solches Leben, daß es schon der ganzen Gelassenheit des Saporogers bedurfte, eine unbewegte Miene beizubehalten und nicht einmal mit den Mundwinkeln zu zucken — ein Charakterzug, der den Kleinrussen bis heut’ noch von seinen südrussischen Brüdern unterscheidet. Es war eine trunkene, lärmende Fröhlichkeit, aber nicht in einer verräucherten Schenke, wo der Mensch in einer finsteren, bizarren Ausgelassenheit Vergessenheit von seinem Schmerz sucht, dies war vielmehr ein enger Kreis von Freunden und Schulgenossen. Der einzige Unterschied bestand darin, daß die Menschen hier, statt hinter der Fibel zu sitzen und trockene Erklärungen des Lehrers über sich ergehen zu lassen, auf fünftausend Pferden ausritten und allerhand kühne Raubzüge unternahmen; statt der Wiese, wo Ball gespielt wurde, hatten sie die weite unbegrenzte Steppe, die keinem von ihnen Sorgen machte, die von niemandem bewacht wurde, und wo bloß hier und da der flinke Kopf eines Tataren auftauchte, oder ein Türke finster und unbeweglich unter dem grünen Turban hervorschaute. Ferner kam hinzu, daß sie hier nicht ein fremder Wille zusammenführte, wie in der Schule, sondern eigner Entschluß: hatten sie doch selbst Väter und Mütter verlassen und waren dem elterlichen Hause heimlich entlaufen. Hier gab es Männer, deren Hals der Strick bereits berührt hatte, und die statt des blassen Todes noch mit Mühe das Leben erwischten, dies unbändige Leben voll herrlichen Genusses und Fröhlichkeit; hier hausten Menschen, die aus einer edlen Gewohnheit keine Kopeke in der Tasche behalten konnten, und wieder andere, die bisher einen Dukaten für einen großen Schatz gehalten hatten, und denen man dank den jüdischen Pächtern die Taschen umkehren konnte, ohne Gefahr zu laufen, daß etwas herausfiele. Hier befanden sich Seminaristen, die die akademischen Ruten nicht vertragen und in der Schule keinen Buchstaben gelernt hatten — zugleich aber auch solche, die ihren Horaz und Cicero kannten und über das Wesen der römischen Republik Bescheid wußten. Hier traf man viele jener Offiziere, die sich später in den königlichen Heeren auszeichneten, sowie jene erprobten Parteigänger, die die edle Überzeugung hegten, daß es gleichgültig sei, wo man kämpfe, wenn man nur überhaupt kämpfen konnte, denn es sei eines ritterlichen Mannes nicht würdig, ein Leben ohne Kämpfe und Schlachten zu führen. Endlich gab es auch eine Anzahl solcher, die nur in die Sjetsch gekommen waren, um sagen zu können: sie seien in der Sjetsch gewesen und seien folglich im Kampf gestählte Krieger. Aber was gab es hier nicht? Diese sonderbare Republik war durchaus ein Bedürfnis jener Zeit. Für Liebhaber des kriegerischen Lebens, goldener Becher, reicher Gewebe, Dukaten und Schaumünzen gab es hier jederzeit genug zu tun. Nur die Verehrer der Frauen kamen nicht auf ihre Rechnung: denn nicht einmal in der Vorstadt der Sjetsch durfte sich eine Frau zeigen ... Ostap und Andrij fanden es sonderbar, daß niemand die zahlreichen Menschen, die mit ihnen in die Sjetsch gekommen waren, nach ihrer Herkunft und ihrem Namen fragte. Sie kamen hierher, als ob sie in ihr eigenes Haus zurückkehrten, das sie erst vor einer Stunde verlassen hatten. Der Ankömmling meldete sich bloß beim Hauptmann, der gewöhnlich fragte: „Grüß Gott. Glaubst du an Christus?“ „Ja, ich glaube,“ antwortete der Ankömmling. „Auch an die heilige Dreieinigkeit?“ „Auch das.“ „Besuchst du die Kirche?“ „Ja, ich besuche sie.“ „Gut, bekreuzige dich einmal.“ Der Ankömmling tat es. „Schön,“ sagte der Hauptmann, „geh und wähl dir selbst das Kosakendorf, das dir gefällt.“ Und damit war die Zeremonie beendet. Die ganze Sjetsch betete in derselben Kirche und war bereit, sie bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen, trotzdem sie von Fasten und Enthaltsamkeit nichts wissen wollte. Nur die, nebenbei bemerkt, äußerst geldgierigen Juden, Armenier und Tataren wagten es, sich in der Vorstadt niederzulassen und hier ihre Kramläden aufzuschlagen, denn die Saporoger handelten nur ungern und zahlten gewöhnlich so viel Geld, als sie mit einem Griff aus der Tasche holten. Übrigens war das Los dieser habsüchtigen Händler sehr traurig; man konnte sie fast mit den armen Leuten vergleichen, die am Fuße des Vesuvs wohnten, denn sobald es den Saporogern an Geld fehlte, zertrümmerte die rohe Bande die Buden der Krämer und nahm sich alles, was sie brauchte, auch ohne Zahlung.