu. Er prallte von ihm ab, als wäre er gegen eine Litfaßsäule gelaufen, fing sich aber schnell. Nachdem er sich kurz geschüttelt hatte, trommelten seine kleinen Fäuste pausenlos auf den Oberschenkel des Großen ein.

      »Hau ab, du Zwerg!«, schnauzte der unwirsch und verpasste dem Kleinen eine gewaltige Ohrfeige, sodass der sich einmal um sich selbst drehte und vom Bootssteg ins Wasser stürzte.

      In drei Schritten war Pepe bei ihm und zerrte ihn ans Ufer. Über ihm brüllte Isa wie ein Tier und sprang auf Pawels Rücken. Sie klammerte sich mit ihren Schenkeln fest und kratzte und schlug ihm von hinten ins Gesicht.

      »Du Schwanzlutscher! Du miese, verdreckte Kackbratze! Ich kratz dir die Augen aus, du dämlicher Polacke!«

      Was war nur mit der freundlichen Isabella vom Nachmittag geschehen? Wie konnte sie sich in so kurzer Zeit von einer liebevollen Mutter in eine fluchende Furie verwandeln?