Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis. Cedric Balmore

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Название Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis
Автор произведения Cedric Balmore
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783956179846



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prüfte den Puls der Klientin. Seine Schultern sackten langsam nach unten. Er wandte sich um. „Ich fürchte, sie ist tot“, sagte er.

      2

      Dr. Stiller eilte mit seiner Instrumententasche im weißen Kittel zum Lift.

      Bount Reinigers Office Räume befanden sich im vierzehnten Stockwerk. Am Fahrstuhlschacht warteten zwei Männer. Sie schenkten ihm nur einen flüchtigen Blick, dann verfolgten sie das Lichtspiel der elektrischen Anzeigetafel.

      Der Lift stoppte, die Tür glitt zur Seite. Dr. Stiller und die beiden Männer betraten den Fahrstuhl. Drei Personen, eine Frau mit Mann und Kind, befanden sich bereits darin. Das Trio verließ den Lift im zehnten Stock. Dr. Stiller schaute ungeduldig auf seine Uhr. June March hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass Eile geboten war.

      Der Fahrstuhl hielt. Dr. Stiller zuckte zusammen, getroffen von einem scharfen Schmerz in seiner Seite. Erschaute nach unten. Der neben ihm stehende Mann presste ihm eine Revolvermündung in die Rippen.

      „Machen Sie keinen Ärger, Dr. Stiller“, sagte der Mann, „sonst mache ich aus Ihnen den stillsten Stiller, den diese unstille Stadt jemals kannte.“

      Dr. Stiller schluckte. Er hatte normalerweise Sinn für Wortspiele, aber wenn sie sich mit Bedrohung und Zynismus verbanden, waren sie nicht nach seinem Geschmack. Schon gar nicht dann, wenn ein Patient nach ihm rief.

      „Ich habe kein Geld bei mir“, stellte der Arzt fest.

      Die Lifttür glitt zur Seite. Der zweite Mann deckte die hinter ihm stehenden Fahrstuhlinsassen, aber es war niemand in der Nähe, der die Szene hätte beobachten können.

      „Ziehen Sie den verdammten Kittel aus, rasch“, forderte der bewaffnete Gangster. Er war nicht älter als 28 und hatte ein schmales, hübsches Gesicht mit dunklen, harten Augen und pechschwarzem, gepflegt wirkendem Haar. Er war gut gekleidet und wirkte nicht unintelligent, aber für Stiller war es die Art von Aufgeschlossenheit, die sich nur im Negativen äußert.

      „Was haben Sie vor? Ich muss zu einem Patienten“, sagte Stiller.

      „Das wissen wir“, höhnte der Schwarzhaarige. „Wir kommen Ihnen entgegen. Wir nehmen Ihnen den Job ab.“

      „Sind Sie verrückt geworden?“, fragte Stiller.

      Er hatte keine Angst, er war nur verärgert. Trotzdem spürte er, dass es dumm und falsch sein würde, seinen Gegner mit hinhaltendem Widerstand zu reizen. Stiller gab plötzlich nach. Er stellte die Instrumententasche ab und entledigte sich des Kittels.

      Der Gangster nahm das Kleidungsstück entgegen und überließ seinem Komplizen den Revolver. Dieser zweite Mann schob die Waffe in seine Aktentasche, behielt jedoch den Finger am Abzug.

      Er war größer und grobschlächtiger als der Schwarzhaarige und hatte eine Boxernase. Stiller fühlte, dass dieser Mann nur Handlangerdienste leistete.

      „Wir gehen jetzt zum Scheißhaus“, höhnte der Boxertyp. „Sie müssen nämlich mal.“

      „Was muss ich?“, fragte Stiller. Er hatte insgeheim gehofft, dass irgendjemand auftauchen und ihn aus seiner bedrohlichen Lage befreien würde, aber plötzlich wurde ihm klar, dass er diese Entwicklung gar nicht wollen durfte, denn sie konnte mit einer Schießerei, mit einer Katastrophe enden.

      „Sie müssen die Schnauze halten“, sagte der Mann mit der Boxernase grob. „Und ganz ruhig bleiben. Nur für ein kleines Viertelstündchen.“

      Dr. Stiller zuckte mit den Schultern und verließ den Lift. Nur mit Hose und Oberhemd bekleidet kam er sich beinahe halbnackt vor. Er wandte den Kopf. Der Schwarzhaarige eilte mit der Instrumententasche und wehendem, weißen Kittel den Korridor hinab.

      Stiller schüttelte verzweifelt den Kopf. Er las gern und viele Krimis und bildete sich ein, mit einer gut funktionierenden Kombinationsgabe glänzen zu können, aber er sah sich diesmal außerstande, einen Sinn in das Geschehen zu bringen.

      Nur eines war klar. Die Gangster hatten damit gerechnet, dass man ihn in Reinigers Office rufen würde. Und sie waren entschlossen, die dort notwendig gewordene Behandlung zu unterbinden oder, was vielleicht noch schlimmer war, auf ihre Weise durchzuführen.

      „Los, Doktorchen“, raunzte der Gangster. „Du schließt dich jetzt in eine der Boxen ein und kommst erst dann wieder heraus, wenn ich dreimal klopfe. Wenn du Ärger machst, perforiere ich die Scheißhaustür mit Blei, verstanden?“

      Stiller nickte und ging, gefolgt von dem Gangster, auf die Toiletten zu.

      Der Schwarzhaarige hatte Bount Reinigers Officetür erreicht. Er zögerte nur eine Sekunde, dann trat er ein. Das Vorzimmer war leer, aber die Verbindungstür zum eigentlichen Office stand offen. Der Mann im weißen Kittel trat über die Schwelle. June March kam ihm entgegen.

      „Dr. Williams. Dr. Stiller hat mich gebeten, nach dem Rechten zu sehen. Was gibt es, bitte?“

      „Dr. Williams? Sie sind ein Kollege von Dr. Stiller?“, wunderte sich June.

      „Ja, sein neuer Assistent“, erklärte der Besucher ungeduldig. „Ich bin in Eile. Wo ist die Dame? Dr. Stiller sprach von einer Patientin.“

      Bount erschien im Türrahmen. Er hob die Augenbrauen.

      „Das ist Dr. Williams, Dr. Stillers neuer Assistent“, sagte June rasch. Bount trat zur Seite. „Es gibt nicht mehr viel für Sie zu tun“, bedauerte er. „Mrs. Miller ist tot.“

      Der Mann im weißen Kittel betrat das große, modern möblierte Zimmer und stoppte an der Couch, auf der die Tote lag. Er öffnete die Instrumententasche, fischte eine kleine Lampe heraus und lenkte deren Punktstrahl in eines der starren, weit offenen Augen.

      „Die Indikationen sprechen eindeutig für eine Vergiftung“, sagte er. „Kein Puls. Natürlich kann es sich auch um eine toxikologische Starre handeln, wir müssen das sofort überprüfen. Der Notarztwagen ist bereits unterwegs. Dr. Stiller hat ihn vorsorglich bestellt.“

      „Und ich“, sagte Bount, „habe inzwischen Toby Rogers informiert.“

      „Wen, bitte?“

      „Die Mordkommission“, sagte Bount. „Captain Rogers.“

      „Ich verstehe. Wie konnte das bloß passieren? Ein Jammer um dieses junge Menschenleben! Sie sind Privatdetektiv, nicht wahr?“

      „Ja. Einiges deutet daraufhin, dass Mrs. Miller das Opfer einer von ihr selbst eingenommenen hochgiftigen Tablette wurde“, sagte Bount. „Sie hat sie einem kleinen, goldenen Pillendöschen entnommen. Offenbar wurden ihre Beruhigungspillen gegen das giftige Präparat ausgetauscht.“

      „Mord, wie schrecklich!“ Er setzte sich auf den Couchrand, öffnete die Bluse der Toten, hielt plötzlich inne und sagte ernst: „Würden Sie mich bitte ein paar Sekunden mit der Unglücklichen allein lassen?“

      Bount und June gingen ins Office, ließen die Tür jedoch hinter sich offen. „Weshalb glauben Sie, dass sie verheiratet ist?“, wunderte sich June. „Sie trägt keinen Ring.“

      „Sie ist verheiratet, ich fühle es“, sagte Bount. „Sie ist eine Ehefrau. Ein Klassegesicht wie dieses bleibt nicht ledig.“